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Coronavirus in der Praxis richtig abrechnen – Ziffer 88240, telefonische AU und U07.1!V

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Kassenabrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Ärztliche Leistungen abrechnen zu Zeiten von Corona? Bitte keine Mogelpackungen! Ärztliche Leistungen abrechnen zu Zeiten von Corona? Bitte keine Mogelpackungen! © studio v-zwoelf – stock.adobe.com
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Kassenärztliche Bundesvereinigung und Bewertungsausschuss haben Regelungen getroffen, die das Handling der mit dem Coronavirus in Zusammenhang stehenden Leistungen erleichtern sollen. Abrechnungsexperte Dr. Gerd W. Zimmermann hat Zweifel, dass die Regelungen das auch tun.

Alle ärztlichen Leistungen, die seit dem 1. Februar 2020 aufgrund des klinischen Verdachts auf eine Infektion oder einer nachgewiesenen Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 erforderlich werden, gelten ohne weitere Feststellung als nicht vorhersehbarer Anstieg des morbiditätsbedingten Behandlungsbedarfs. Der Bewertungsausschuss hat die Vereinbarung zum nicht vorhersehbaren Anstieg des morbiditätsbedingten Behandlungsbedarfs für das Jahr 2020 entsprechend angepasst. Das ist gut.

Extrabudgetäre Vergütung von „Corona-Leistungen“

Damit die Krankenkassen erbrachte Leistungen aber auch extrabudgetär vergüten, müssen die entsprechenden Fälle mit der Ziffer 88240 gekennzeichnet werden. Eine Bereinigung wie bei der Entbudgetierung gemäß Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) erfolgt hier nicht, die Kennzeichnung geht einer Kennzeichnung aufgrund extrabudgetärer TSVG-Konstellationen vor.

Auf den ersten Blick scheint das eine gute Lösung zu sein. Man darf aber nicht vergessen, dass die meis­ten hausärztlichen Leistungen über Pauschalen abgedeckt sind und zumindest bei bekannten Patienten immer anfallen und meist sowieso nach den Euro-Beträgen der Gebührenordnung bezahlt werden. Ärgerlich ist, dass ab dem 1. April 2020 die hausärztlichen Pauschalen abgewertet werden und die extrabudgetäre Vergütung dort ins Leere läuft.

Hausärzte mit vielen Patienten in der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) sind erst recht die Dummen: Die extrabudgetär vergüteten Leistungen sind nämlich Bestandteil des HzV-Ziffernkranzes. Die Mehrleistung wird hier folgerichtig überhaupt nicht vergütet. Hinzu kommt, dass die Behandlung eines mit dem Coronavirus infizierten Patienten in der Praxis eher selten sein dürfte, da er schnell in Quarantäne genommen oder stationär aufgenommen wird.

Die Budgetierung auch bei der Nr. 03230 EBM aufheben!

Im Vordergrund der hausärztlichen Versorgung stehen die (häufigen) Fälle, bei denen Patienten Angst haben, mit dem Virus infiziert zu sein. Hier muss klar sein, dass dies auch Verdachtsfälle sind, die mit dem vorgesehenen ICD 10-Code „U07.1!V“ gekennzeichnet werden dürfen. Zur Abrechnung kommen dabei neben den Pauschalen in erster Linie Gesprächsleistungen, die den Patienten aufklären und beruhigen sollen.

Das Problem dabei: Die einzige reine Gesprächsleistung im Hausarztkapitel nach Nr. 03230 EBM ist bisher auf 45 Punkte und ab 1. April 2020 auf 64 Punkte pro Fall budgetiert. Schöpft man sein diesbezügliches Kontingent aus, bleibt nichts mehr für die Beratung der anderen Kranken übrig.

Neben den Pauschalen kämen deshalb nur andere Gesprächsleis­tungen wie etwa nach den Nrn. 35100/35110 und 01100 bis 01102 in Betracht. Die würden tatsächlich extrabudgetär vergütet! Hier gewinnt besonders die Leistung nach Nr. 01102 an Bedeutung.

Wird eine telefonische Erreichbarkeit am Samstag eingerichtet, weil unter der Woche in der Sprechstunde keine Zeit ist, sich mit Verdachtsfällen zu beschäftigen, kann jeweils die Nr. 01102 berechnet werden. Ab April 2020 ist dies sogar von 7 bis 19 Uhr (bisher 7 bis 14 Uhr) möglich.

Findet der Kontakt als Videosprechstunde statt, kommen die Nrn. 01450/01451 hinzu. Hier ist das Budget seit März 2020 aufgehoben. Warum geht das nicht auch bei der Nr. 03230?

Richtige Kodierung ist Voraussetzung für Vergütung

Damit wenigstens das, was extrabudgetär vergütet wird, auch auf dem Praxiskonto ankommt, ist eine korrekte Kodierung wichtig. Bei einer Erkrankung mit dem Coronavirus (COVID-19) muss der Code „U07.1!“ angegeben werden.

Die Diagnosesicherheit wird über das Kennzeichen „V“ für Verdacht oder „G“ für gesichert dargestellt. Andere Erkrankungen und Symptome sollen zusätzlich dokumentiert werden.

Das ist ein unnötiger bürokratischer (Mehr-)Aufwand!

Bei einem Patienten mit einem akuten Sinubronchialinfekt, bei dem der Verdacht auf eine Coronavirus-Infektion besteht, müsste deshalb z.B. sowohl der Erkältungsinfekt wie auch der Verdacht auf die Virusinfektion kodiert werden. Da es sich (zunächst) um einen Verdacht handelt, wird beim Code „U07.1!“ das Zusatzkennzeichen „V“ zugesetzt.

Fallbeispiel: 55-jähriger Patient mit Sinubronchialinfekt
EBM-Nr.
Legende
Euro*
Bemerkungen
Diagnosen: Sinubronchitis (J40), Kontakt mit COVID-19 (Z20.8), Verdacht auf Infektion mit COVID-19 (U07.1!V)
03040Hausärztliche Grundpauschale15,16Beide Leistungen ab 1. April 2020 abgewertet
03004Versichertenpauschale16,26
Alternativ zur Versichertenpauschale, wenn nur telefonische(r) Kontakt(e) im Quartal
01435Telefonat mit dem Patienten9,67Nur einmal im Behandlungsfall berechnungsfähig
32006Ausnahmeziffer LaborbonusWegen Verdacht auf meldepflichtige Erkrankung
88240Kennzeichnung Coronavirusfall
03230Gesprächsleistung mind. 10 Minuten14,06Budget ab 1. April 2020 bei 64 Punkten/Fall
01102Inanspruchnahme am Samstag11,10Ab 1. April 2020 zwischen 7 und 19 Uhr
01450Zuschlag zur Versichertenpauschale bei ­Videosprechstunde4,39Seit März 2020 kein Höchstwert mehr
01451Anschubförderung Videosprechstunde10,11
*Angegeben sind jeweils die Bewertungen ab dem 1. April 2020

Fallbeispiel: 55-jähriger Patient mit einem Sinubronchialinfekt, der aus einem Italienurlaub zurückkehrt und bei dem wegen Verdacht auf eine Infektion mit dem Coronavirus ein Labortest veranlasst wird – so müsste der Fall codiert und gekennzeichnet werden.

Patienten, die Kontakt zu einem nachgewiesenen COVID-19-Fall oder einem COVID-19-Verdachtsfall hatten, sollen zusätzlich die Verschlüsselung „Z20.8“ erhalten. Wird der Verdacht auf eine Infektion mit dem Virus labordiagnostisch bestätigt, ändert sich das Zusatzkennzeichen von „V“ auf „G“.

AU per Telefon geht nur bei Symptomen

Nach einer der vielen Mitteilungen der KBV in den letzten Tagen müssen Patienten mit einer leichten Erkrankung der oberen Atemwege wegen der bloßen Attestierung einer Arbeitsunfähigkeit nicht in die Praxis kommen, sondern können telefonisch eine AU-Bescheinigung bzw. eine ärztliche Bescheinigung für den Bezug von Krankengeld bei der Erkrankung eines Kindes für bis zu eine Woche erhalten. Voraussetzung hierfür ist, dass die Patienten weder in den letzten 14 Tagen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das neue Coronavirus nachgewiesen wurde, noch sich in einem Gebiet aufgehalten haben, in dem gehäuft COVID-19-Fälle aufgetreten sind.

Dadurch sollen Praxen entlastet und gleichzeitig das Risiko für eine vermeidbare Ausbreitung von Infektionskrankheiten der oberen Atemwege über die Wartezimmer reduziert werden. Die Sonderregelung gilt vorerst für vier Wochen und auch für Kinder, wenn z.B. ein Attest für die Schule ausgestellt werden soll. KBV und GKV-Spitzenverband haben sich auf ein Verfahren verständigt, wie der Nachweis der Krankenversicherung bei Patienten erfolgt, die zuvor nicht in der Praxis waren.

Außerdem wurde eine Vereinbarung zur Vergütung getroffen. Berechnet werden kann die Versichertenpauschale, ggf. die Nr. 40122 für das Porto (0,90 Euro), wenn der Patient in dem Quartal mindestens einmal in der Praxis war oder einen Arzt-Kontakt per Videosprechstunde hatte. Die Nr. 01435 (9,67 Euro) ggf. plus Portokosten kann berechnet werden, wenn der Patient in dem Quartal weder in der Praxis noch in einer Videosprechstunde war. In diesem Fall muss die Gesundheitskarte nicht eingelesen werden, sondern die Versichertendaten aus dem Bestand können Verwendung finden.

Ist der Patient auch hier unbekannt, ist das Ersatzverfahren möglich: Seine (Pflicht-)Daten – Name, Wohnort, Geburtsdatum, Krankenkasse und Versichertenart – müssen am Telefon erfragt und händisch eingetragen werden.

Komplizierter kann man eine Regelung kaum noch machen!

Obgleich schon diese Regelung nur schwer nachvollziehbar und kaum in der Praxis umsetzbar ist, hat die KBV sie auch noch modifiziert. Eine solche (telefonische) AU-Bescheinigung kann der Patient letztendlich also nur erhalten, wenn er krank ist, weil er z.B. stark hustet oder Fieber hat. Zeigt er hingegen keine Symptome, ist dies nicht möglich, selbst wenn er positiv getestet wurde (KBV-Praxisnachrichten vom 12. März 2020). Schilda lässt grüßen!

Medical-Tribune-Bericht

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