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Arzt-Patienten-Kommunikation Verärgerten Patient:innen geschickt den Wind aus den Segeln nehmen

Praxismanagement , Patientenmanagement Autor: Isabel Aulehla

Dietmar Karweina rät: Auch wütenden 
Patient:innen sollten MFA zunächst verständnisvoll begegnen. (Agenturfoto) Dietmar Karweina rät: Auch wütenden Patient:innen sollten MFA zunächst verständnisvoll begegnen. (Agenturfoto) © LightFieldStudios/gettyimages
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In jeder Praxis kommt es vor, dass Patient:innen viel einfordern, unhöflich auftreten oder schlicht zu gesprächig sind. Ein Experte erklärt, wie in diesen Fällen eine souveräne Patientenführung gelingt.

Gerade ist die Praxistür abgeschlossen, da klopft eine Patientin. Sie wolle nur schnell ein Rezept abholen – das müsse doch noch möglich sein! Wie verhalten sich MFA in dieser Situation optimal? Nach draußen gehen und diskutieren? Zähneknirschend das Rezept aushändigen? Nichts tun und sitzen bleiben? 

In solchen Momenten zeige sich, ob das Praxisteam die Patient:innen führt oder ob es von ihnen geführt wird, erklärt Dietmar Karweina. Er ist Praxisberater im nordrhein-westfälischen Königswinter. Für die Situation an der Tür rät er, je nach Vorliebe des Teams: Entweder rausgehen und verständnisvoll, aber bestimmt erklären, dass geschlossen ist. Oder drinnen bleiben und nicht reagieren – sich dann aber auf eine Beschwerde vorbereiten.

Dietmar Karweina gibt auch in Videos Gesprächstipps

Die Erwartungen der Patient:innen haben sich in den letzten Jahren gesteigert, beobachtet der Experte. Sie würden sowohl quantitativ als auch qualitativ mehr fordern. Im Zweifel entlädt sich ihre Unzufriedenheit bei den MFA. Haben diese keine Lust mehr, sich mit unhöflichen Personen herumzuärgern, wechseln sie in einen anderen Job. Der Stress in der Praxis erhöht sich für die Verbleibenden noch weiter – ein Teufelskreis. Damit es nicht so weit kommt, kann das Team sich eine Strategie für eine konsequente Patientenführung zurechtlegen und einige kommunikative Kniffe einüben.

Freundlich in den Dialog starten

Das Ziel bestehe darin, sich „sympathisch durchzusetzen“, erklärt Karweina. Dies beginne mit Körpersprache und Mimik. Im Optimalfall sollten MFA schon Blickkontakt zu den Patient:innen aufnehmen, sobald diese die Praxis betreten. Wichtig dabei: lächeln. Zum einen bewirke dies automatisch eine freundlichere Stimmführung, zum anderen entscheide sich im ersten Moment, wie die weitere Kommunikation verläuft. Durch ein kompetentes, wertschätzendes Auftreten könnten MFA direkt die Führung übernehmen – denn Patient:innen folgen der Freundlichkeit zunächst. 

„Killerformulierungen“ meiden

In der Wortwahl machen laut dem Experten schon Feinheiten einen Unterschied. Unbedingt zu vermeiden sei die Formulierung „Ja, aber“, weil alles vorher Gesagte sonst wie eine unaufrichtige Floskel wirke. Besser sei es, den Widerspruch mit „auf der anderen Seite“ auszudrücken. Ein universell einsetzbarer Satz: „Ich kann gut verstehen, dass Sie sich ärgern. Auf der anderen Seite haben wir klar definierte Regeln, die für alle Patient:innen gelten.“ 

Von Konjunktiven wie „könnte“, „hätte“, „würde“ rät Karweina ab. Sie klingen zwar höflich, wirken aber weniger selbstbewusst als der Indikativ. Ebenso zu vermeiden sind die Worte „Sie müssen“. Stattdessen kann eine Wahlmöglichkeit suggeriert werden, durch die das Gegenüber sich einbezogen fühlt. Etwa durch die Formulierung „Mein Vorschlag ist“. Der Berater gibt in Workshops und Videos Beispiele für effiziente Formulierungen im Praxisalltag.

Aufmerksam werden sollten MFA bei den Worten „mal eben“, „noch schnell“ oder bei Sätzen wie: „Das ging bei ihrer Kollegin auch immer.“ Hier versuchten Patient:innen, die Führung zu übernehmen. Würden sie zu fordernd auftreten, helfe ein stringenterer Tonfall und kurze, klare Sätze: „Das geht definitiv nicht.“ Wenn die Fachkraft dem Gegenüber dabei in die Augen sehe oder aufstehe, unterstreiche das die Wirkung. Auf keinen Fall dürfe sich das Personal in Rechtfertigungsschleifen verwickeln lassen, warnt der Berater.  

Angriffe nicht an sich heranlassen

Für den Umgang mit unhöflichen oder fordernden Patient:innen sei eine selbstschützende Haltung zentral. Man müsse es sich erlauben, „Nein“ zu sagen. Reagiere das Gegenüber verärgert, hätten manche Menschen regelrecht ein schlechtes Gewissen. Um konsequent auftreten zu können, sei es aber wichtig, sich „den Schuh nicht anzuziehen“ und professionell mit der Unzufriedenheit umzugehen. Schließlich gehe es auch darum, die Interessen anderer Patient:innen und des Teams zu verteidigen. 

Um verbale Angriffe nicht an sich heranzulassen, ­empfiehlt Karweina, sich innerlich in die Rolle eines Toreros zu versetzen, der einen wütenden Stier an sich vorbeileitet. Man könne etwa zählen „1, 2, 3 – Angriff vorbei!“ und zur Erinnerung ein entsprechendes Bild in den Anmeldebereich hängen. Komme es zu persönlichen Beleidigungen, sollte die/der MFA dies aber klar benennen und auch der Praxisleitung melden.

Rückendeckung geben

In einer emotionalen, festgefahrenen Situation müsse immer die Option bestehen, die nächste Autorität einzuschalten. „Auch, wenn sie dafür aus der Sprechstunde herausgeholt werden muss“, betont der Experte. Denn wie es medizinische Notfälle gebe, könne es eben auch zu kommunikativen Notfällen kommen. „Dann heißt es: Alles stehen und liegen lassen!“

Solche Abläufe sollten vorher im Team abgestimmt werden. Zudem sollte die herbeieilende Autorität die Haltung der Beschäftigten einnehmen und klarmachen, dass Beleidigungen nicht tolerabel sind. Folge sie stattdessen den Forderungen des Patienten, falle sie den MFA in den Rücken und vermittle den Eindruck einer nicht abgestimmten Kommunikation, gibt Karweina zu bedenken. „Dann bekommt der Patient erst recht Oberwasser.“ 

Merke eine Fachkraft, dass sie zu genervt ist, um ein Gespräch sachlich zu führen, sei es besser, an eine:n Kolleg:in abzugeben. Helfen könne die Formulierung: „Ich habe gerade keine Lösung parat, ich hole mal xy hinzu.“ Ebenso biete sich ein Vertrös­ten auf eine spätere Rückmeldung an. In einigen Praxen habe es sich etabliert, dass die Kolleg:innen am Empfang – soweit der Andrang es zulasse – am Rande mitverfolgen, ob es zu schwierigen Situationen komme, erzählt Karweina. Aus Fürsorge heraus würden manche MFA sich dann auch proaktiv einschalten.

Beschwerdegründe reduzieren

Viele zeitraubende Beschwerden lassen sich von vornherein organisatorisch vermeiden. Einer der häufigsten Gründe für verärgerte Patient:innen ist etwa die telefonische Nichterreichbarkeit der Praxen. Dies könne man durch eine digitale Telefonassistenz oder eine Online-Terminvergabe lösen, so der Berater. Für Patient:innen sei die Praxis dann stets erreichbar, MFA könnten entspannter arbeiten.

Vielredende am Telefon unterbrechen

Werden Fachkräfte am Telefon von Vielredenden in Beschlag genommen, rät Karweina, ins Wort zu fallen, sobald die wesentliche Aussage erfasst ist: „Ich habe verstanden, Sie brauchen einen Termin und den vereinbaren wir jetzt.“ Das Unterbrechen empfänden manche MFA zwar zunächst als unhöflich. 

Doch nach und nach lerne jede:r, dass nichts Schlimmes passiere. Oft folge nicht mal eine Verstimmung der Patient:innen – und wenn, dann sollte man sie professionell aushalten.

Vielredende im Sprechzimmer vertrösten

Bestens bekannt in allen Praxen sind Personen, die im Behandlungszimmer neben ihrem eigentlichen Besuchsgrund noch weitere nicht-akute Gesundheitsprobleme besprechen möchten. Geben Ärzt:innen dem aber nach, verzögern sich andere Termine und für das Personal am Empfang wird es noch anstrengender. Als Exit-Strategie für diese Fälle empfiehlt Karweina, zunächst gut zuzuhören und die Betroffenen dann mit einer „Damit“-Formulierung zu vertrösten: „Damit ich mehr Zeit für Sie habe und wir das in Ruhe besprechen können, machen Sie sich doch bitte einen neuen Termin.“ Dies vermittele, dass es um mehr Aufmerksamkeit für die Person gehe und sei somit leichter zu akzeptieren als eine andere Abweisung.

Die wichtigsten Kommunikationstipps zusammengefasst

Folgende Schritte helfen bei einer souveränen Gesprächsführung:

  • Blickkontakt halten
  • Lächeln, auch am Telefon
  • Folgendes umformulieren: aber = auf der anderen Seite, Sie müssen = Mein Vorschlag ist, hätte, könnte, würde = Indikativ 
  • Unzufriedenheit aushalten
  • Bei Angriffen innerlich zählen: „1, 2, 3 – Angriff vorbei!“ 
  • Gemäß vereinbarter Strategie Chef:in hinzuholen, wenn Patient:innen zu schwierig sind

Medical-Tribune-Bericht

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