Anzeige

Behandlungspflicht Wie Praxisteams auf Non-3G-Patienten reagieren können

Praxismanagement , Praxisführung Autor: Anouschka Wasner

Wer Non-3-G-Patienten einen Termin in der Spezialsprechstunde anbietet, muss kaum fürchten, wegen unterlassener Hilfeleistung belangt zu werden. Wer Non-3-G-Patienten einen Termin in der Spezialsprechstunde anbietet, muss kaum fürchten, wegen unterlassener Hilfeleistung belangt zu werden. © HNFOTO – stock.adobe.com
Anzeige

3G- und 2G-Regelungen sind nicht überall beliebt, aber unstrittig im Kommen. Was den Zugang zu Arztpraxen betrifft, ist das Streitpotenzial aber besonders hoch. Wie die aktuellen Regelungen aussehen und wie Ärztinnen und Ärzte damit umgehen können.

Eine wachsende Zahl an Arztpraxen würde gerne den Zugang zur Sprechstunde von der Erfüllung von 3G- oder sogar 2G-Kriterien ihrer Patienten abhängig machen. Dabei geht es ihnen vor allem darum, das Team und ihre übrigen Patienten vor Ansteckung zu schützen. Gesundheitsministerien und KVen vertreten die Position, dass Vertragsärzte zur Untersuchung und Behandlung von Patienten verpflichtet sind. Wer in die Praxis kommt, habe grundsätzlich Anspruch auf Behandlung. 

Dieses Herangehen sei auch grundsätzlich richtig, sagt der Berliner ­Fachanwalt für Medizinrecht Philip ­Christmann. Vertragsärzte erwerben durch die vertragsarztrechtliche Zulassung nicht nur das Recht, gesetzlich Versicherte zulasten der gesetzlichen Kassen zu behandeln. Sie seien auch verpflichtet, Patienten zu behandeln.  

Es gibt keine vertragsärztliche Pflicht, jeden zu behandeln

Die in diesem Zusammenhang genannten Ansprüche des Patienten auf Behandlung richteten sich aber gegen die gesetzliche Krankenversicherung des Patienten, nicht unmittelbar gegen die Vertragsärzte. „Es gibt mithin keine vertragsarzt­rechtliche Pflicht, jeden Patienten zu behandeln. Der Arzt ist nur aus dem Berufsrecht verpflichtet, die Notfall-, Schmerz- und Akutpatienten umgehend zu behandeln“, betont Christmann. Seiner Ansicht nach sei der Wille einer Ärztin bzw. eines Arztes, sich selbst, das Personal und die anderen Patienten vor einer Ansteckung mit Corona mithilfe einer 2G/3G-Regel zu schützen, ein nachvollziehbarer Grund für eine Einschränkung der Behandlung.

Um der ärztlichen Person unterlassene Hilfeleistung vorzuwerfen, müsse ein „Unglücksfall“ vorliegen, der die Hilfe des Arztes objektiv erforderlich mache, erklärt der Rechtsanwalt. Als ein Unglücksfall gelte zum Beispiel eine plötzliche Verschlimmerung einer Krankheit, nicht aber eine schwere Krankheit als solche. Außerdem komme eine Strafbarkeit des Arztes wegen unterlassener Hilfeleistung nur in Betracht, wenn dem Arzt die Behandlung ohne erhebliche eigene Gefahr möglich ist. Fürchtet der Arzt, dass er sich bei der Behandlung von Patienten, die nicht die 3G-Regel erfüllen, trotz Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen ansteckt – z.B. weil die Abnahme der Maske oder körperliche Nähe für die Untersuchung notwendig sind –, so kann das einer Strafbarkeit entgegen stehen. 

Heißt: Unterlassene Hilfeleis­­tung kann nur vorliegen, wenn die Behandlung in klaren Notfällen, bei Schmerzpatienten oder bei Patienten mit erheblicher Verschlimmerung einer bestehenden Erkrankung verweigert wird. Bei einem Nicht-3G-Patienten, der mit leichten Beschwerden oder mit vereinbartem Termin zur Kontrolluntersuchung in die Praxis kommt, kann der Arzt in der Regel die Behandlung verweigern, ohne sich strafbar zu machen. 

Das Problem, so der Rechtsanwalt, sei aber, dass eine solche Positionierung der Ärztin oder des Arztes Probleme mit Patienten, der KV, der Ärztekammer oder gar der Staatsanwaltschaft einbringt. Daher ist es der sicherste Weg, Nicht-3G-Patienten die Behandlung zu ermöglichen, aber nur in bestimmten Zeiten. Das können bestimmte Tage der Woche sein, bestimmte Zeitfenster oder vielleicht sogar nur ein Tag alle zwei Wochen. Wurde in der Akte dokumentiert, dass der Patient ein konkretes Terminangebot abgeschlagen hat, sind die Ärztin bzw. der Arzt berufsrechtlich, vertragsarztrechtlich, strafrechtlich und haftungsrechtlich abgesichert. 

Auch die KVen schlagen grundsätzlich ein solches Vorgehen vor. Die KV Baden-Württemberg wird dabei sehr deutlich. Sie schreibt an ihre Mitglieder, dass es viele zu Recht als unerträglich empfinden, dass Impfverweigerer in Arztpraxen vulnerable Patientengruppen gefährden. Wo andere gefährdet würden, sei Corona und Impfen keine Privatsache mehr. 

Non-3G-Sprechstunde von 7 Uhr bis 7:10 Uhr

Deswegen sei auch die Forderung nach 2G/3G-Regeln als Voraussetzung für medizinische Behandlung, berechtigt. Dafür gebe es aktuell zwar keine Rechtsgrundlage, getrennte Sprechstunden seien allerdings sehr wohl zulässig, Notfälle ausgeschlossen. Zeitpunkt und Umfang seien frei wählbar, so die KV und schlägt beispielhaft eine Non-3G-Sprechstunde von 7:00 bis 7:10 vor. Patienten, die ihren Status nicht vorlegen wollen, könne man in die Non-3G-Sprechstunde verweisen. Und mag dieser Vorschlag einigen auch zynisch oder unrealisierbar erschienen sein – die deutliche Positionierung der KV stieß auf Gegenliebe bei vielen Ärztinnen und Ärzten.

MEDI Baden-Württemberg fordert, die 3G-Regelung in Praxen grundsätzlich möglich zu machen. Politisch Verantwortliche auf Länder- und Bundesebene sollten sich dafür stark machen. Ärztinnen und Ärzten, die in ihrer Praxis 3G umsetzen wollen, verspricht die Ärzte-Allianz finanzielle und rechtliche Unterstützung, wenn Probleme mit Kammern oder KVen auftreten. „Wir haben auf unsere Forderung sehr viel Zustimmung erhalten“, sagt Dr. Werner ­Baumgärtner, Vorstandschef von MEDI Baden-Würt­temberg. Viele Niedergelassene, wie z.B. Gastroenterologen, müssten 3G umsetzen, um ihre Patientinnen und Patienten nicht im hohen Maße zu gefährden. „Ich bin der Auffassung, dass im Sinne des Hausrechtes die Arztpraxen selbst entscheiden müssen, welche Hygienevorschriften in der Praxis gelten müssen.“

Bis zu Umsetzung einer solchen Forderung – die auf Ebene der Verordnungsgeber auf Länderebene erfolgen müsste – sind die Praxen jedoch weiter täglich mit Problemen mit uneinsichtigen Patienten konfrontiert. Im Alltag ist es oft nicht leicht, zu entscheiden, wie man z.B. auf jemanden reagiert, der die Praxis ungeimpft, ohne Test, vielleicht sogar ohne Maske betritt und auf Zurechtweisungen keine Einsicht zeigt. 

Zeigt sich das Gegenüber trotz wiederholter Anmahnung nicht einsichtig, kann die Person ohne Weiteres der Praxis verwiesen werden, erst recht, wenn sie laut oder ausfällig wird, stärkt Rechtsanwalt Christmann den Praxisteams den Rücken. Denn dann ist das für jedes Behandlungsverhältnis notwendige gegenseitige Vertrauensverhältnis zerrüttet. Zur rechtlichen Absicherung sollte das entsprechend kurz dokumentiert werden.

Andere potenzielle Patienten schaffen es, schon bevor sie die Praxis betreten, ein Drohszenario aufzubauen. So ging in einer Praxis eine namentlich an eine MFA adressierte E-Mail ein, in der ein Patient drohte: „Ich werde morgen ohne Maske und ohne 3G-Nachweis zur Untersuchung erscheinen.“ Und er werde juristische Schritte „in Form von Zivil-, Straf- und auch verwaltungsrechtlichem Sinne“ einleiten, wenn „Sie sich weigern mich zu behandeln“. 

Christmann empfiehlt in solchen Fällen einfach einen Termin in den Spezialsprechstunden anzubieten. Nimmt der Patient diese Möglichkeit nicht wahr, muss er (außer in Notfällen oder bei akuten Schmerzen) in der allgemeinen Sprechstunde nicht behandelt werden. „Kein Arzt ist gezwungen, sehenden Auges in einen auf dem Praxisflur und im laufenden Praxisbetrieb ausgetragenen Streit hineinzulaufen.“ 

Kündigt ein Patient dagegen sogar rechtliche Schritte gegen Arzt oder Ärztin an, zerstört er mit diesen erheblichen Drohungen sowie der damit verbundenen versuchten Nötigung das Vertrauensverhältnis zwischen Mediziner und Patient. Auch dann gilt: Der Arzt bzw. die Ärztin muss diesen Patienten (außer in Notfällen oder bei akuten Schmerzen) nicht behandeln und kann ihn der Praxis verweisen.

Privatärzte unterliegen diesen Grundregeln übrigens gleichermaßen. Sie müssen darauf achten, dass ihnen keine diskriminierende Behandlungsverweigerungen im Sinne des Grundgesetzes und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vorgeworfen werden kann. Es muss also immer ein sachlicher Grund für die Verweigerung vorliegen, so der Rechtsanwalt, und der Patient sollte zuvor das Angebot der Spezialsprechstunde erhalten haben.

Medical-Tribune-Recherche

Philip Christmann: Rechtsanwalt, Berlin Philip Christmann: Rechtsanwalt, Berlin © zVg
Anzeige