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Sozioökonomische Folgen von Krebs: Einbußen von bis zu 1200 Euro pro Monat

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Die DGHO drängt auf eine umfassende Forschung zu sozioökonomischen Folgen von Krebs. Die DGHO drängt auf eine umfassende Forschung zu sozioökonomischen Folgen von Krebs. © iStock/SilviaJansen
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Eine Krebserkrankung ist für Betroffene neben den körperlichen und seelischen Belastungen oft auch mit erheblichen finanziellen Einbußen verbunden, wie eine Befragung zeigt. Die DGHO drängt auf Studien und Änderungen.

Das Nationale Zentrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg hat die Auswirkungen einer Tumorerkrankung auf das sozioökonomische Umfeld von Patienten untersucht. Wie Professor Dr. Dr. Eva Winkler vom NCT berichtete, betrug 2017 die durchschnittliche Arbeitsunfähigkeitsdauer bei an Krebs erkrankten Frauen 41,9 Tage und bei Männern 31,6 Tage. Auch seien rund 13 % der Rentenzugänge auf eine Erwerbsminderung wegen einer Krebserkrankung zurückzuführen.

Die aus Krebserkrankungen resultierenden (finanziellen) Belastungen führten in den USA u.a. zu Einsparungen bei Lebensmitteln, Kleidung, Freizeitaktivitäten und zum Absetzen teurer Medikamente. Auf Deutschland seien diese Studienergebnisse nicht übertragbar, aber es gebe durch von beratenden Sozialdiensten „Hinweise, dass das Problem auch hierzulande zunimmt“, so Prof. Winkler. Um genaue Daten zu erhalten, hat das NCT Heidelberg in den Ambulanzen 274 Patienten mit neuroendokrinen Tumoren und kolorektalem Karzinomen zu zwei Zeitpunkten befragt. Das Durchschnittsalter der Interviewten betrug 61,3 Jahre, zwei Drittel waren Männer. Nur ein Drittel der Befragten war berufstätig.

80 % der Studienteilnehmer gaben an, infolge ihrer Erkrankungen höhere Ausgaben zu haben. 38 % von diesen bezifferten die Zusatzausgaben auf weniger als 100 Euro monatlich. Ebenso viele Patienten berichteten jedoch von mehr als 500 Euro pro Monat. Einkommenseinbußen folgten der Tumorerkrankung bei 37,2 % der Befragten. Die Lücken lagen dabei zwischen 201 und 1200 Euro monatlich.

Letztendlich schlugen sich geringere Einnahmen auch auf die Lebensverhältnisse der Patienten nieder. 39,7 % berichteten von einer Verschlechterung. Die daraus folgenden Einsparungen betrafen vor allem das Freizeitverhalten (89,8 %). Aber auch Ernährung/Lebensstil (35,7 %), Wohnen/Haushalt (25,5 %) und medizinische Behandlungen/Zusatzleistungen (21,4 %) waren betroffen.

„Es ergibt sich damit kein so dramatisches Bild wie in den USA, aber doch ein relevantes“, sagte Prof. Winkler. Sie schränkte allerdings ein, dass den genannten Ergebnissen kein validiertes Befragungsinstrument zugrunde lag.

Der Befragung ging zwar in Zusammenarbeit von NCT und Universität Bielefeld ein systematischer Methoden-Review voraus. 3298 Abstracts in 41 Publikationen wurden identifiziert (keine aus Deutschland), 352 Fragen zu finanziellen Auswirkungen extrahiert. Letztendlich ergab sich jedoch, wie Prof. Winkler erklärte, „kein konsistentes Konstrukt für finanzielle Belastung und kein Instrument, das alle Bereiche abdeckt“. Als relevante Domänen hatten die Wissenschaftler definiert:
  • aktive finanzielle Ausgaben
  • passives Aufbrauchen finanzieller Ressourcen/Rücklagen
  • psychosoziale Reaktionen
  • Suchen von Hilfe und Unterstützung
  • Coping (Bewältigen der Krise) durch Anpassung der Gesundheitsversorgung
  • Coping durch Anpassung des Lebensstils
Als weitere Hürde für valide Daten nannte Prof. Winkler, dass vorhandene Datenpools, z.B. von der Deutschen Rentenversicherung und dem Robert Koch-Institut, unverbunden und für die Forschung in der Regel unzugänglich seien.

Aufbau entsprechender Beratungsangebote nötig

In ihrer „Roadmap 2019“ hat die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) als eine ihrer Forschungsprioritäten die „Evaluation der Auswirkungen einer Tumorerkrankung auf das sozioökonomische Umfeld der betroffenen Patienten und ihrer Familien“ benannt. Laut Prof. Winkler bedeutet das u.a., in den kommenden fünf Jahren die Voraussetzungen für eine landesweite bevölkerungs- und registerbasierte Forschung zu sozioökonomischen Folgen von Krebs zu schaffen. Auch müsse ein deutschsprachiges Erhebungsinstrument zum Messen individueller Folgen von Krebs entwickelt und validiert werden. Weitere notwendige Maßnahmen sind aus Sicht der DGHO der Aufbau von Beratungsangeboten – gemeinsam mit den Sozialdiensten im stationären Bereich sowie den Beratungsdiensten der Krebsgesellschaften und ggf. denen der Kassen. Und ebenso das Entwickeln und die Evaluation von Versorgungsprogrammen, die Menschen mit niedrigem sozioökonomischen Status, Migrationshintergrund oder in prekären Arbeitsverhältnissen einen besseren Zugang zu Prävention, Früherkennung und Therapie onkologischer Erkrankungen ermöglichen.

Quelle: DGHO-Frühjahrstagung

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