Diese Biomarker sind der Schlüssel für eine kardiovaskuläre Risikobewertung

Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz – Diabetespatient:innen tragen ein hohes kardiovaskuläres Risiko. Prof. Dr. med. Ulrich Laufs, Leiter der Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig, erklärt, auf welche Laborparameter es ankommt.

Herr Professor Laufs, warum sollten Ärzte und Ärztinnen bei Menschen mit Typ-2-Diabetes immer auch an deren kardiovaskuläres Risiko denken?

Wir wissen sicher, dass eine Typ-2-Diabeteserkrankung (T2D) das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen deutlich erhöht, vor allem für solche, die atherosklerotisch bedingt sind. Herzinfarkt, Schlaganfall oder periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) – für all diese Krankheiten oder Ereignisse haben Patienten mit Diabetes ein zwei- bis vierfach erhöhtes Risiko. Ursache sind vor allem Gefäßschädigungen durch die chronische Hyperglykämie sowie ein bei Diabetikern oft ungünstiges Lipidprofil. Daneben gibt es zusätzlich mittlerweile eine gute Evidenz dafür, dass ein T2D häufig mit Herzinsuffizienz einhergeht. 

Ist also jeder T2D-Patient automatisch ein Herz-Risikopatient?

Sagen wir so: Bei jedem Diabetespatienten sollten wir ein mögliches Herzrisiko mitbedenken. Das wird ja in Disease-Management-Programmen mit Blick auf das „Herz-Risikomanagement“ für Diabetiker auch schon so gehandhabt. 

Welche Laborparameter – vielleicht zunächst mit Blick auf atherosklerotisch bedingte CV-Erkrankungen (ASCVD) – spielen hier eine Rolle?

Aus kardiologischer Sicht ist es wichtig, Risikoparameter wie das Low-Density-Lipoprotein-Cholesterin, also das LDL-C, zu bestimmen, im Zielbereich zu halten oder auf den Zielwert zu bringen. Der Hintergrund ist bekannt: LDL-C lagert sich in den Gefäßwänden ab, fördert dort Entzündungen und Plaquebildung. Weitere wichtige Laborwerte im Hinblick auf das ASCVD-Risiko sind HbA1c, eGFR und hsCRP.

Heißt das: Ist das LDL-C im Zielbereich, ist mit den Blutfetten alles gut? Und bei zu hohem Wert wird Bewegung und eine gesundheitsbewusste Ernährung – die berühmte mediterrane Kost – empfohlen, um den LDL-C-Spiegel und damit auch das kardiovaskuläre Risiko zu senken?

Da möchte ich an zwei Stellen einhaken. Große Studien und Meta-Analysen zeigen – leider –, dass eine Mittelmeer-Kost nicht zu einer Senkung des LDL-Cholesterin führt. Auch andere Formen einer Ernährungsumstellung, etwa von Mischkost zu vegetarischer Ernährung, haben im Mittel nur einen kleinen Effekt auf das LDL-C. Hingegen: Rauchstopp, Bewegung und nötigenfalls medikamentöse Therapie – das sind die Eckpfeiler, auf die Behandelnde setzen sollten. 

Und das zweite Einhaken…?

Die wichtigste Lipid-Zielgröße zur Risikoreduktion ist unstrittig das LDL-C. Weiterhin sind jedoch auch – neben den Triglycerid-reichen Lipoproteinen – die Werte des Lipoproteins (a) relevant.

Lipoprotein (a) – was ist das genau?

Das Lipoprotein (a), oder auch: Lp(a), gesprochen: Lp-klein-a, ist ebenso wie das LDL ein Molekül, mit dem Blutfette transportiert werden. Lp(a) ist zu etwa 90% genetisch determiniert. Der Wert kann kaum durch den Lebensstil beeinflusst werden. Doch im Blick behalten müssen wir ihn: Je höher die Lp(a)-Konzentration im Blut, desto höher das Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis. Medikamente, die den Lp(a)-Spiegel regulieren könnten, sind zum aktuellen Zeitpunkt (Stand: 2. Quartal 2025) noch in der Entwicklungsphase. Einmal im Leben, so empfehlen es die Leitlinien der europäischen Atherosklerosegesellschaft (EAS), sollte der Wert bestimmt werden. Insbesondere sollten Angehörige ersten Grades von Menschen, die bereits in jungen Jahren einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hatten, getestet werden.

Warum aber sollten wir das Lp(a) messen, wenn derzeit nicht viel gegen eine hohe Konzentration im Blut ausgerichtet werden kann? 

Wir sollten aus drei Gründen Lp(a) einmal im Leben messen: Zum einen zur Verbesserung der Risiko-Einschätzung. Personen mit hohen Werten profitieren ganz besonders von einer optimalen Einstellung aller Risikofaktoren. Zweitens: Auch wenn wir aktuell noch keine Medikamente haben, die Lp(a) wirksam senken, profitieren Personen mit hohem Lp(a) von einer Reduktion ihres Lipid-bezogenen Risikos durch Senkung des LDL-Cholesterins. Und drittens können Familienmitglieder mit hohem Lp(a) rechtzeitig mittels Familienscreening entdeckt werden.

Sie sprachen eingangs von der Herzinsuffizienz (HI) – auch sie trete häufig bei Diabeteskranken auf…

Hier verlassen wir jetzt den Bereich der Gefäße, begeben uns in den Bereich des Myokards. Und ja, hier gibt es eine wechselseitige Korrelation, wie Studien belegen: Menschen mit einer HI haben häufig einen – noch unentdeckten – Diabetes; umgekehrt haben Diabetiker ein erhöhtes Risiko, an einer HI zu erkranken. Erst 2022 haben die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie und die Deutsche Diabetes-Gesellschaft ein gemeinsames Konsensuspapier verfasst, um darauf aufmerksam zu machen. 

Welcher Laborwert ist hier relevant?

Helfen können unter anderem die natriuretischen Peptide: Sowohl das B-Typ natriuretische Peptid (BNP) als auch das N-terminale pro-BNP (NT-proBNP) sind Eiweiße, die vom Herzmuskel bei Belastung ausgeschüttet werden. Die Werte geben Aufschluss darüber, wie die Wand des Herzmuskels durch Druck oder Volumen belastet ist. Im Gegensatz zum Lp(a) handelt es sich hier nicht um einen genetisch festgelegten Risikofaktor, sondern einen dynamischen Biomarker: Er spiegelt die jeweilige Wandspannung im linken Ventrikel wider.

Wann sollten das NT-proBNP bzw. BNP bei Diabetespatient:innen gemessen werden? 

Bei unklarer Atemnot, bei einem ersten grundsätzlichen Verdacht auf eine Herzinsuffizienz, und natürlich zur Kontrolle einer bereits bekannten Herzschwäche. Erhöhte Werte weisen auf eine kardiale Ursache der Luftnot hin und können bei vorbekannter Herzinsuffizienz eine Verschlechterung anzeigen. Die Werte müssen immer zusammen mit den Symptomen und anderen Befunden interpretiert werden.

Mit Blick auf Laborbestimmung für Lipide und Herzinsuffizienz: Was würden Sie Allgemeinmediziner:innen oder Diabetolog:innen gern mitgeben?

Im Kontext der Lipide steht im Vordergrund, das LDL-C regelmäßig zu kontrollieren und gegebenenfalls in Richtung Zielbereich zu senken – notfalls medikamentös. Neu ist die Empfehlung, einmal im Leben das Lp(a) zu bestimmen, besonders bei familiärer Vorbelastung. Bei unklarer Dyspnoe kann es zudem sinnvoll sein, NT-proBNP bzw. BNP zu bestimmen, um eine Herzinsuffizienz oder eine Verschlechterung einer bekannten Herzinsuffizienz besser diagnostizieren zu können. Daneben sind natürlich auch weitere prognostisch relevante Werte wichtig, etwa der Glukose-Stoffwechsel oder die Nierenfunktion. Am Ende ist es aber sicher so: Eine moderne, patientenorientierte kardiovaskuläre Prävention hat – in der Diabetesversorgung und auch sonst – alle Organsysteme im Blick.

Die zwei Gesichter des Lp(a)

Einmal im Leben das Lp(a) bestimmen, dazu rät Prof. Ulrich Laufs. Was Ärzt:innen dabei beachten sollten. 

Herr Professor Laufs, Sie sagen: Lp(a)-Wert ist nicht gleich Lp(a)-Wert. Wie meinen Sie das? 

Der Lp(a)-Wert kann in zwei Maßeinheiten erfasst und angegeben werden: Entweder in Milligramm pro Deziliter (mg/dL) – das misst das Gewicht des Lipoproteins im Blut – oder in Nanomol pro Liter (nmol/L), was die Anzahl der Lp(a)-Partikel angibt, also die Molarität. Wichtig: Je nach Messmethode unterscheiden sich die Werte deutlich.

Woher kommt das? 

Das Lp(a) besteht aus einem LDL-ähnlichen Teil und einem zusätzlichen Anhang, einem kleinen Schwänzchen, dem sogenannten Apolipoprotein(a). Es hat eine variable Länge, die genetisch bestimmt ist. Dabei besteht eine Heterogenität der Partikel – je nach mütterlichem und väterlichem Phänotyp. Das bedeutet: Je nach Größe des Apolipoproteins kann ein Patient bei gleichem Gewicht des Lp(a) mehr oder weniger Partikel im Blut haben. 

Das heißt, die Werte sind schwer vergleichbar?
Innerhalb einer Einheit können die Werte gut verglichen werden. Aber die Tatsache, dass es zwei verschiedene Einheiten gibt, stiftet häufig Verwirrung. Nach meiner Beobachtung setzt sich die Angabe in nmol/L, also die Molarität, aber zunehmend durch.