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Und die Kassen so: Nullrunde!

Autor: Dr. Günter Gerhardt

Die Umsetzung der Pandemiemaßnahmen verursacht zusätzliche Kosten für niedergelassene Ärzte. Die Umsetzung der Pandemiemaßnahmen verursacht zusätzliche Kosten für niedergelassene Ärzte. © golubovy – stock.adobe.com; MT
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Unser Kolumnist moniert: Leistungen und Mehraufwand von niedergelassenen Ärzten werden nicht hinreichend berücksichtigt – weder bei der Verteilung von Finanzierungspaketen im Zuge der Pandemiebekämpfung noch bei den Honorarverhandlungen mit Krankenkassen.

Heute möchte ich mich mit ein paar gesundheitspolitischen Konsequenzen der Coronapandemie beschäftigen. Leider sind wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, daran mal wieder nicht ganz unbeteiligt ...

Das Säbelrasseln von Nichtärzten in der Deutschen Krankenhausgesellschaft kennen wir: „Die Coronapandemie hat strukturelle Schwächen der ambulanten Versorgung gezeigt.“ Und: „Wenn’s drauf ankommt, sind die Kliniken die zentralen Anlaufstellen.“ Darauf will ich gar nicht näher eingehen. Wir alle wissen, dass in normalen Zeiten weit über 90 % der Patientenbeschwerden ambulant angegangen werden, und seit März 2020 werden 85 % der Coronapatienten ambulant versorgt. Somit hat der ambulante Schutzwall, für den wir allerorten gelobt wurden, bislang bestens gehalten.

Dass aber ein Kollege, der Sprecher der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, der KV und damit uns Niedergelassenen Inkompetenz im Umgang mit der Coronasituation vorwirft, beschämt mich. Diese Aussagen als „Frechheit“ und „übelriechende Stimmungsmache“ zu bezeichnen, scheint mir völlig in Ordnung. Der Kollege hat mit seinen Äußerungen der Gesamtärzteschaft politisch einen Bärendienst erwiesen. Der hessische Ärztekammer-Chef zeigt mit Recht kein Verständnis für diese „Grabenkämpfe“.

Dass der öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) jetzt mehr beachtet wird, freut mich. Genauso wie das Milliardenpaket, mit dem die Gesundheitsämter unterstützt werden sollen. Von 5000 neuen Stellen, vor allem für Ärztinnen und Ärzte, ist die Rede. Nur: Woher nehmen, frage ich mich. Und mit Blick auf das Investitionsprogramm für die Krankenhäuser stellt sich direkt die nächste Frage: „Kriegen wir denn auch ein Stück ab von dem Kuchen?“

Das scheint nicht der Fall zu sein. Bei den Honorarverhandlungen haben die Krankenkassen für 2021 eine Nullrunde angeboten (herausgekommen ist ein Plus von 1,25 %). Zudem wollten dieselben Kassen die diesjährig vereinbarte Gesamtvergütung mit befreiender Wirkung absenken wegen Fallzahlrückgängen bei einigen Fachgruppen.

Obwohl beispielsweise die AOK mit 750 Millionen Euro Überschuss von der Coronakrise profitiert hat – durch weniger Klinik­aufenthalte, weniger Arztbesuche und weniger Verschreibungen von Heil- und Hilfsmitteln. Mit befreiender Wirkung heißt, der Betrag wird vereinbart und anschließend weder erhöht noch abgesenkt.

Absenkung war bislang nie das Thema, aber auch ein Aufstocken, was häufig wegen steigender Morbidität notwendig gewesen wäre, war nicht drin. Richtig, es gab die Rückgänge der Fallzahl – aber dadurch auch einen Wegfall an extrabudgetären Leistungen. Und das Budget, in dem sich der Großteil der Praxis­tätigkeit befindet, bleibt gleich, wodurch der Punktwert steigt.

Andererseits wurde der kurzfristige Fallzahlrückgang mehr als kompensiert durch andere von den Niedergelassenen übernommene Aufgaben wie etwa Corona-Fieberambulanzen oder Teststationen. Hierzu wurden auch offene Briefe – u.a. an Jens Spahn – geschrieben, in denen Haus- und Kinderärzte ihre Probleme schilderten, ihre eigentliche Patientenversorgungsaufgabe zu kombinieren mit notwendigen Pandemiemaßnahmen.

Nicht unerwähnt bleiben dürfen die in der Pandemie angefallenen Mehrkosten von über 1000 Euro pro Praxis für Schutzausrüstung, zwei bis drei Stunden Mehrarbeit, eine verstärkte Nutzung von Video­sprechstunden und die Änderung im Terminmanagement. Diese Mehrkos­ten bilden sich in unserer Vergütung nicht ab, sodass sich schon allein der Gedanke an eine Absenkung der Gesamtvergütung selbstredend verbietet.

Und dann noch ein Wort zur anstehenden Grippeschutzimpfung, die seit Wochen für Jung und Alt massiv beworben wird. Die Niedergelassenen sind bereit, alle Menschen im Land zu impfen.

Aber bitte, liebe Politik, dann nehmt uns das Regressrisiko. Sonst müssten wir uns zur Regressvermeidung am Verbrauch des Vorjahres orientieren. Was nichts anderes heißt, als nicht mehr impfen als 95 % des tatsächlichen Verbrauchs der Vorjahressaison.

Aber der Ansturm auf die Grippeimpfung hat begonnen. Und wenn wir nachbestellen, laufen wir Gefahr, zu viel geordert zu haben. Wenn dieses Zuviel 30 % überschreitet, kommt der Regress. Das heißt: Wir zahlen den nicht geimpften Grippeschutz aus eigener Tasche.

„Lasst uns doch einfach unsere Arbeit machen!“ Diesem Satz des Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung schließe ich mich gerne an.

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