Nächtliche Hypoglykämien: Risiko vorhersagen – gezielt handeln

Nächtliche Hypoglykämien stellen trotz verfügbarer moderner Diabetes-Technologien eine Herausforderung dar. Neue KI-gestützte Anwendungen können Betroffenen helfen, das Risiko frühzeitig zu erkennen und gezielt gegenzusteuern.

Für viele Menschen mit Diabetes gehört die Unsicherheit über die Entwicklung ihres Glukosespiegels zum Alltag. Vor allem die Sorge um eine etwaig auftretende Hypoglykämie begleitet die Menschen.1, 2 Durchaus berechtigt: Stark abfallende Glukosespiegel können bei Menschen mit Diabetes Studien zufolge etwa 70 Mal im Jahr auftreten.3 Die Ursachen sind verschieden: Häufig sind Hypoglykämien eine unerwünschte Nebenwirkung der Diabetestherapie mit Insulin oder bestimmten oralen Antidiabetika. Aber auch körperliche Aktivität oder unzureichende Nahrungsaufnahme können sie auslösen. Zudem können individuelle Faktoren wie Alter, Dauer der Erkrankung sowie Komorbiditäten das Risiko erhöhen. 

Das Gefühl, den Glukosewert und seine Schwankungen nicht kontrollieren zu können, zählt zu den Hauptursachen für Diabetes-Distress.2 Zu einer Belastung werden Hypoglykämien, wenn sie gehäuft auftreten bzw. mit schwerwiegenden Folgen einhergehen, etwa mit Bewusstlosigkeit oder mit Krampfanfällen4, 5; Belastungen im Alltag und die Einschränkung der Lebensqualität sind damit vorprogrammiert.

Belastung nächtliche Hypoglykämie (NH)

Hypoglykämien können auch während des Schlafs auftreten. Im Mittel passiert das bei Menschen mit Typ-1-Diabetes 11,3 Mal im Jahr.3 Sogenannte nächtliche Hypoglykämien (NH), gekennzeichnet durch Glukosewerte von < 70 mg/dl während der Schlafphase, entstehen durch ein komplexes Zusammenspiel physiologischer Prozesse, die sich im Schlaf verändern. Auch hier steht das Auftreten meist in Zusammenhang mit der Insulintherapie, dem vorherigen Tagesverlauf und individuellen Verhaltensmustern.6, 7 So kann eine NH etwa durch ein Ungleichgewicht zwischen Insulinwirkung und Glukoseangebot ausgelöst werden: Eine zu hohe Insulindosis am Abend oder eine verzögerte Resorption von langwirksamem Insulin kann in der Nacht zu einem Abfall des Glukosespiegels führen. Auch ausgelassene oder zu kleine Abendmahlzeiten, verspätetes Abendessen oder Alkoholkonsum können das Risiko einer NH erhöhen, ebenso wie intensive Bewegung: Wird noch am späten Nachmittag oder Abend Sport gemacht, senkt die Aktivität auch Stunden später noch den Glukosespiegel, häufig in den Schlafstunden. Weitere Faktoren, die eine NH auslösen können, sind eine veränderte Insulinempfindlichkeit in der Nacht oder ein gestörter hormoneller Regelmechanismus. 

Geschwächtes körpereigenes Warnsystem

Während Menschen mit Diabetes tagsüber durch Signale wie Zittern oder besonders starkes Herzklopfen auf eine Hypoglykämie aufmerksam werden, sind solche Warnerscheinungen im Schlaf abgeschwächt. Das liegt an der verzögerten hormonellen Gegenregulation auf fallende Glukosewerte. In wachem Zustand erfolgt bei sinkenden Glukosewerten eine Freisetzung von kontrainsulinären Hormonen: Glukagon, Adrenalin, Noradrenalin, Cortisol und Wachstumshormone wirken dem Glukoseabfall entgegen. Im Schlaf ist diese Gegenregulation jedoch abgeschwächt, die Sensibilität für adrenerge Symptome vermindert. Entsprechend bleibt etwa die Hälfte der NH-Ereignisse, vor allem wenn sie sich spontan wieder normalisieren, unbemerkt. Zu negativen Auswirkungen kann es dennoch kommen: etwa zu kognitiven Einschränkungen oder einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Im schlimmsten Fall erleidet der Patient während der NH einen Krampfanfall oder das sogenannte „Dead-in-Bed“-Syndrom.4, 5

Bisherige CGM helfen nur bedingt

Seit einiger Zeit sind kontinuierliche Glukosemonitoring-Systeme (CGM) etabliert, die eine lückenlose Glukoseverlaufskontrolle von Menschen mit Diabetes erlauben.8 Das Problem der NH konnten sie jedoch bislang nicht lösen, da sie sich hauptsächlich auf die Analyse historischer Glukosewerte und die Ausgabe von Warnungen beim Auftreten von akuten Hypoglykämien beschränken.9, 10 NH bleiben deshalb trotz CGM ein zentrales Risiko: Bis zu 51 Prozent der schweren Ereignisse bleiben unbemerkt.6, 7 

Seit neuestem ist nun die Accu-Chek SmartGuide CGM-Lösung verfügbar, die in Kombination mit KI-gestützten Vorhersagen (Lesen Sie hier mehr zum Thema) über die Accu-Chek SmartGuide Predict App eine Prädiktion des künftigen Glukoseverlaufs und des Hypoglykämie-Risikos erlaubt.11, 12, 13 Die Anwendung verfügt zum einen über eine anpassbare Vorhersage für niedrige Glukosewerte innerhalb der kommenden 30 Minuten sowie eine kontinuierliche und grafisch visualisierte Glukosevorhersage für die nächsten zwei Stunden. Besonders interessant ist die Funktion Vorhersage für nächtliche Unterzuckerung, die eine Prädiktion für sieben Stunden erlaubt: Sie zeigt dem Nutzer vor dem Zubettgehen an, wie hoch sein persönliches Risiko für eine NH (<70 mg/dl; <3,9 mmol/l) ist, gibt den Zeitraum an, in dem die Hypoglykämie am wahrscheinlichsten ist – und benachrichtigt ihn bei voraussichtlich hohem oder sehr hohem Risiko. Der Nutzen: Betroffene haben durch die Anwendung die Chance, ihr individuelles Risiko für eine NH in der kommenden Nacht zu erkennen und noch vor dem Schlafengehen Präventivmaßnahmen zu ergreifen, die einen erholsamen und ungestörten Schlaf ermöglichen können.11

Mehr Sicherheit in der Nacht

Nächtliche Hypoglykämien stellen trotz moderner Diabetes-Technologien weiterhin eine ernstzunehmende Herausforderung dar – insbesondere aufgrund der eingeschränkten Wahrnehmung im Schlaf. Neue digitale Entwicklungen, die auf prädiktiver Datenanalyse basieren, könnten helfen, dieses Risiko frühzeitig zu erkennen und gezielt gegenzusteuern. Damit bieten sie potenziell eine wichtige Unterstützung für eine sicherere Nacht und eine verbesserte Lebensqualität im Alltag von Menschen mit Diabetes.

Weitere Informationen zu Accu-Chek SmartGuide finden Sie hier.

Auf einen Blick 

  • Die Sorge vor nächtlichen Hypoglykämien (NH) gehört zu den größten Belastungen für Menschen mit Diabetes.
  • NH können zu Krampfanfällen oder Bewusstlosigkeit führen.
  • Etwa die Hälfte der NH-Ereignisse bleiben unbemerkt.
  • Kontinuierliche Glukosemonitoring-Systeme (CGM) sind beschränkt auf die Analyse historischer Glukosewerte und Echtzeit-Warnungen.
  • Die Accu-Chek SmartGuide CGM-Lösung erlaubt in Kombination mit KI-gestützten Vorhersagen über die Accu-Chek SmartGuide Predict App eine Prädiktion des künftigen Glukoseverlaufs und des Hypoglykämie-Risikos.11, 12, 13
  • Betroffene können ihr individuelles NH-Risiko erkennen und Präventivmaßnahmen ergreifen. 

Quellen

  1. Zhang Y, Li S, Zou Y, et al. Fear of hypoglycaemia in patients with type 1 and 2 diabetes: a systematic review. J Clin Nurs. 2021;30:72-82. doi:10.1111/jocn.15538
  2. Fisher L, Polonsky WH, Hessler DM, et al. Understanding the sources of diabetes distress in adults with type 1 diabetes. J Diabetes Complications. 2015;29(4):572-577. doi:10.1016/j.jdiacomp.2015.01.012
  3. Khunti K, Alsifri S, Aronson R et al. Rates and predictors of hypoglycaemia in 27.585 people from 24 countries with insulin-treated type 1 and type 2 diabetes: the global HAT study. Diabetes Obes Metab. 2016;18(9):907-915.
  4. Gagnum V, Stene LC, Jenssen TG et al. Causes of death in childhood-onset type 1 diabetes: long-term follow-up. Diabet Med. 2017;34(1):56-63
  5. Dahlquist G, Källén B. Mortality in childhood-onset type 1 diabetes: a population-based study. Diabetes Care. 2005;28(10):2384-2387
  6. DCCT Research Group. Epidemiology of severe hypoglycemia in the diabetes control and complications trial. Am J Med. 1991;90(4):450-459
  7. Gubitosi-Klug RA, Braffett BH, White NH, et al. Risk of severe hypoglycemia in type 1 diabetes over 30 years of followup in the DCCT/EDIC study. Diabetes Care. 2017;40(8):1010-1016
  8. Klonoff DC, Ahn D, Drincic A. Continuous glucose monitoring: a review of the technology and clinical use. Diabetes Res Clin Pract. 2017;133:178-192.#
  9. Renard E. Automated insulin delivery systems: from early research to routine care of type 1 diabetes. Acta Diabetol. 2023;60(2):151-161
  10. Sherr JL, Laffel LM, Liu J et al. Severe hypoglycemia and impaired awareness of hypoglycemia persist in people with type 1 diabetes despite use of diabetes technology: results from a cross-sectional survey. Diabetes Care. 2024;47(6):941-947
  11. Glatzer T, Ehrmann D, Gehr B, et al. Clinical Usage and Potential Benefits of a Continuous Glucose Monitoring Predict App. J Diabetes Sci Technol. 2024;18(5):1009-1013. doi:10.1177/19322968241268353
  12. Die Accu-Chek SmartGuide Predict App benachrichtigt Nutzer:innen bei einem voraussichtlichen niedrigen Glukosewert innerhalb der nächsten 30 Minuten (Vorhersage für niedrigen Glukosewert), liefert Vorhersagen für die voraussichtliche Glukoseentwicklung in den nächsten 2 Stunden (Glukosevorhersage) und zeigt das voraussichtliche Risiko einer nächtlichen Hypoglykämie in den nächsten 7 Stunden (Vorhersage für nächtliche Unterzuckerung, aktiv zwischen 21:00 und 02:00 Uhr). Für die Nutzung der Vorhersagefunktionen ist eine Internetverbindung erforderlich.
  13. Wenn das Risiko für die erste Nachthälfte (die ersten 3,5 Stunden) und die zweite Nachthälfte (die letzten 3,5 Stunden) unterschiedlich ist, hebt die Vorhersage für nächtliche Unterzuckerung das Zeitfenster mit hohem Risiko in der Benachrichtigung hervor.