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Unbezahlte Patientenrechnungen – wann das Inkassobüro eine Option sein kann

Praxismanagement , Geld und Steuern Autor: Anouschka Wasner

Wie lassen sich säumige Selbstzahler mobilisieren? Wie lassen sich säumige Selbstzahler mobilisieren? © studio v-zwoelf – stock.adobe.com
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Für viele Praxen ist das Management unbezahlter Patientenrechnungen ein Graus. Einige Inkasso­dienstleister haben sich deswegen auf Medizininkasso spezialisiert. Für wen bieten diese Dienstleister eine Lösung an?

Hausarzt Dr. Sauer hat gerne so viel wie möglich selbst in der Hand. Deswegen wickelt er die Privatliquidation in seiner Praxis eigenhändig ab und spart sich die Servicegebühren für eine Privatärztliche Verrechnungsstelle. Der Arzt weiß aber auch, was er nicht selbst leisten kann. Ist auch die dritte Mahnung erfolglos, gibt er die Forderung an ein Inkassounternehmen ab.

In Praxen und Kliniken gibt es unterschiedliche Forderungsarten gegenüber Privatpersonen. IGeL-Angebote für gesetzlich Versicherte sind sicherlich die häufigsten. Daneben gibt es die klassischen privatärztlichen Leistungen. Eine dritte Gruppe wird von Selbstzahlern gebildet, die erst zu solchen werden, weil ihr Versicherungsstatus unklar ist. Also etwa, wenn zum Zeitpunkt der Behandlung kein Versicherungsschutz besteht, weil Arbeitslosengeldanträge unvollständig vorliegen und damit die Krankenversicherungsfrage noch offen ist. Oder wenn unklar ist, ob die Kinder von getrennt lebenden Eltern über den Vater oder die Mutter versichert sind.

Patienten aus dem Ausland ist schwerer beizukommen

Auch Berufspendler, Migranten oder Urlauber, bei denen die Leistungsübernahme seitens der eigenen Krankenkasse unklar bzw. nicht gegeben ist, gehören zu dieser Gruppe der Selbstzahler. Manche Patienten hoffen darauf, dass die räumliche Entfernung zu ihrem Behandler die Nachverfolgung der Zahlungspflicht erschwert. Für eine Arztpraxis ist eine solche Rechnung quasi verloren – Leistungen für Patienten aus weiter entfernten bzw. nicht-europäischen Ländern stellen oft ein echtes Problem dar.

Auch langwierige Ratentilgungen bei schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen des Patienten, die sich oft über Jahre erstrecken, können von einer Arztpraxis kaum begleitet werden, genauso wenig die Durchführung eines gerichtlichen Mahnverfahrens oder einer Zwangsvollstreckung. Schon die Abwägung der Erfolgswahrscheinlichkeit mithilfe von Schufa-Auskünften oder eine etwas umfangreichere Adressrecherche würden die Kapazitäten jeder Praxis sprengen.

Deswegen arbeiten manche Praxen mit Inkassodienstleistern zusammen. Ist der Dienstleister erfolgreich, erhält die Praxis 100 % der Hauptforderung. Die Kosten für das Inkasso können als Verzugsschaden vom Schuldner verlangt werden. Ist das Inkasso nicht erfolgreich, erläutert Frank Bintz, Geschäftsführer der Advin Inkassoservice GmbH aus Saarbrücken, die auf Medizininkasso spezialisiert ist, sind die Honorarpauschalen so niedrig, dass hier „ebenso ein wirtschaftlich optimales Ergebnis“ erreicht werden kann. Die Erfolgsquote liegt bei ihm im Schnitt bei rund 60 %.

Private Verrechnungsdienste vs. Inkassodienstleister

Ob eine Praxis mit einer Verrechnungsgesellschaft und/oder einem Inkassounternehmen zusammenarbeitet, hängt auch davon ab, wie gut die Praxis fachlich und organisatorisch im Forderungsmanagement aufgestellt ist. Eine Verrechnungsstelle kann sicherstellen, dass eine optimale Abrechnung hinsichtlich Rechnungshöhe und Inhalt erstellt wird, sie bietet Rechnungsversand und Kundenmanagement an, kontrolliert Zahlungseingänge und organisiert das Mahnwesen. Wird auch Factoring angeboten, erhält die Praxis die Rechnungssumme zum Fälligkeitsdatum und die Forderung geht an eine Privatärztliche Verrechnungsstelle über. Gebucht wird also ein Service-Paket, das die Inkassoabwicklung beinhaltet, aber auch Kosten verursacht. Medizininkasso unterstützt Praxen, die ihre privatärztliche Abrechnung ganz oder teilweise selbst organisieren, also die Verrechnungsstelle z.B. nur für tatsächliche privatärzliche Leistungen beanspruchen und Kleinforderungen in Eigenregie abwickeln, um Kosten zu sparen. Ins Spiel kommen können Inkassounternehmen auch, wenn diese über die private Verrechnungsstelle indirekt für den Arzt arbeiten oder wenn Aufträge von der Abrechnungsgesellschaft nicht angenommen werden wie z.B. Forderungen mit unklarem Versicherungsstatus.

Wer ein Inkassounternehmen beauftragt, sollte darauf achten, dass der Dienstleister über eine Registrierung im Rechtsdienstleistungsregis­ter verfügt, so der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU), in dem rund 500 der Inkassounternehmen in Deutschland organisiert sind, und damit etwa 70 %. Hilfreich sei auch die Mitgliedschaft in einem Berufsverband. Die Mitgliedsunternehmen des BDIU verpflichten sich zur Einhaltung bestimmter Grundsätze zur Forderungseinziehung, die über eine Beschwerde- und Schlichtungsstelle überwacht wird. Diese wird kontrolliert von der Ombudsfrau des BDIU, der ehemaligen Justizministerin ­Brigitte Zypries. „Natürlich legen insbesondere Ärzte bzw. Kliniken Wert auf einen angemessenen Umgang mit dem Patienten, auch wenn diese zu einem Inkassofall geworden sind“, erklärt Bintz. Die Patienten sollen fair und angemessen durch den Inkassodienstleister behandelt werden, damit sie und/oder ihre Angehörige auch in Zukunft die Behandlungsleistungen der Arztpraxis oder der Klinik in Anspruch nehmen können und wollen. Inkassounternehmen, die sich auf medizinische Einrichtungen spezialisiert haben, sollten die Besonderheiten des Arzt-Patienten-Verhältnisses kennen. Genauso wie auch auch das Thema Datenschutz. Informationen wie Adresse, Betrag oder Rechnungsnummer dürfen zwar, so Bintz, ohne Zustimmung des Patienten weitergegeben werden. Arztrechnungen jedoch nicht: Das Überlassen einer Rechnung, der Behandlungsdetails zu entnehmen sind, stellt einen Verstoß gegen den Datenschutz dar, der vom Arzt zu verantworten ist. Ein qualifizierter Dienstleister verfügt deswegen im besten Fall über ein Konzept, das eine enge Kooperation mit Fachanwälten für Medizinrecht beinhaltet: Erfolgt die Dateneinsicht durch einen Anwalt, ob vorgerichtlich oder gerichtlich, ist das Einhalten von Datenschutzbestimmungen sichergestellt. Wie unangenehm die Zahlungsaufforderung seitens eines Inkasso­unternehmens sein kann, erfuhr kürzlich ein Hausarzt am eigenen Leib. Er sollte die Kosten für Krankenhausbehandlung, Physio­therapie, Orthesen und Krankengeld einer Patientin in Höhe von 11.000 Euro tragen. Die Kasse machte den Arzt für den Sturz nach einer Blutabnahme verantwortlich, der Arzt konnte kein Verschulden in seinem Vorgehen erkennen. Sehr schnell kam dann der Brief vom Inkassounternehmen. Der Hausarzt erzählt: „Mit dem Schreiben wollte man mich ganz offensichtlich einschüchtern. Ich dachte, die platzen gleich nach Moskau-Manier hier bei mir in die Sprechstunde.“ Auch wenn solche Gedanken aus dem Schreck geboren sind – nachvollziehen lässt sich das. (Wie man auf die Post eines Inkassounternehmens gut reagieren kann, hat u.a. die Stiftung Warentest zusammengefasst.) Unabhängig davon, wie berechtigt Forderungen sein mögen, möchten deswegen viele Ärzte ihren Patienten diese Erfahrungen gerne ersparen – auch das kann ein Grund sein, Patienten in ihrer Zahlungsmoral zu unterstützen. Dazu gehört etwa das Einrichten eines Rechnungswesens mit zeitnaher Rechungsstellung und zuverlässigem Mahnwesen. Denn eine späte Zahlungsaufforderung lässt den Patienten weniger bereitwillig Geld ausgeben. Die Erinnerung an die Leistung ist schon verblasst – und schließlich hat sich der Arzt selbst ja auch Zeit gelassen. Die Rechnungsstellung muss korrekt sein und sollte keine Ausflüchte zulassen. Bei Minderjährigen und Geschäftsunfähigen ist es wichtig, vorab die entsprechende Zustimmung einzuholen und bei der Rechnungsstellung den Betreuer zu adressieren, um keine Diskussionen aufkommen zu lassen.

Vergessen, verdrängt oder tatsächlich verweigert?

Ist ein Patient säumig, lohnt es sich zu unterscheiden: Bei manchen reicht schon die freundliche Erinnerung, andere reagieren auf persönliche Ansprache, sei es beim nächsten Termin oder via Telefon. Andere Patienten sind dagegen notorische Zahlungsvermeider. Manche dieser „Pappenheimer“ kennt man schon, manchmal kann eine Anfrage im Schuldnerverzeichnis hilfreich sein. Dann könnte auch ein Vorschuss für die Leistung verlangt werden. Und wenn der Betrag nicht so hoch ist und das Mahnen und Streiten unangenehm? Die Rechnung einfach fallen zu lassen, ist nicht unproblematisch. Schließlich sind Ärzte dazu verpflichtet, für ihre Leis­tung eine angemessene Rechnung zu stellen. Das Missverhältnis zwischen Rechnungssumme und organisatorischem und nervlichem Aufwand war letztlich auch der Grund, warum Dr. Sauer irgendwann Kontakt zu einem Inkasso­büro gesucht hat.

Medical-Tribune-Bericht

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