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Spuckschutz für immer

Autor: Dr. Frauke Gehring

Manche Patienten wollten an der Scheibe vorbei so nah wie möglich ins Gesicht sprechen. Manche Patienten wollten an der Scheibe vorbei so nah wie möglich ins Gesicht sprechen. © iStock/miodrag ignjatovic; MT
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Der Spuckschutz ist binnen kurzer Zeit Teil unseres Alltags geworden. Unsere Kolumnistin begrüßt die Veränderung.

Was sind das für Zeiten, in denen ein Wort wie „Spuckschutz“ Eingang in die Presse und in die Gespräche der Menschen gefunden hat? Ich finde die Bezeichnung irgendwie eklig und würde am liebsten einen Preis für den ausloben, der eine appetitlichere Alternative dazu findet.

Am gruseligsten ist der Ausdruck, wenn man ihn im Zusammenhang mit Theken von Bäckereien und Fleischereien findet. Bedeutet er ja nichts anderes, als dass gemeinhin von Kunde und Bedienung auch auf die Auslage „gespuckt“ wird. Rein medizinisch gesehen stimmt das sogar, denn die Aerosole, die wir bei dem Wunsch nach 500 g gemischtem Hack ausstoßen, rieseln mit Sicherheit auf eben dieses. Auch das „Gerne! Darf es noch etwas sein?“ der Fleischereifachverkäuferin ist ohne Aerosolbildung nicht zu formulieren. Und nun schützt der Spuckschutz zwar mein Hackfleisch vor mir, aber nicht vor ihr.

Eigentlich müsste das nun Grund genug sein, das Kaufen unverpackter Ware komplett einzustellen, aber als Hausärztin bin ich recht gut im Verdrängen. Sonst wäre ich schlank. Haben wir nicht alle mal gesehen, wie sich Verkaufspersonal in ein durchfeuchtetes Taschentuch schneuzt oder hustend nur halbherzig von der Ware wegdreht? In meiner Fleischerei desinfiziert man sich nach jedem Kunden die Hände, das war schon vor COVID-19 so. Ich liebe diesen Laden! Beim Bäcker habe ich das noch nie gesehen. Aber schon ein Leben lang verdränge ich mein Wissen um all die Keime, die auf mir und in meinem Essen lungern, wenn es über meine persönliche Hygiene hinaus geht. Sonst läge ich längst mit einer schweren Neurose in der Psychiatrie.

Nun also der Spuckschutz, über den sich meine Mitarbeiterinnen ausnehmend gefreut haben. Sie möchten ihn nie wieder abgeben! „Manche Leute haben sich so weit über die Theke geneigt, dass wir mit dem Stuhl zurückrollen mussten, um nicht ihren heißen Atem um die Nase zu spüren“, sagen sie, „und das ist nun zum Glück vorbei!“. Zunächst hatten wir vor den beiden Arbeitsplätzen je eine Plexiglaswand aufgestellt, aber die konnte man ja umgehen. Manche Patient(inn)en wanden sich geradezu schlangengleich drum herum, um meinen Damen ihr Anliegen so nah wie möglich ins Gesicht zu sprechen. Jetzt haben wir die ganze Thekenfront verplexiglast, nur noch manchmal pirscht sich jemand von der Seite an, um einen fast hautnahen Kontakt zu erreichen.

Ich habe eine kleine Umfrage unter meinen Patient(inn)en gemacht und dann auch auf meinem Schreibtisch eine Scheibe aufgestellt. „Die Scheibe macht uns nichts aus“, sagten sie einstimmig, „aber es ist sehr schön, wenn Sie Ihren Mundschutz im Gespräch abnehmen! Dann verstehen wir Sie besser, aber noch wichtiger ist, dass wir Ihre Mimik sehen!“. Das kann ich nachvollziehen, und so lege ich den Mundschutz hinter der Scheibe ab, was meiner Sauerstoffversorgung ohnehin entgegenkommt. Die schön dichte FFP2-Maske setze ich dann für Untersuchungen und Behandlungen wieder auf.

Bei meiner Supermarktkassiererin aber, die den Mundschutz so gerne unter die Nase rutschen lässt, bleibe ich an der Kasse regelmäßig bockig hinter dem Spuckschutz am Laufband stehen; bezahlen soll ich nämlich „um die Ecke“, wo keinerlei Plexiglas mich vor ihren Keimen schützt. „Was machen wir?“, frage ich dann immer. „Ziehen Sie Ihren Schutz auch über die Nase, wo er hingehört, oder soll ich lieber nicht bezahlen?“ Sie entscheidet sich dann immer für eine MNS-Korrektur. Wenn es nach mir geht, bleiben alle Scheiben, wo sie sind. Wir brauchen nur noch einen akzeptablen Ausdruck dafür. Wenn wir dann noch den gesellschaftlichen Zwang zum Händeschütteln oder gar zur „Drei-Küsschen-Begrüßung“ dauerhaft abschaffen, können wir uns auf eine deutlich ruhigere Erkältungssaison freuen!

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