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Telefonische Konsultation Falsche Anwendung von Essigwickeln führte zu Verätzung

Autor: Maria Weiß

Mit telefonischen Ratschlägen muss man sehr vorsichtig sein, vor allem bei Sprachbarrieren. (Agenturfoto) Mit telefonischen Ratschlägen muss man sehr vorsichtig sein, vor allem bei Sprachbarrieren. (Agenturfoto) © iStock/PeopleImages
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Pandemie hin oder her – nichts geht im Ernstfall über die persönliche Vorstellung beim Arzt. Am Telefon kommt es mitunter zu Missverständnissen, was bei der häuslichen Umsetzung einer Therapieempfehlung fatale Folgen nach sich ziehen kann.

Therapieempfehlungen am Telefon können leicht missverstanden werden, wie das Beispiel eines fünf Monate alten Säuglings zeigt. Die Eltern waren aufgrund eines positiven Coronatests mit dem Baby in häuslicher Isolation. Als der Kleine Schnupfen und Fieber bis 39,5 °C entwickelte, riefen sie den ärztlichen Notdienst an und bekamen die Empfehlung, zur Senkung des Fiebers Essigwickel anzulegen.

Nachdem keine Besserung eintrat, stellten sich die Eltern am nächsten Tag persönlich beim ärztlichen Notdienst vor. Sie erhielten eine bedarfsgerechte Antipyrese mit Paracetamol. Wegen zunehmender nächtlicher Unruhe brachten die Eltern ihr Kind dann in die pädiatrische Notfallambulanz des Universitätsklinikums Ulm.

Dort sahen Dr. Johannes Krämer und seine Kollegen ein Kind in gutem Allgemeinzustand mit leichtem Husten und Schnupfen. Ein unerwarteter Befund zeigte sich erst nach dem Ausziehen der Hose: An beiden Unterschenkeln waren scharf begrenzte rötlich livide Verfärbungen mit Aussparung der Hautfalten und Beteiligung der Fußsohlen zu sehen. An der Außenseite des rechten Beines bestand eine große Blase. Die Laborwerte waren bis auf eine CRP-Erhöhung normal, der PCR-Test auf SARS-CoV-2 weiterhin positiv.

Den Eltern zufolge traten die auffälligen Hauterscheinungen erstmals nach Anwendung der empfohlenen Wadenwickel auf. Dazu hatten sie Socken in Essig getränkt und dem Kind für 30 Minuten angezogen. Bei genauerem Nachfragen entpuppte sich der verwendete Essig als handelsübliche Essigessenz mit einem Säureanteil von 24,9 %. Somit stellten die Kollegen die Diagnose einer Säureverätzung Grad IIa–IIb an beiden Unterschenkeln. Eine Verbrühung durch zu heißes Badewasser wurde aufgrund der glaubhaften Anamnese verworfen – zumal die tiefen Hautfalten nicht betroffen waren.

Sprachbarriere kann am Telefon fatal sein

Nach Abtragung der Blasenreste wurde die Wunden fachgerecht versorgt, der Säugling konnte die Klinik acht Tage später wieder verlassen. Nach sechs Wochen war die Wunde verschlossen. Die SARS-CoV-2-Infektion verlief komplikationslos.

Der gut gemeinte telefonische Rat der Kollegen zur Fiebersenkung mit Essigwickeln hat in diesem Fall – wahrscheinlich mitbedingt durch die Unerfahrenheit der Eltern und Sprachbarrieren aufgrund eines Migrationshintergrunds – zu einer schweren Verletzung geführt. Mit derartigen telefonischen Ratschlägen muss man sehr vorsichtig sein, schreiben die Autoren. Außerdem sollte grundsätzlich jedes Kind mit hohem Fieber von einem Arzt untersucht werden, empfehlen sie. Dies gelte auch bei Vorliegen einer SARS-CoV-2-Infektion. Wie wichtig dabei das vollständige Entkleiden des Kindes sein kann, wird anhand dieses Falls überdeutlich.

Quelle: Krämer J et al. Monatsschr Kinderheilkd 2022; 170: 304-307; DOI: 10.1007/s00112-021-01315-5