Molarität statt Masse
Lipoprotein(a) als Risikofaktor: Die Messmethode ist entscheidend

Lipoprotein(a) – kurz Lp(a) – gilt zunehmend als unabhängiger und klinisch relevanter Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen. Mehrere aktuelle Studien bestätigen diesen Zusammenhang. Wichtig für die Aussagekraft ist unter anderem die gewählte Messmethode.
Kardiovaskuläre Erkrankungen (CVD) zählen weltweit zu den häufigsten Todesursachen. Zur Risikoeinschätzung werden üblicherweise Parameter wie LDL-Cholesterin (LDL-C), Blutdruck oder Blutzucker herangezogen. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass junge Patienten an kardiovaskulären Ereignissen erkranken, obwohl sie zuvor keine Auffälligkeiten bei den klassischen Risikofaktoren aufwiesen.1
Neuere epidemiologische und genetische Studien heben die Bedeutung von Lp(a) als Biomarker hervor: Die Untersuchungen konnten zeigen, dass eine erhöhte Lp(a)-Serumkonzentration mit einer höheren kardiovaskulären Krankheitsrate und Sterblichkeit einhergeht. Das Risiko für die koronare Herzkrankheit und ischämischen Schlaganfall steigt ebenso wie jenes für Aortenklappenstenose oder die periphere arterielle Verschlusskrankheit.2, 3, 4, 5 Bei Menschen mit Typ-2 Diabetes kann ein unerkannter hoher Lp(a)-Spiegel das Risiko für CVD zusätzlich erhöhen.6
Lp(a): Mindestens einmal im Leben bestimmen
Zielgerichtete Therapien zur Senkung des Lp(a)-Spiegels sind derzeit noch nicht verfügbar.7 Auch lässt sich der Wert – anders als etwa beim LDL-C – kaum durch einen gesunden Lebensstil beeinflussen, da er genetisch festgelegt ist. Ist aber ein erhöhter Lp(a)-Wert bekannt, gibt das Ärzt:innen die Möglichkeit, andere kardiovaskuläre Risikofaktoren ihrer Patient:innen besser zu kontrollieren und nötigenfalls strengere Zielwerte zu setzen. Deshalb fordern Fachgesellschaften, mindestens einmal im Leben eines Menschen dessen Lp(a)-Wert zu bestimmen. Darin sind sich die European Atherosclerosis Society (EAS), die Canadian Cardiovascular Society und die US-amerikanische National Lipid Association einig.4, 8, 9 Die American Heart Association empfiehlt ein Lp(a)-Screening bei Menschen, die entweder selbst oder deren Verwandte 1. Grades bereits frühzeitig kardiovaskuläre Ereignisse erfahren haben.10
Besser messen: auf Molarität statt auf Gewicht setzen
Entscheidend bei der Ermittlung des Lp(a)-Werts ist die Messmethode. Die Serumkonzentration kann sowohl nach Gesamtgewicht (mg/dL) als auch nach Partikelkonzentration (nmol/L) bestimmt werden. Für eine klinisch valide Risikobewertung, darüber besteht in der medizinischen Fachwelt weitgehender Konsens, empfiehlt sich jedoch die letztere Methode.4, 9, 10, 11 Das hat einen molekularbiologischen Hintergrund: Ein relevanter Bestandteil des Lp(a), das sogenannte Apolipoprotein [Apo(a)], variiert in seiner Größe zwischen einzelnen Menschen und ethnischen Gruppen – teils um das Tausendfache.12 Wird der Lp(a)-Wert im Labor nun über die Masse ermittelt, kann es wegen dieser Heterogenität zu Fehlern kommen: Bei Patient:innen, deren Apo(a) kleiner ist als das Referenz-Apo(a) im Testkalibrator, besteht die Tendenz, ihre jeweilige Apo(a)-Konzentration zu unterschätzen. Umgekehrt wird die Konzentration von Apo(a)-Partikeln, die größer sind als jene im Kalibrator, häufig zu hoch eingeschätzt.4 Auch eine Umrechnung zwischen mg/dL und nmol/L ist ungenau, da das Verhältnis zwischen Mol und Masse aufgrund der großen Unterschiede in der Apo(a)-Größe zwischen Individuen nicht konstant ist.4, 9, 10, 11 Erfolgt die Bestimmung also nach Gesamtgewicht, kann dies zu einer erhöhten Anzahl sowohl falsch-negativer als auch falsch-positiver Ergebnisse führen. In der Folge könnten Patienten falsch eingestuft werden.11, 13

Abbildung nach Kronenberg 2022; Reyes-Soffer; Cegla; Koschinsky 2024, Willeit
Labortest mit nmol/L-Messung
Anders jedoch bei der Messung der Molarität – also der Anzahl der Lp(a)-Partikel pro Volumeneinheit (nmol/L): Dieses Verfahren, wie es etwa der Labortest Tina-quant® Lipoprotein (a) Gen. 2 nutzt, ist von der Partikelgröße unabhängig. Dadurch weist es eine bessere Korrelation mit dem CVD-Risiko auf als die herkömmliche Massenermittlung in mg/dL. Dieses Vorgehen empfiehlt beispielsweise auch die EAS.4
Heute und in Zukunft unverzichtbar
Man weiß heute, dass hohe Lp(a)-Werte bei weitem keine Seltenheit sind: Im Jahr 2022 wiesen weltweit rund 1,5 Milliarden Menschen erhöhte Lp(a)-Spiegel auf.14 Umso wichtiger, dass gerade bei Patienten, deren herkömmliche Lipidprofile keine Auffälligkeiten zeigen, ein Labortest Einblicke in das dennoch verbleibende kardiovaskuläre Risiko geben kann. Eine präzise Ausgangsmessung des Lp(a) mit einem auf Molarität beruhenden Verfahren kann für viele Menschen entscheidend sein: zum einen, um präventiv das kardiovaskuläre Risiko zu senken, zum Beispiel durch strenger gesetzte Cholesterol- und Blutdruckziele. Zum anderen könnten Patienten mit hohen LP(a) Werten von den künftig potenziell verfügbaren Lp(a)-senkenden Therapien profitieren.4 Perspektivisch, so wird bereits diskutiert, könnte der Test angewendet werden, um die Wirksamkeit solcher neuen Therapieansätze bezüglich der LP(a) Verringerung zu überwachen. Genauigkeit, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit werden dann mehr denn je unverzichtbar sein.
Literatur
- Mayo J et al. Lipoprotein(a) as a unique primary risk factor for early atherosclerotic peripheral arterial disease. BMJ Case Rep. 2021 Jun 30;14(6)
- Reuser A et al. Lipoprotein(a). Dtsch Med Wochenschr 2022; 147 (23): 1564–70
- Reuser A et al. KHK-Patienten mit stark erhöhten Lp(a)-Spiegeln, therapeutische Konsequenzen – heute und in Zukunft. Herzmedizin 2023; 5–2.
- Kronenberg F et al. „Lipoprotein(a) in atherosclerotic cardiovascular disease and aortic stenosis: a European Atherosclerosis Society consensus statement.“ Eur Heart J. 2022;43(39):3925–3946.
- Kronenberg F et al. „Frequent questions and responses on the 2022 lipoprotein(a) consensus statement of the European Atherosclerosis Society.“ Atherosclerosis. 2023;374:107–120.
- Shiyovich A et al. „Lipoprotein(a) as a cardiovascular risk factor among patients with and without diabetes mellitus: the Mass General Brigham Lp(a) Registry.“ Cardiovasc Diabetol. 2023;22(1):147.
- Thau H et al. „Targeting Lipoprotein(a): Can RNA Therapeutics Provide the Next Step in the Prevention of Cardiovascular Disease?“ Cardiol Ther. 13(1), 39–67.
- Pearson GJ et al. „2021 Canadian Cardiovascular Society guidelines for the management of dyslipidemia for the prevention of cardiovascular disease in adults.“ Can J Cardiol. 2021;37(8):1129–1150.
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- Reyes-Soffer G et al. Lipoprotein(a): a genetically determined, causal, and prevalent risk factor for atherosclerotic cardiovascular disease: a scientific statement from the American Heart Association. Arterioscler Thromb Vasc Biol. 2022;42(1):e48–e60.
- Cegla J et al. HEART UK consensus statement on Lipoprotein(a): A call to action. Atherosclerosis. 2019 Dec;291:62-70.
- Kronenberg F et al. „Lipoprotein(a): resurrected by genetics.“ J Intern Med. 2013;273(1):6–30.
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- Sosnowska D et al. „The year in cardiovascular disease - the year of Lipoprotein(a) – research advances and new findings.“ Archives of Medical Science. 2025;21(2):355-73.