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Masernschutzgesetz: Wie Atteste und Langzeitrezepte abgerechnet werden

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Privatrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Das Masernschutzgesetz gibt konkrete Hinweise zur Abrechnung nach GOÄ. Das Masernschutzgesetz gibt konkrete Hinweise zur Abrechnung nach GOÄ. © Alexander Raths, Stockfotos-MG – stock.adobe.com
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Das vom Bundestag beschlossene Masernschutzgesetz führt eine Impfpflicht ein, wie sie bisher nur beim Pockenschutz der Fall war. Damit verbundene Bescheinigungen, die in den Praxen nachgefragt werden, lassen sich ggf. gesondert berechnen. Und das Gesetz bietet noch mehr.

Vom 1. März 2020 an müssen alle Kinder beim Eintritt in Kindergarten oder Schule die von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Masern-Impfungen vorweisen. Auch bei der Betreuung durch eine Tagesmutter muss in der Regel ein solcher Nachweis erfolgen. Gleiches gilt für Personen, die in Gemeinschafts- oder medizinischen Einrichtungen tätig sind, wie etwa Erzieher, Lehrer, Tagespflegepersonen sowie medizinisches Personal, also auch Ärzte und ihre Praxis­angestellten.

Medizinisches Praxispersonal, das ab März 2020 eingestellt wird, muss in jedem Fall einen ausreichenden Impfschutz gemäß den STIKO-Empfehlungen bzw. eine Immunität gegen Masern nachweisen. Lediglich für Mitarbeitende, die schon länger beschäftigt sind, endet diese Frist erst am 31. Juli 2021. Nur Personen, die vor 1970 geboren sind, müssen keinen Nachweis führen. Asylbewerber und Flüchtlinge müssen den Impfschutz vier Wochen nach Aufnahme in eine Gemeinschaftsunterkunft haben. Personen, die aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht an Schutzimpfungen oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe teilnehmen können, sind ausgenommen.

Ordnungswidrigkeit mit bis zu 2500 Euro Geldbuße

Die Umsetzung des Gesetzes bei Kindern und Jugendlichen dürfte keine besondere logistische Herausforderung sein, da deren Durchimpfung im Rahmen der Früherkennungsmaßnahmen gesichert ist. Eltern, die sich dieser Maßnahme bisher entzogen haben, werden aufgrund der gesetzlichen Vorgabe kaum eine Chance haben, ihre Kinder ohne Impfnachweis in einer Kita oder Schule anzumelden. Eine solche Verweigerung wird nun als Ordnungswidrigkeit eingestuft und mit einer Geldbuße von bis zu 2500 Euro belegt.

Die Geldbuße kann sogar gegen die Leitung von Kindertagesstätten verhängt werden, die nicht geimpfte Kinder zulassen. Ein Bußgeld kann auch gegen nicht geimpftes Personal in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen sowie Asylbewerber­unterkünften und gegen nicht geimpfte Bewohner solcher Unterkünfte verhängt werden.

Da Impfbescheinigungen auch von niedergelassenen Ärzten ausgestellt werden dürfen, werden Praxen künftig mit solchen Anforderungen konfrontiert werden. Laut Gesetzesvorgabe kann ein Nachweis durch den Impfausweis, das gelbe Kinderuntersuchungsheft oder – insbesondere bei bereits erlittener Krankheit – ein ärztliches Attest erbracht werden.

Da der Eintrag der Masernimpfung in den Impfpass, das Untersuchungsheft oder das unmittelbar mit der Impfung verbundene Ausstellen einer Impfbescheinigung Bestandteil des Impf-Honorars ist, kann dies nicht gesondert berechnet werden.

In allen anderen Fällen ist das hingegen keine Kassenleistung und eine Impfbescheinigung oder ein Attest, das wegen einer Erkrankung von der Impfpflicht befreit, kann privat nach GOÄ berechnet werden. In der amtlichen Begründung zum Masernschutzgesetz ist hier erfreulicherweise eine klare finanzielle Vorgabe zur Abrechnung einer solchen Leistung enthalten.

 

Wenn die Bescheinigung keine Kassenleistung ist: Das erlaubt das Masernschutzgesetz
GOÄ-Nr.
Leistungsbeschreibung
Euro
Faktor
70Gesonderte Bescheinigung über den Impfstatus mangels Impfausweis und Impf­bescheinigung nach § 22 IfSG (z.B. wegen Verlust des Dokuments)5,362,3
75Ärztliches Zeugnis über eine medizinische Kontraindikation zur Befreiung von einer Masern-Impfung18,052,3
1
5
250
4396
Ärztliches Zeugnis über eine serologische Testung auf Masern-Antikörper zum Nachweis einer Immunität: Beratung (1), kleine Untersuchung (5), Blutentnahme (250) und Labor (4396) für Immunglobulin-G10,72
10,72
4,19
20,11
2,3
2,3
1,8
1,15

Quelle: Masernschutzgesetz

Schwieriger dürfte sich die Situation bei Erwachsenen darstellen, die zu dem im Gesetz beschriebenen impfpflichtigen Personenkreis zählen. Konkret sind das alle Personen, die nach 1970 geboren sind und einen Beruf ausüben, der sie mit vielen Menschen in Berührung bringt. Arbeitgeber werden, um sich selbst abzusichern, hier eher bei der Nachweisforderung über das Ziel hinausschießen.

Was kann ein (Haus-)Arzt tun, wenn jemand in so einem Beruf tätig ist und einen Impfnachweis benötigt, aber keine Unterlagen hat, die über den Impfstatus verlässlich Auskunft geben?

Kurative Leistung vor der Präventionsmaßnahme?

Der einfachste Weg, einen Masernimpfstatus verlässlich zu klären, wäre die Antikörperbestimmung. Hier handelt es sich aber um eine kurative Maßnahme, der mit der Masernimpfung ein präventiver Anlass vorausgeht. Da derartige präventive Antikörperbestimmungen nur bei der Schwangerschaftsvorsorge – und dort auch nicht gegen Masernviren – als GKV-Leistung definiert sind, muss im Zweifelsfall beim Klären des Masern-Impfstatus dem Betreffenden eine Privatrechnung gestellt werden. Auch hier findet sich im amtlichen Begründungstext zum Gesetz eine bemerkenswert klare Vorgabe.

impf.app für Niedersachsen

Die Hausärzteverbände Niedersachsen und Braunschweig wollen einen kostenlosen, einheitlichen elektronischen Impfpass anbieten, in dem die schriftlichen Impfpässe zusammengeführt werden können. Bisherige Insellösungen seien ohne Bezug zum Impfenden oder bei einem Krankenkassenwechsel nicht kompatibel. „Ziel unserer ,impf.app‘ ist ein offenes System für Patienten und Ärzte, um Impf-Einträge digital zu erfassen und die Impfdaten miteinander verlässlich auszutauschen“, kündigen die Verbände an. Entwicklungspartner ist die Gesellschaft zur Förderung der Impfmedizin mbh. Nach der ersten Testphase der Basislösung sollen weitere Features folgen.

Huckepack mit dem Masern­schutzgesetz sind vom Bundestag auch Maßnahmen zur Stärkung der „Vor-Ort-Apotheken“ beschlossen worden, die Konfliktstoff enthalten:
  • In § 31 SGB V wurde der Absatz 1b eingefügt: „Für Versicherte mit einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung im Sinne des § 62 Absatz 1 Satz 8, die eine kontinuierliche Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel benötigen, können Vertragsärzte Verschreibungen für eine bis zu drei Mal zu wiederholende Abgabe ausstellen, die als solche zu kennzeichnen sind und die bis zu einem Jahr nach Ausstellungsdatum zulasten der gesetzlichen Krankenkassen durch Apotheken beliefert werden dürfen.“

  • Im neuen § 132i SGB V wird geregelt: „Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können mit Apotheken, Gruppen von Apotheken oder den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisationen der Apotheker auf Landesebene Verträge über die Durchführung von Modellvorhaben in ausgewählten Regionen zu Grippeschutzimpfungen in Apotheken mit dem Ziel der Verbesserung der Impfquote vereinbaren.“
Wichtig wird hierbei sein, dass die eigentliche Kompetenz in ärztlicher Hand bleibt und der Apotheker lediglich nach ärztlichem Ermessen als Erfüllungsgehilfe tätig wird. Dafür bedarf es einer Strategie. Für Privatpatienten gibt es bereits Wiederholungsrezepte in der nun auch für die GKV vorgesehenen Form. Das Praxispersonal würde von den bisher üblichen Rezeptbestellungen entlastet. Es wäre aber fatal, wenn ein chronisch Kranker nur noch in großen Abständen in die Praxis käme. Wenn er unkontrolliert ein Jahr lang seine Dauermedikamente mit demselben Rezept bezieht, könnte seine Versorgung darunter leiden. Nun liegt es in der Verantwortung des Arztes, ein solches Rezept auszustellen. Er sollte deshalb die notwendigen Kontrollen bei solchen Patienten mit der Neuerung sinnvoll verknüpfen. Mit Verweis auf die ärztliche Sorgfaltspflicht könnte man z.B. ein solches Wiederholungsrezept von einer DMP-Einschreibung oder vom Vorstellen nach Maßgabe der Chronikerleistungen nach den Nrn. 03220/03221 EBM abhängig machen und so die Verlaufskontrolle sicherstellen. Denkbar wäre auch, dass aufgrund der Diktion des Paragrafen eine Regelung für den Ansatz der Nrn. 03220/03221 geschaffen wird, die dem Krankheitsbild Rechnung trägt und nicht auf willkürlich festgelegte Vorstellungstermine pocht.

Apotheker sollte auch für Impfschäden haften

Ob Kassen Verträge mit Apothekerorganisationen schließen und modellhaft Apotheker zu Impfenden gemacht werden, bleibt abzuwarten. Wichtig ist, dass Apotheker das nur tun dürfen, wenn sie vorher ärztlich geschult wurden. Viele Apotheker werden sich auch überlegen, ob dieser Umsatz in Relation steht zur teureren Haftpflichtversicherung. Es muss klar sein, dass der Apotheker die Kosten für eventuelle Folgeerkrankungen tragen muss. Hier wird eine ärztliche Leistung durch Nicht-Ärzte auf Grundlage von Verträgen der Kassen mit nicht­-ärztlichen Organisationen erbracht. Die Behandlung von Folgeerkrankungen, wie beispielsweise der nicht selten zu erwartenden Impfreaktion, ist dann Privatsache. Eine Privatrechnung an den Patienten oder ggf. direkt an den Apotheker dürfte in solchen Fällen eine „heilende Wirkung“ entfalten.

Medical-Tribune-Bericht

Dr. Gerd W. Zimmermann, Facharzt für Allgemeinmedizin, Hofheim am Taunus Dr. Gerd W. Zimmermann, Facharzt für Allgemeinmedizin, Hofheim am Taunus © Privat
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