Herzinsuffizienz bei Diabetes mellitus

Was gilt es zu beachten?

Weltweit steigt die Zahl der Menschen mit Diabetes mellitus kontinuierlich an. Aktuell schätzt man die globale Inzidenz auf 589 Millionen, von denen etwa 90% einen Typ-2-Diabetes haben. Dieser ist unter anderem mit einem deutlich erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert, welches auch einen erheblichen Teil der Gesundheitskosten beisteuert.1 Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes liegen gleich mehrere Risikofaktoren vor. Neben der Hyperglykämie besteht meistens eine viszerale Adipositas, eine Fettstoffwechselstörung sowie eine arterielle Hypertonie; dies alles verbunden mit einer chronischen, subklinischen Entzündung.2

Ein Beitrag von Prof. Dr. Stephan Jacob, Praxis für Prävention und Therapie, Villingen-Schwenningen

Erstes Therapieziel bei Diabetes Typ-2: Stoffwechselnormalisierung?

Aufgrund der engen epidemiologischen Zusammenhänge zwischen den vaskulären Komplikationen bei Diabetes mellitus und der Güte der Stoffwechseleinstellung stand jahrelang die Normalisierung des Zuckerstoffwechsels im Vordergrund. Ziel war vor allem die Vermeidung von makrovaskulären und mikrovaskulären Komplikationen:

  • Makrovaskuläre Komplikationen: Koronare Herzerkrankungen (KHK), periphere (PAVK) und zerebrale Durchblutungsstörungen
  • Mikrovaskuläre Komplikationen: Nervenschädigungen, Nierenerkrankungen (→ Dialyse) und Augenerkrankungen (→ Blindheit)

Damit verbunden war auch die Hoffnung, die kardiovaskuläre Mortalität und letztlich auch die Gesamtmortalität verringern zu können.

Allerdings konnten kontrollierte Studien, die eine strengere Stoffwechselkontrolle überprüften, wie UKPDS, ADVANCE, VADT und ACCORD* nicht nachweisen, dass die Verbesserung des HbA1c die makrovaskulären Ereignisse oder auch die Mortalität reduziert.3, 14

Kurz gefasst: NT-proBNP4

  • Natriuretische Peptide (NT-proBNP und BNP) werden bei der Dehnung der Herzkammer in das Blut abgegeben und dienen als Biomarker für die Herzinsuffizienz. Bei Verdacht auf Herzinsuffizienz sollte ein natriuretisches Peptid bestimmt werden.
  • Der NT-proBNP-Grenzwert von 125 pg/ml ist gut etabliert für den Ausschluss einer chronischen Herzinsuffizienz. Bei erhöhten Werten sollte eine Echokardiographie durchgeführt werden.
  • Mit ansteigenden Spiegeln von NT-proBNP ist das Risiko für HHI und kardiovaskuläre Erkrankungen erhöht.

Herzinsuffizienz – die unterschätzte Komplikation bei Diabetes mellitus Typ 2

Komplikationen wie die Herzinsuffizienz (HI) spielen bei Typ-2-Diabetes eine ganz besondere Rolle und können die Prognose sehr stark beeinflussen. Eine Herzinsuffizienz wird voraussichtlich bei bis zu 30% der Menschen mit Diabetes auftreten.5 Dabei haben Menschen mit Typ-2-Diabetes und Herzinsuffizienz ein etwa dreifach höheres Sterberisiko als Menschen ohne Herzinsuffizienz 6,7 (s. Abb. 1). 

Abb. 1: Diabetes als unabhängiger Risikofaktor für Herzinsuffizienz

Menschen mit HI haben eine wesentlich schlechtere Prognose: Die Lebenserwartung ist derart reduziert, dass die 5-Jahres-Überlebenszeit vergleichbar ist mit beispielsweise dem Kolonkarzinom oder dem Prostatakarzinom.8

Die Herzinsuffizienz kann mit einer reduzierten (HFrEF), mäßiggradig reduzierten (HFmrEF) oder erhaltenen Auswurffraktion (HFpEF) einhergehen; pathophysiologisch stehen ischämische, inflammatorische, metabolische und mikrovaskuläre Mechanismen zur Diskussion. Beide Mechanismen kommen bei Menschen mit Typ-2-Diabetes auch besonders häufig gleichzeitig vor, was auch das deutlich frühere und vermehrte Auftreten der HI erklärt (s. Abb. 2).

Abb. 2: Diabetes kann durch atherosklerosevermittelte und durch atheroskleroseunabhängige Mechanismen zu HI führen.
(Mod. nach de Simone G, et al. J Hypertens. 2010;28(2):353–360 und Redfield MM. N Engl J Med. 2016;375:1868–1877)

Menschen mit Diabetes Typ 2 und kardiorenalen Auffälligkeiten sind besonders gefährdet für MACE**-Ereignisse

Die Registeruntersuchungen von Birkeland et al. beschreiben, dass bisher gesunde Menschen mit Typ-2-Diabetes ohne kardiovaskuläre Vorerkrankungen im Verlauf nicht primär Herzinfarkte, Schlaganfälle oder peripher arterielle Gefäßprobleme entwickeln, sondern zuerst vermehrt kardiorenale Ereignisse. Diese sind definiert als Entwicklung einer Herzinsuffizienz, einer Verschlechterung der eGFR*** oder ein Auftreten oder eine Verschlechterung einer Mikro- oder Makroalbuminurie.9

Interessanterweise wiesen genau die Patienten, die diese kardiorenalen Komplikationen entwickelt hatten, im weiteren Verlauf auch eine bis zu 5-fach erhöhte Rate an Herzinfarkt und Schlaganfall auf (s. Abb. 3). Demnach stellen diese kardiorenalen Auffälligkeiten eine besondere Risikogruppe dar.9

Abb. 3: Erste Manifestation einer Diabetes-Komplikation bei Patienten, die initial keine Herzkreislauf- oder Nierenerkrankungen hatten.
(Mod. nach Diabetes Obes Metab. 2020;1–129)

Aus diesem Grund ist eine frühzeitige Diagnose und Erkennung sowie eine rechtzeitige Intervention bei diesen Menschen mit besonders hohem Risiko sehr sinnvoll (s. Abb. 4).

Abb. 4: Risikoerkennung in der Praxis.3
(Mod. nach Diabetes, Stoffwechsel und Herz, Band 30, 1/2021)

Frühere Diagnostik der Herzinsuffizienz: Messung von natriuretischen Peptiden

Neben der echokardiografischen Erhebung der Ejektionsfraktion (EF) ermöglicht die Bestimmung der kardialen Marker BNP oder NT-proBNP eine Risikoabschätzung, die auch bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ein wichtiger Diagnosemarker und eine Entscheidungshilfe sein kann. So zeigten Scirica et al. (2014)10 in der kardiovaskulären Studie SAVOR-TIMI, die die Sicherheit des selektiven Dipeptidyl-Peptidasehemmers 4, Saxagliptin, untersuchte, dass bei einem Cut-off des NT-proBNPs über 125 pg/ml sehr gut das Risiko für eine Hospitalisierung bei HI vorhergesagt werden konnte (s. Abb. 5).

Steigt der NT-proBNP-Wert im Verlauf der Beobachtung an, so ist dies auch mit einer höheren Rate an kardiovaskulären Ereignissen assoziiert (s. Abb. 6).11

Abb. 5: Die Vorhersage des Hospitalisierungsrisikos ist bei einem Cut-off des NT-proBNPs über 125 pg/ml sehr gut möglich.10
(Mod. nach Scirica et al. Circulation. 2014;(Supp)130:1579–88)

Abb. 6: Serielles Monitoring von NT-proBNP bei Patienten mit Typ-2-Diabetes (EXAMINE)11

Manche Glukosesenker reduzieren die Hospitalisierung für Herzinsuffizienz

Die kardiovaskulären Endpunktstudien bei Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 machten in den letzten Jahren deutlich, dass SGLT2-Hemmer eine besonders schnell einsetzende Senkung der Hospitalisierung für Herzinsuffizienz bewirken (s. auch Abb. 7) – und dies nicht nur bei Menschen mit bereits bestehender kardiovaskulärer Erkrankung oder Herzinsuffizienz. Schlussendlich zeigten DAPA-HF und EMPEROR Reduced sowie DELIVER12 und EMPEROR Preserved13 auch bei Menschen ohne Diabetes mellitus Typ 2 diese Vorteile.14

Abb. 7: Hospitalisierung aufgrund von HI

Verschiedene Endpunktstudien zeigen übereinstimmend, dass sich die Hospitalisierungsrate durch SGLT2-Hemmer schnell senken lässt.15, 16, 17, 18 Stellvertretend für diese Studien sind hier die Ergebnisse der EMPA-REG-Studie dargestellt.15

Neuerdings haben auch die inkretin-basierten Therapien, wie Semaglutid (STEP-HFpEF19) und Tirzepatid im SUMMIT Trial20 eine deutliche Verbesserung bei HFpEF - auch bei Menschen mit nicht Diabetes Patienten gesehen.

Auch die aktuellen ESC-Leitlinien für die Behandlung von Herzinsuffizienz betonen die Verwendung von leitliniengerechter medikamentöser Therapie (GDMT). Diese Therapie umfasst vier Hauptgruppen von Medikamenten: SGLT2-Inhibitoren, Betablocker, Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten (MRAs) und Renin-Angiotensin-System-Inhibitoren (RAS-Inhibitoren).21, 22

Frühe(re) Erkennung und konsequente Therapie möglich

Aus den oben genannten Zusammenhängen wird deutlich, dass eine Früherkennung von Menschen mit erhöhtem Risiko für Herzinsuffizienz und für kardiovaskuläre und renale Ereignisse durch Labor-Marker wie NT-proBNP bzw. BNP, eGFR oder Albuminurie auch in der Praxis möglich ist. Da es auch effektive und evidenzbasierte Therapiemöglichkeiten gibt, sollte und kann die Herzinsuffizienz heute in der Praxis bereits früher diagnostiziert und leitliniengerecht therapiert werden. 

Sowohl Verma et al. (2019), als auch eine Expertengruppe der ESC empfehlen daher auch die Messung des NT-proBNP bzw. BNP zur Risikoabschätzung bei Menschen mit Typ-2-Diabetes (s. Abb. 8 und 9).22, 23, 24

Abb. 8: Prädiktoren für Herzversagen bei Typ-2-Diabetes: Empfehlung für die Praxis.23

Fazit für den klinischen Alltag

Nach all diesen Beobachtungen gilt es, die „kardiorenal“ Gefährdeten unter den Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 zu identifizieren. Daher ist zu überlegen, dass neben der normalen Risikofaktoren-Stratifizierung und Kontrolle in der Praxis auch zusätzliche Marker benutzt werden, wie der zeitliche Verlauf der eGFR, die Entwicklung oder die Reduktion einer Mikroalbuminurie und das Auftreten von einer Erhöhung von NT-proBNP. Dies alles könnte in der Praxis überwacht werden. Zeigen sich hier Auffälligkeiten, sollte umgehend eine weiterführende Diagnostik und prognoseverbessernde Therapie mit Medikamenten, z. B. SGLT2-Hemmern und/oder inkretin-basierte Therapien, eingeleitet werden.

Die Empfehlungen der Fachgesellschaften25 sehen als oberstes Therapieziel die Reduktion des kardiorenalen Risikos. Daher sollen die prognoseverbessernden Medikamente auch unabhängig vom HbA1c eingesetzt werden. Ein breites, multimodales Risikomanagement inklusive evidenzbasierter glukosesenkender Therapie ist die Anforderung für ein gutes Diabetes Management!

Abb. 9: Diagnosealgorithmus der European Society of Cardiology (ESC) für Herzversagen.25

Disclaimer: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in den Texten nur das generische Maskulinum verwendet. Es sind damit alle Personen unabhängig von ihrem Geschlecht gemeint.

* Studien UKPDS, ADVANCE, VADT und ACCORD:

UKPDS:
UK Prospective Diabetes Study (UKPDS) Group. Effect of intensive blood-glucose control with metformin on complications in overweight patients with type 2 diabetes (UKPDS 34). Lancet. 1998.352(9131):854–65.

ACCORD, ADVANCE:
Dluhy RG, McMahon GT. Intensive glycemic control in the ACCORD and ADVANCE trials. N Engl J Med. 2008;358(24):2630–3.

VADT:
Duckworth W, Abraira C, Moritz T, et al. Glucose control and vascular complications in veterans with type 2 diabetes. N Engl J Med. 2009;360(2):129–39.

** MACE: Major adverse cardiac event

*** eGFR: Geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (estimated glomerular filtration rate)

Literatur

  1. International Diabetes Federation. IDF Diabetes Atlas. 11th ed. 2025
  2. Lu, X et al. Type 2 diabetes mellitus in adults: pathogenesis, prevention and therapy. Signal Transduct Target Ther. 2024; 9(1):262.
  3. Jacob S, Schneider CA. Kommentar in Diabetes, Stoffwechsel und Herz 2021/1; Band 30
  4. Schütt K et al. Positionspapier Herzinsuffizienz und Diabetes. Die Kardiologie 2022; 16:358–371.
  5. Ceriello A, et al. Heart failure in type 2 diabetes: current perspectives on screening, diagnosis and management. Cardiovasc Diabetol. 2021; 20:218
  6. Gavina C, et al. Premature Mortality in Type 2 Diabetes Mellitus Associated with Heart Failure and Chronic Kidney Disease: 20 Years of Real-World Data. J Clin Med. 2022; 11:2131
  7. Zareini B, et al. Type 2 Diabetes Mellitus and Impact of Heart Failure on Prognosis Compared to Other Cardiovascular Diseases: A Nationwide Study. Circ Cardiovasc Qual Outcomes. 2020; 13:e006260
  8. Mamas MA et al. Do patients have worse outcomes in heart failure than in cancer? A primary care-based cohort study with 10-year follow-up in Scotland. Eur J Heart Fail 2017; 19(9):1095–1104
  9. Birkeland K et al. Heart failure and chronic kidney disease manifestation and mortality risk associations in type 2 diabetes: A large multinational cohort study. Diabetes Obes Metab. 2020 Sep; 22(9):1607-1618
  10. Scirica BM et al. Heart failure, saxagliptin, and diabetes mellitus: observations from the SAVOR-TIMI 53 randomized trial. Circulation 2014; 130:1579–1588
  11. Jarolim P et al. Serial Measurement of Natriuretic Peptides and Cardiovascular Outcomes in Patients With Type 2 Diabetes in the EXAMINE Trial. Diab Care 2018; 41:1510-1515
  12. Solomon SD et al. Dapagliflozin in Heart Failure with Mildly Reduced or Preserved Ejection Fraction. N Engl J Med 2022; 387:1089-1098
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  14. Jacob S et al. Bridging the gap in cardiovascular care in diabetic patients: are cardioprotective antihyperglycemic agents underutilized?. Expert Review of Clinical Pharmacology 2021; 81(12):1373-1379.
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  16. Neal B et al. Canagliflozin and Cardiovascular and Renal Events in Type 2 Diabetes. N Engl J Med 2017; 377:644–657
  17. Wiviott SD et al. Dapagliflozin and Cardiovascular Outcomes in Type 2 Diabetes. N Engl J Med 2019; 380:347–357
  18. McGuire DK Oral Presentation 2020; ADA-Kongress, Scientific Sessions
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  21. Bauersachs J Heart failure drug treatment: the fantastic four. Eur Heart J. 2021; 42(6):681-683.
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  24. Verma S et al.Predictors of heart failure development in type 2 diabetes: a practical approach. Curr Opin Cardiol 2019; 34(5):578-583.
  25. Marx N et al. 2023 ESC Guidelines for the management of cardiovascular disease in patients with diabetes. European Heart Journal 2023; 44(39):4043-4140.