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Falsche Atteste Was Mediziner riskieren

Verordnungen Autor: Rainer Kuhlen

Finger weg von Gefälligkeitsattesten! Finger weg von Gefälligkeitsattesten! © iStock/Rostislav_Sedlacek
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Nun, da der Staat nur noch die Kosten weniger Coronatests erstattet, könnten Patienten um Fake-Atteste bitten. Der juristische Rat: Bloß nicht dazu überreden lassen!

Seit dem 11. Oktober haben nur noch bestimmte Personengruppen einen Anspruch auf kostenlose Coronatests – unter anderem Menschen, die wegen Kontraindikationen nicht gegen ­COVID-19 geimpft werden können.

Wer bekommt den Test gratis?

Gemäß § 4 a TestV haben ab dem 11. Oktober folgende Gruppen einen Anspruch auf kostenfreie Coronatests:
  • Personen, die jünger sind als 12 Jahre oder erst in den letzten drei Monaten vor dem Test 12 geworden sind.
  • Personen, die aufgrund einer medizinischen Kontra­indikation, insbesondere einer Schwangerschaft im ersten Schwangerschaftsdrittel, zum Zeitpunkt des Tests oder drei Monate zuvor nicht gegen Corona geimpft werden können oder konnten.
  • Personen, die an klinischen Studien zur Wirksamkeit von Impfstoffen gegen das Coronavirus teilnehmen oder in den vorigen Monaten an solchen Studien teilgenommen haben.
  • Personen, die sich wegen einer nachgewiesenen Infektion mit dem Coronavirus in Quarantäne befinden, wenn der Test zum Beenden derselben erforderlich ist.
Minderjährige sind noch bis zum 31. Dezember 2021 anspruchsberechtigt. Gleiches gilt für Schwangere und Studierende, bei denen eine Schutzimpfung mit anderen als den vom Paul-Ehrlich-Institut genannten Impfstoffen erfolgt ist (BioNTech, Moderna, AstraZeneca und Johnson & Johnson).

Bereits in der Vergangenheit wurden Ärzte mit der Bitte konfrontiert, ohne Untersuchung medizinische Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht auszustellen. Künftig ist daher damit zu rechnen, dass Patienten – ohne Vorliegen einer medizinischen Kontraindikation – um ein Gesundheitszeugnis bitten, laut dem sie nicht gegen das Coronavirus geimpft werden können.

Coronaimpfung ist fast immer möglich

Das Robert Koch-Institut weist darauf hin, dass eine Impfung gegen COVID-19 nur in seltenen Einzelfällen nicht möglich ist. Auf der Website heißt es: „Manche Menschen glauben, sie könnten sich nicht gegen COVID-19 impfen lassen. Die meisten Bedenken kann man jedoch ausräumen. Zu solchen falschen Kontraindikationen gehören u.a.:
  • banale Infekte, auch wenn sie mit subfebrilen Temperaturen (≤ 38,5 °C) einhergehen
  • Krebserkrankungen, rheumatologische Erkrankungen
  • Allergien (die nicht spezifisch gegen Bestandteile der Impfung bestehen)
  • Behandlung mit Antibiotika, Kortikosteroiden oder lokal angewendeten steroidhaltigen Präparaten
  • Blutungsneigung/ Einnahme von Gerinnungsmedikamenten
  • Vorbestehende neurologische Erkrankungen wie bspw. Multiple Sklerose
  • Chronische Erkrankungen wie Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder Nierenerkrankungen
Bei Vorliegen von Allergien gegen Bestandteile der COVID-19-Impfstoffe könnten Personen, die mit einem der Impfstofftypen (mRNA vs. vektorbasiert) nicht impfbar sind, mit dem jeweils anderen geimpft werden, führt das RKI weiter aus. Für den vektorbasierten COVID-19-Impfstoff von AstraZeneca gebe es zwei seltene Kontraindikationen: ein vorbestehendes Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS) oder ein Kapillarlecksyndrom. Beides seien sehr seltene Vorerkrankungen. In diesen Fällen könnten mRNA-Impfstoffe verwendet werden. Kinder unter 12 Jahre können derzeit nicht geimpft werden, da für sie noch kein Impfstoff zugelassen ist.

Quelle: RKI, Weitere Informationen »

Ärzte sollten aber vom Ausstellen sog. „Gefälligkeitsatteste oder -zeugnisse“ die Finger lassen, da andernfalls ggf. strafrechtliche, in jedem Fall aber berufsrechtliche und disziplinarrechtliche Sanktionen drohen könnten. Nach § 278 StGB erwartet Mediziner, die wider besseren Wissens ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauch vor einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft ausstellen, eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe.

Nur in Ausnahmen bedarf es keiner Untersuchung

Ein Gesundheitszeugnis gilt dann als unrichtig, wenn wesentliche Feststellungen nicht im Einklang mit den Tatsachen oder dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft stehen. Dies ist auch der Fall, wenn die Gesamtbeurteilung des Patienten im Ergebnis zutreffend ist, es aber falsche, erfundene oder verfälschte Einzelbefunde enthält. Unrichtig ist ein Gesundheitszeugnis grundsätzlich auch, wenn ein Befund bescheinigt wird, ohne dass der Arzt den Patienten überhaupt untersucht hat. Ausnahmsweise kann das ärztliche Zeugnis jedoch trotz fehlender ärztlicher Untersuchung richtig sein, wenn sich der Arzt die Beschwerden von einem ihm bekannten Patienten anschaulich schildern lässt und die Symptome widerspruchsfrei zu einem entsprechenden Krankheitsbild passen.

Wie wird der Test-Anspruch geprüft?

Als Nachweis sind folgende Dokumente vorzulegen:
  • amtlicher Lichtbildausweis oder sonstiger Lichtbildausweis der minderjährigen Person
  • Nachweis, dass die Person aus einem der genannten Gründe anspruchsberechtigt ist
  • im Fall der medizinischen Kontra­indikation ein ärztliches Zeugnis darüber, dass eine Impfung gegen das Coronavirus nicht möglich ist

Damit eine Strafbarkeit vorliegt, muss das unrichtige Gesundheitszeugnis zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft ausgestellt worden sein. Unter dem Begriff der „Behörde“ fallen grundsätzlich gesetzliche Krankenkassen, Gerichte und Berufsgenossenschaften. Nach der bisherigen Rechtsprechung fielen Apotheken nicht unter diesen Begriff. Aufgrund der Tatsache, dass Apotheken und Testzentren diese Gesundheitszeugnisse aber künftig bewerten müssen, um zu prüfen, ob eine Coronatestung „auf Staatskosten“ infrage kommt, ist nicht auszuschließen, dass die Rechtsprechung sich in diesem Punkt anpassen wird, sodass eine Strafbarkeit gegeben wäre. Denn der Sinn der Regelung in § 278 StGB ist es, vor allem solche Stellen zu schützen, welche die vorgelegten Zeugnisse zur Beurteilung des Gesundheitszustandes eines bestimmten Menschen verwenden.

Straftat liegt bei Handeln wider besseren Wissens vor

Dies bedeutet: Falls ein Patient das unrichtige Attest zur Vorlage bei einer Apotheke verwenden will und dies dem Arzt auch so mitteilt, steht eine Strafbarkeit des Arztes zumindest im Raum. Subjektiv ist ein Handeln wider besseren Wissens erforderlich, d.h., der Arzt muss wissen, dass seine Bescheinigung inhaltlich unrichtig ist. Geht der Arzt dagegen von der Richtigkeit eines objektiv falschen Gesundheitszeugnisses aus, liegt ein sog. Tatbestandsirrtum vor. Dieser schließt gemäß § 16 StGB den Vorsatz aus und lässt den Tatbestand entfallen. Fahrlässiges Handeln ist nicht unter Strafe gestellt. Dagegen genügt hinsichtlich des Verwendungszwecks bereits die Vorstellung, dass die ärztliche Bescheinigung möglicherweise zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft bestimmt ist. Zusätzlich ist darauf hinzuweisen, dass nicht nur der Arzt, sondern auch der Patient sich strafbar macht, wenn er ein unrichtiges Gesundheitszeugnis nutzt, um eine Behörde oder eine Versicherungsgesellschaft über seinen Gesundheitszustand zu täuschen. Ein solches Verhalten sanktioniert § 279 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe. Aber auch berufsrechtlich kann gegen einen betreffenden Arzt vorgegangen werden. Nach § 25 der Mus­terberufsordnung haben Mediziner bei der Ausstellung ärztlicher Zeugnisse mit der notwendigen Sorgfalt zu verfahren und nach bestem Wissen ihre Überzeugung auszusprechen. Bei Verstoß drohen Maßnahmen wie Verwarnung, Verweis oder Geldbuße, je nach Kammerzugehörigkeiten bis zu 100.000 Euro. Vertragsärzten droht darüber hin­aus ein Disziplinarverfahren. Als Maßnahme kommt hier zusätzlich auch die Anordnung des Ruhens der Zulassung/vertragsärztlichen Beteiligung bis zu maximal zwei Jahre in Betracht.

Medical-Tribune-Gastbeitrag

Rainer Kuhlen, Fachanwalt für Medizinrecht, Vellmar Rainer Kuhlen, Fachanwalt für Medizinrecht, Vellmar © Privat
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