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Kompetenzen verzahnen – so hilft Delegation gegen Burn-out

Praxismanagement , Team Autor: Anouschka Wasner

Neuer Antrieb für Ihre Praxis. Rechts: Dr. Günther Egidi, Hausarzt in Bremen.
Neuer Antrieb für Ihre Praxis. Rechts: Dr. Günther Egidi, Hausarzt in Bremen. © iStock.com/bernie_photo, privat
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Steigende Patientenzahlen ohne Burn-out bewältigen – eine Aufgabe, vor der viele Hausärzte aktuell stehen. Der Hausarzt Dr. Günther Egidi warb auf der diesjährigen practica für eine Stärkung der Delegation und lieferte konkrete Tipps dazu.

Das Delegieren ärztlicher Leistungen ist ein Schlüssel für Ärzte, die sich vom Praxisandrang nicht in die Enge treiben lassen wollen. Davon ist Dr. Günther Egidi, Hausarzt in Bremen und Sektionssprecher Fortbildung der DEGAM, überzeugt. Die Entlastung bestehe dabei nicht nur darin, dass dem Niedergelassenen konkrete Aufgaben abgenommen werden, sondern auch, dass er sich so etwas von seiner schwierigen Alleinkämpferstellung entbinden kann.

Die fachliche Position der MFA wird dabei gestärkt – gerade das ist für Dr. Egidi eine starke Motivation, sich für das Thema Delegation stark zu machen. Es sei wichtig, den Job der MFA angemessen wertzuschätzen. Es gebe natürlich Unterschiede in der Qualifikation – aber eben keine „verschieden guten“ Qualifikationen. Im besten Fall würden sich die Stärken der Ärzte, welche seiner Erfahrung nach dazu neigen, eher frei zu agieren – „als Künstler“ –, und die Stärken der MFA, zu denen oft ein sehr systematisches Arbeiten gehört, ergänzen. Eine ideale Ausgangslage.

Schwierig sei dagegen, dass die Vereinbarung über die Delegation mittlerweile in sich selbst inkongruent sei. Abgeschlossen wurde die Vereinbarung zwischen der KBV und dem GKV-Spitzenverband im Oktober 2013, die aktuelle Fassung ist von Januar 2015. Gleich in den einleitenden Paragrafen werden die nicht-delegierbaren Leistungen des Arztes definiert: „... dazu gehören insbesondere Anamnese (...), Untersuchung (...), Aufklärung und Beratung.“ Im direkt anschließenden Beispielkatalog der delegierbaren Leistungen ist jedoch die Anamnesevorbereitung genauso wie die Aufklärung des Patienten durchaus enthalten. Und das delegierbare DMP Diabetes enthält auch die körperliche Untersuchung.

„Delegation“ beim politischen Oktoberfest

Auch beim berufspolitischen Oktoberfest der 43. practica war das ärztliche Delegieren ein Thema. Allerdings erst nachdem – anders als in früheren Jahren – kein anderes Thema die Hausärzte in Diskussionslaune bringen konnte. Grund für die entspannte Stimmung in der berufspolitischen Hausärzte-Runde sei offensichtlich, dass „eine große Zufriedenheit hier im Saal“ herrsche, so Tagungspräsident Dr. Hans-Michael Mühlenfeld – und versuchte, ruhende Leidenschaften mit der Ausage zu wecken, er würde bestimmte AU von seinen MFA abwickeln lassen. „Wenn ein Patient mit einem grippalen Infekt kommt und weiß, wie er sich verhalten muss, warum soll er dann lange warten, bis ich ihn als Arzt sehe?“ Von den Richtlinien sei das grundsätzlich gedeckt. „Anamnese und Diagnose sind rein ärztliche Leistungen“, wird dieser Aussage aus dem Publikum entgegengehalten. Aber letztlich würden Hausärzte ja doch zu 90 % nur Symptome diagnostizieren, kontert Dr. Günther Egidi. „So schnell wie sich Politik und Recht in diesem Zusammenhang ändern, können wir unsere Prozesse gar nicht ändern. Und sobald unser Beruf noch knapper wird, wird sich das ganz von selbst ergeben.“ Wie denn die konkreten Erfahrungen mit der Verah bei den Kollegen seien, will eine Kollegin wissen, in deren Praxis sich die Abläufe offensichtlich noch nicht nach Wunsch entwickelt haben. Und ob diese vielleicht nur ausgebildet würden, um die entsprechenden Ziffern abrechnen zu können. „Es liegt an uns, wie gut unsere Verahs sind“, hält eine Ärztin dagegen, die selbst mit zwei entsprechend fortgebildeten MFA in ihrem Team arbeitet. Eine davon würde den größten Teil ihrer Arbeitszeit für Hausbesuche aufwenden. Und ein Hausarzt aus Baden-Württemberg bietet sich an, jedem, der es wissen möchte, die Erfolgsgeschichte seiner glücklichen Praxis mit den sieben VERAH und den 50 Hausbesuchen im Monat zu erzählen. 

Grenzen der Delegation werden weiter bröckeln

Dr. Egidi erklärt sich das politisch: „Meine Prognose ist, dass parallel zur realen Entwicklung der ärztlichen Versorgung die Grenzen der Delegation immer weiter bröckeln werden. Vor zehn Jahren war ein Hausbesuch der MFA ohne Arzt nicht möglich. Heute geht das problemlos.“ Seinen eigenen Erfahrungen nach kann Delegation in der Praxis sehr erfolgreich sein – sofern die Bedingungen stimmen. Elementar sei dabei, dass das Praxisteam stark sei. „Und in dieses Team gehören wir mit hinein. Also nicht: das Team und ich.“ Das Wort Team habe ursprünglich für Gespann gestanden. „Das ist die Grundlage, auf der wir delegieren können“, betont Dr. Egidi. Deswegen seien für Praxen, die über Delegation nachdenken, Themen wie Teamstrukturen, Fehlerkultur und das Praxisleitbild wichtig. Weitere Dreh- und Angelpunkte für eine erfolgreiche Delegation sind die Befähigung und Unterstützung der Mitarbeiter und die Installation von Standardabläufen und von wirksamen Feedback- und Kontrollstrukturen. Dabei sei neben den notwendigen Schulungen und Fortbildungen die Wertschätzung finanzieller Art und auch auf persönlicher und Teamebene wichtig.

MFA-Sprechstunde Magen-Darm

So könnte eine in der Komplexsteuerung enthaltene Arbeitsanweisung aussehen. Sind alle Fragen Pflichtfragen, ist am Ende jeder Arbeitsschritt dokumentiert. Wer?
  • Patienten mit Durchfall, Übelkeit und/oder Erbrechen
Wer nicht?
  • Multimorbide ältere Patienten
  • Beschwerden > 3 Tage
  • Erbrechen > 24 Stunden
  • Gastroenteritis > 3-mal im Jahr
  • Fieber > 39 Grad
  • Patient ist benommen
  • Patient hat aktuell starke Bauchschmerzen
  • Blut oder Schleim im Stuhl
  • „AU-zockender Pappenheimer“
Welche Fragen?
  • Haben Sie im Moment gerade Bauchschmerzen?
  • Fühlen Sie sich unsicher auf den Beinen (dann RR!)?
  • Haben Sie eine Idee, woher die Beschwerden kommen könnten?
  • Haben Sie Kopfschmerzen oder Migräne?
  • Haben Sie in den letzten 14 Tagen ein Antibiotikum eingenommen?
  • Haben Sie vor Kurzem eine Fernreise gemacht?
  • Haben Sie etwas gegen die Beschwerden eingenommen?
Welche Untersuchungen?
  • Stuhlkultur, nur bei Tätigkeit im Lebensmittelgewerbe oder in der Pflege oder bei massiven Symptomen
Was raten wir?
  • Hände / Klobrille desinfizieren
  • Handtücher wechseln
  • Kühlschrank auf Verdorbenes durchforsten
  • bei Blut im Stuhl oder Fieber in der Praxis melden!
Was stellen wir aus?
  • Rezept für Trinklösung, wenn nichts „drin bleiben will“
  • Rezept für Antiemetikum nur bei starker Übelkeit
  • Privatrezept Loperamid bei wässrigem Durchfall ohne Fieber
  • AU bis zu 3 Tagen

Kontrolle und Feedback liegen in allerseitigem Interesse

Grundlegend sei auch, dass es in der Aufgabenstellung eindeutige und strukturierte Standards geben müsse. Diese sollten sich jeweils an eine Person richten, der diese Aufgaben liegen – es macht wenig Sinn, jemanden zu speziellen Abrechnungsaufgaben zu verdonnern, wenn dieses Teammitglied sich für den Beruf entschieden hat, weil ihm der pflegende und sorgende Aspekt darin besonders zusagt. Fehler und demotivierende Überforderung sollten dabei unbedingt verhindert werden. Niedrigschwellige Standards wie etwa das Vorzeigen der Hausbesuchsprotokolle müssen auch auf Dauern sorgfältig eingehalten werden. Als Feedback-Werkzeug können Dateien und Tabellen dienen. In der Praxis von Dr. Egidi gibt es z.B. einen TTR-Rechner, eine Excel-Tabelle, in der alle Werte der Koagulationskontrolle der Patienten eingetragen werden, sodass ungewöhnliche Werte auffallen. Weniger spezifisch, aber sehr aufschlussreich ist auch das Feedback, das sich über Patientenbefragungen einholen lässt. Fazit: An der Delegation wachsen Mitarbeiter, Ärzte und Teams – aber auch das System. Welcher Praxis kann es schon schaden, sich noch besser zu organisieren und zu strukturieren?
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