Funktionelle Dyspepsie – Vorgehen bei Beschwerden ohne ursächlichen Befund


Bis zu 20 % der Bevölkerung leiden unter dyspeptischen Beschwerden. Trotzdem, so die aktuelle europäische Leitlinie, herrscht Unsicherheit – unter anderem bei der Diagnose. Welches Vorgehen empfehlen Experten?

Die Diagnose stützt sich auf das charakteristische Beschwerdebild und den Ausschluss von organischen oder stoffwechselbedingten Erkrankungen des oberen Magen-Darm-Trakts inklusive der Oberbauchorgane.1 Typische dyspeptische Beschwerden sind epigastrische Schmerzen und Brennen im Oberbauch, Krämpfe, postprandiales Völlegefühl, und eine frühe Sättigung.2 Häufig sind zudem auch ein Blähgefühl im Oberbauch sowie Übelkeit und Erbrechen.1,3 Sodbrennen und andere Refluxsymptome wie saures Aufstoßen sind keine eigenständigen Beschwerdebilder der Dyspepsie, können aber begleitend auftreten.1

Bei den folgenden klinischen und anamnestischen Alarmzeichen ist eine konsequente Diagnostik besonders angebracht:1

  • Erstmanifestation der Dyspepsie ab einem Alter > 55 Jahren
  • Malignome in der Familie
  • nächtliche Beschwerden
  • zunehmende Beschwerdesymptomatik
  • Dysphagie
  • signifikanter Gewichtsverlust
  • Zeichen einer gastrointestinalen Blutung
  • anhaltendes Erbrechen
  • Anämie/Eisenmangel/Vitamin-B12-Mangel

Kriterien für funktionelle Dyspepsie

Laut den Rom-IV-Kriterien liegt eine funktionelle Dyspepsie vor, wenn die folgenden Kriterien erfüllt sind:3,4

  • Die dyspeptischen Beschwerden bestehen persistierend oder rezidivierend über mehr als 3 Monate mit Symptombeginn mindestens 6 Monate vor Diagnosestellung.
  • Fehlender Nachweis einer organischen Ursache bei endoskopischer Abklärung.
  • Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Dyspepsie ausschließlich durch Stuhlentleerung erleichtert wird oder dass eine Assoziation mit Stuhlunregelmäßigkeiten besteht.

Je nach Lokalisation und Beschwerdebild wird die funktionelle Dyspepsie in 2 Untergruppen unterteilt:3

  • epigastrischer Schmerz – dominierend Oberbauchschmerzen oder -brennen mindestens 1 mal in der Woche
  • postprandiales Distress-Syndrom – Völlegefühl und/oder vorzeitige Sättigung an mindestens 3 Tagen in der Woche

In etwa 30 % der Fälle kann eine ursächliche organische Ursache identifiziert werden.

Bildgebende Verfahren Mittel der Wahl

Neben Anamnese und Beschwerdebild sind laut eines jüngsten Diagnose- und Behandlungsleitfadens orientierende Laboruntersuchungen angezeigt (Madisch et al.).1 Hierzu gehören Blutbild, Elektrolyte, Leber-, Nieren-, Lipasewerte, Blutsenkung, C-reaktives Protein (CRP) sowie gegebenenfalls periphere Schilddrüsenparameter.1,3 Für eine rationale apparative Ausschlussdiagnostik wird die Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) und eine Ultraschalluntersuchung empfohlen. Daneben sollte eine Helicobacter pylori Besiedelung ausgeschlossen werden (Abb. 1). Als Alternative zu dieser Strategie kann eine empirische Therapie je nach Symptomatik beispielsweise mit Protonenpumpeninhibitoren (PPI) bei vordringlicher Oberbauchschmerzsymptomatik oder Phytotherapeutika bei Dysmotilitätssymptomen versucht werden.1 Eine beobachtende Strategie („watchful waiting“) dürfte bei Vorstellung der Patientin oder des Patienten im symptomreichen Intervall schwer vermittelbar sein.1,3

Erst empirische Therapie oder primär Endoskopie?

Randomisierte Studien zeigten, dass ein unauffälliger endoskopischer Befund zu einer höheren Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten führte als die empirische Therapie. Zudem musste in diesen Studien bei Personen, die primär empirisch therapiert wurden, häufig im weiteren Verlauf dennoch endoskopiert werden.5,6

In einem aktuellen europäischen Konsensus zur funktionellen Dyspepsie wird eine Magenspiegelung obligatorisch empfohlen, falls Alarmsymptome oder Risikofaktoren vorliegen. Eine Behandlung in der Primärversorgung ohne Endoskopie sei aber möglich.2

Fazit: Funktionelle Dyspepsie in der Praxis

Die Symptome können die Lebensqualität deutlich einschränken. Daher ist eine konsequente Diagnosesicherung und anschließende symptomorientierte Therapie notwendig, die sich nach den vorherrschenden Symptomen richten und auf die beschwerdereichen Intervalle beschränken sollte.  Im Wesentlichen stehen hier zur Verfügung:1

  • PPI bei epigastrischen Schmerzen oder Brennen und begleitenden Refluxbeschwerden (CAVE: PPI haben keine Zulassung für funktionelle Dyspepsie).
  • H. pylori-Eradikation bei erfolgtem Nachweis.
  • Phytotherapeutika in der Form von Kombinationspräparaten (STW 5, STW 5-II und Menthacarin). Im Sinne des Multitarget-Effektes wird von einer additiven und synergistischen Wirkungsweise dieser Vielfachextrakte ausgegangen.

Zudem stehen Psychotherapie/Antidepressiva, Prokinetika und Enzympräparate zur Verfügung.1

Literatur:
1. Madisch A et al. Dyspepsie-Update - Vorgehen bei Beschwerden ohne ursächlichen Befund. Gastro-News. 2021;2.
2. Wauters L et al. United European Gastroenterology (UEG) and European Society for Neurogastroenterology and Motility (ESNM) consensus on functional dyspepsia. United European Gastroenterol J. 2021;9(3):307-331.
3. Madisch A et al. The Diagnosis and Treatment of Functional Dyspepsia. Dtsch Arztebl Int. 2018;115(13):222-232.
4. Stanghellini V et al. Gastroduodenal Disorders. Gastroenterology. 2016;150(6):1380-1392.
5. Madisch A et al. Management of functional dyspepsia: Unsolved problems and new perspectives. World J Gastroenterol. 2005;11(42):6577-6581.
6. Lacy BE et al. Functional dyspepsia: the economic impact to patients. Aliment Pharmacol Ther. 2013;38(2):170-177.