Ausschlussdiagnose Glutensensitivität: So gehen Sie vor

Früher kontrovers diskutiert – heute in der Leitlinie: Reproduzierbare Beschwerden vor allem durch Getreideprodukte trotz Ausschluss einer Zöliakie und einer Weizenallergie. Was hinter der sogenannten Weizen-/Glutensensitivität steckt und wie Sie bei Verdacht vorgehen sollten.

Was ist eigentlich Gluten-Sensitivität?

Die sogenannte Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizen-/Gluten-Sensitivität (NCGS-WS/NCWS-WS) ist definiert als Störung, die sich oftmals mit Reizdarmsyndrom (RDS) ähnlichen-Symptomen präsentiert und potenziell kausal therapiert werden kann. Da eine eindeutige internationale Definition des Krankheitsbildes bisher nicht existiert, sind in der Literatur auch die ungenaueren Termini Glutensensitivität oder Weizensensitivität gebräuchlich.1

Liegen RDS-typische Verdachtssymptome vor, die mit dem Verzehr vor allem von Getreideprodukten assoziiert werden, sollte vor den diagnostischen Tests keine Gluten-Elimination stattfinden. Der Grund: Eine Eliminationsdiät kann beispielsweise serologische Ergebnisse verfälschen.2

So identifizieren Sie die Stoffwechselstörung leitlinienkonform:1

  1. Primär sollte die Autoimmunerkrankung Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) ausgeschlossen werden. Hierfür geeignet sind die Bestimmung von Transglutaminase-IgA-Antikörpern oder Endomysium-IgA-Antikörpern sowie der Gesamt-IgA im Serum.
  2. Gleichzeitig muss abgeklärt werden, inwieweit eine Weizenallergie als Auslöser der Symptome in Frage kommt. Hierfür werden ebenso IgE-Antikörper im Blutserum bestimmt.
  3. Bei fehlendem Befund wird dem Betroffenen eine Eliminationsdiät für etwa 2 Wochen empfohlen. Eine anschließende Re-Exposition (anzustreben als „placebo-kontrollierter Provokationstest“) soll Klarheit bringen, ob Getreideprodukte und somit eine Gluten-Sensitivität die Auslöser der Symptome sind. 

Die Abgrenzung der Störung von der Zöliakie und der Weizenallergie ist wichtig, weil sich die damit einhergehenden Diätempfehlungen und die Prognose unterscheiden.1

Langfristiger Verzicht auf Weizen nicht zwingend indiziert

Eine langfristige Gluten- oder Weizenkarenz ist nur bei gesichertem Nachweis oder dringendem klinischem Verdacht auf eine Unverträglichkeit bzw. Allergie sinnvoll. Der langfristige Verzicht auf diese Lebensmittelgruppe kann sich ungünstig auf die Gesundheit auswirken und eine Ballaststoffsupplementierung erforderlich machen.1, 3 Eine gute Alternative für Betroffene könnte stattdessen eine dokumentierte Reexposition mit Ermittlung individueller Toleranzgrenzen darstellen.3

Das oft fehlende Ansprechen auf eine Gluten-Provokation bei gleichzeitig deutlicher Symptomlinderung unter einer Low-FODMAP-Diät deutet darauf hin, dass die Symptomatik der Glutensensitivität nicht immer eindeutig auf Gluten zurückzuführen ist. Auch andere Faktoren wie z. B. FODMAPs können eine Rolle spielen.1 Weitere auslösende Faktoren können mitunter Ballaststoffe, Fruktane und Amylase-Trypsin-Inhibitor (ATI) sein.1

Symptome und Abgrenzung zu Zöliakie und RDS

Nach heutigem Wissensstand handelt es sich bei der Glutensensitivität um eine temporäre Befindlichkeitsstörung mit unspezifischem klinischen Erscheinungsbild. Dieses kann nicht nur einer Zöliakie ähneln, sondern auch dem RDS.3 So können neben gastrointestinalen Beschwerden wie abdominelle Schmerzen, Meteorismus, Diarrhoe/Obstipation, Völlegefühl, Übelkeit und Erbrechen auch extraintestinale Symptome auftreten, darunter:1

  • Kopfschmerz
  • Migräne
  • Müdigkeit
  • Lethargie
  • Muskel-, Knochen-, Gelenkschmerzen
  • Konzentrationsstörungen

Die Pathomechanismen der zugrundeliegenden Stoffwechselstörungen bei Glutensensitivität sind bisher unklar. Fest steht aber, das im Vergleich zu Zöliakie oder Nahrungsmittelallergie keine Antikörper gebildet werden. Die Darmschleimhaut der Betroffenen bleibt ebenfalls unbeschädigt.2

Literatur:
1.    Layer P et al. Update S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Reizdarmsyndroms der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM). Registernummer 021-016. Unter: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/021-016.html (abgerufen am 10.12.2021)
2.    Holtmeier W. Überempfindlich gegen Gluten? Verein für unabhängige Gesundheitsberatung UGB. Unter: https://www.ugb.de/ernaehrungsberatung/gluten-ueberempfindlichkeit/ (abgerufen am 13.12.2021).
3.    Andresen V et al. Die „Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität“ (NCGS). Arzneiverordnung in der Praxis 2018; Band 45 Heft 2.