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TSVG: KV zu „Sprechstundenüberwachungsbehörde“ degradiert

Gesundheitspolitik Autor: Maya Hüss

Hessens KV-Spitze übt scharfe Kritik am geplanten TSVG.
Hessens KV-Spitze übt scharfe Kritik am geplanten TSVG. © Fotolia/Victor Koldunov
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Das geplante Terminservice- und Versorgungsgesetz ist laut KV Hessen eine „Mogelpackung“. In einer Resolution fordern die Delegierten deshalb jetzt Jens Spahn auf, den Gesetzesentwurf zurückzuziehen und gründlich zu überarbeiten.

Die „ärztefeindliche Diktion“ in dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) stört den Chef der KV Hessen, Frank Dastych, sehr. „Das geplante Gesetz geht völlig an der Realität vorbei“, moniert der HNO-Arzt. Die Vertreterversammlung (VV) der KV fordert in einer Resolution den Gesundheitsminister dazu auf, den TSVG-Entwurf zu überarbeiten. Dieser zeuge von einer „Missachtung der ärztlichen Freiberuflichkeit und einem tiefen Misstrauen gegenüber der ärztlichen und psychotherapeutischen Selbstverwaltung“. Es handele sich um eine „Mogelpackung“, mit der kein drängendes Problem in der ambulanten Versorgung gelöst werden könne.

So missfällt der KV-Spitze, dass sich der Umfang der Mindestsprechstunden pro Woche von 20 auf 25 erhöhen soll, wobei beispielsweise belegärztliche Tätigkeiten nicht einmal eingerechnet würden. „Den Patienten wird vorgegaukelt, Ärzte müssten nur ein bisschen mehr arbeiten, um grundsätzliche Versorgungsprobleme zu lösen“, sagt Dastych. Auch die Regelung, wöchentlich fünf offene Sprechstunden auszuweisen, stößt auf Kritik. „Was ist, wenn zu wenige oder zu viele Patienten die offenen Sprechstunden aufsuchen?“, fragt Dastych. Es werde zu Störungen der Praxisorganisation und zu längeren Wartezeiten kommen. Und die Körperschaft werde zur „Sprechstundenüberwachungsbehörde“ degradiert. „Die KV ist dann nicht mehr Partner, sondern Kontrolleur der Ärzte“, moniert Armin Beck, VV-Vize und Chef des Hausärzteverbandes Hessen.

15%iger Zuschlag ergibt 1,76 bis 3,84 Euro pro Fall

Es würden auch falsche finanzielle Anreize gesetzt. Leistungen, die in der offenen Sprechstunde erbracht werden, sollen mit einem Zuschlag von 15 % auf die Grundpauschalen entlohnt werden. Die KV hat ausgerechnet: Das ergibt Beträge von 1,76 bis 3,84 Euro pro Fall. Bei einer unveränderten morbiditätsbedingten Gesamtvergütung käme es aber nur zu einer Verschiebung von Geld. Außerdem könnte eine die finanzielle Besserstellung der Behandlung „neuer“ bzw. akut erkrankter Patienten zulasten chronisch kranker Patienten ausgetragen werden.

Auch die geplante befristete Aufhebung der Zulassungssperre für Ärzte der Kinder- und Jugendmedizin, der Psychiatrie und der Rheumatologie überzeugt Dastych nicht: „Eine Aufhebung ohne Steuerung konterkariert alles.“ Es handele sich hier um eine Steilvorlage für die Gründung von MVZ an lukrativen Standorten durch Kliniken oder Investoren.

Psychotherapie: Filter würde Berufsausübung einschränken

Für die Psychotherapie sehe das geplante Gesetz vor, dass sich nach erstmaligen Arzt-Patienten-Kontakten ein Gutachter einschaltet, um zu prüfen, ob die Sitzungen „genehmigungsfähig“ sind. „Ein zusätzlicher Filter vor allen Behandlungen ist fachlich unbegründet und eine unzumutbare Einschränkung der freien Berufsausübung“, moniert Hausarzt Beck. Wie genau dieses „gestufte Verfahren“ aussehen soll, ist unklar. Laut Bundesgesundheitsministerium könnte das TSVG im Frühjahr 2019 in Kraft treten.

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