Polyzystisches Ovarsyndrom

Definition

Das Polyzystische Ovar-Syndrom (PCOS) ist mit einer Prävalenz von 5–10 % eine der häufigsten hormonellen Störungen bei Frauen im reproduktiven Alter. Der Erkrankungsbeginn liegt typischerweise zwischen dem 15.und 25. Lebensjahr.

Die Diagnose kann gestellt werden, wenn mindestens 2 der 3 Rotterdam-Kriterien erfüllt sind:

1. Irreguläre (verlängerte) Zyklen ohne Eisprung (Anovulation) oder mit seltenen Eisprüngen (Oligoovulation)

2. Erhöhte Androgene oder klinische Anzeichen dafür

3. Polyzystische Ovarien im Ultraschall

Nach dieser Definition können auch Frauen ohne polyzystische Ovarien an einem PCOS leiden. Andere Erkrankungen des Ovars, der Hypophyse und der Nebenniere müssen ausgeschlossen sein.

Es zeigt sich ein enger Zusammenhang mit dem metabolischen Syndrom. Die klinisch am bedeutsamsten Symptome sind Übergewicht, Infertilität und männlicher Behaarungstyp. Außerdem haben Frauen mit PCOS ein erhöhtes Risiko für ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSA), Endometriumkarzinome, Angststörungen und depressive Symptome, Essstörungen sowie psychosexuelle Störungen

Bei der Ausprägung des PCOS bestehen deutliche ethnische Unterschiede, z.B.:

  • relativ milder Phänotyp bei Kaukasierinnen
  • bei Kaukasierinnen enger Zusammenhang mit hohem BMI (vor allem in USA und Australien)
  • deutlich stärker ausgeprägter Hirsutismus bei Frauen aus dem Mittleren Osten, Lateinamerika und Mittelmeerraum
  • niedriger BMI und milder Hirsutismus bei ostasiatischen Frauen
  • hoher BMI und ausgeprägte metabolische Veränderungen bei Afrikanerinnen
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Symptomatik

1. Zyklusstörungen

Ein irregulärer Zyklus liegt vor:

  • physiologischerweise im ersten Jahr nach der Menarche
  • 1 bis 3 Jahre nach der Menarche: Zykluslänge < 21 Tage oder > 45 Tage
  • 3 Jahre nach der Menarche bis zur Perimenopause: < 21 Tage oder > 35 Tage, bzw. weniger als 8 Zyklen pro Jahr
  • 1 Jahr nach der Menarche: einzelner Zyklus > 90 Tage
  • primäre Amenorrhoe mit 15 Jahren oder > 3 Jahre nach Thelarche

2. Klinische Zeichen des Hyperandrogenismus (Akne, Alopezie, Hirsutismus)

3. Unerfüllter Kinderwunsch (Infertilität)

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Untersuchung

Bei der Untersuchung können die typischen Anzeichen eines Hyperandrogenismus auffallen.

Polyzystische Ovarien sind ggf. im Ultraschall nachweisbar:

  • Volumen mindestens 10 ml
  • und/oder mindestens 12 Zysten mit einer Größe von 2–9 mm
Labor

Hormondiagnostik

Der Nachweis des Hyperandrogenismus erfolgt anhand folgender Parameter:

  • berechnetes freies Testosteron, freier Androgen-Index oder berechnetes bioverfügbares Testosteron
  • bei normalen Testosteronspiegeln evtl. Androstenedion und Dehydroepiandrosteron-Sulfat (DHEAS) (aber begrenzte Zusatzinformation)
  • orale Kontrazeptiva müssen vorher drei Monate abgesetzt werden

Ultraschall-Diagnostik zum Nachweis polyzystischer Ovarien

  • bei Frauen mit irregulärem Zyklus und Hyperandrogenismus für die Diagnosestellung nicht unbedingt nötig
  • falls möglich endovaginal (bei sexuell aktiven Frauen)
  • erst acht Jahre nach der Menarche (vorher oft physiologisch)

Zusätzliche Diagnostik

Bei allen Frauen mit PCOS sollten regelmäßig Gewichtskontrollen erfolgen und kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Rauchen, Hypertonie, Dyslipidämie sowie gestörte Glukosetoleranz und Typ-2-Diabetes müssen im Auge behalten werden.

Bei entsprechenden Symptomen (Schnarchen, Tagesmüdigkeit) sollte auch ein obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom ausgeschlossen werden.

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Differenzialdiagnostik

Wichtige Differenzialdiagnosen sind:

  • Adrenogenitales Syndrom
  • Hyperprolaktinämie/Prolaktinom
  • Morbus Cushing/Cushing-Syndrom
  • Gonadotrope Hypophysenfunktionsstörung
  • Androgen-bildende Nebennierentumoren
  • Androgen-bildende Ovarialtumore
  • Primäre Ovarialinsuffizienz
  • Hypothyreose
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Pharmakotherapie und nichtinvasive Therapie

Lebensstiländerungen

Allen Frauen mit PCOS sollte eine gesunde, ausgewogene Ernährung sowie regelmäßige körperliche Aktivität empfohlen werden. Bei Übergewicht ist eine Gewichtsabnahme anzustreben. Ggf. kann dies auch durch eine entsprechende Verhaltenstherapie unterstützt werden. Evidenz für den Erfolg einer spezifischen Diät gibt es bisher nicht.

Medikamentöse Therapie

Kombinierte orale Kontrazeptiva (COCP):

  • zur Behandlung von Zyklusstörungen und klinischem Hyperandrogenismus (bei fehlendem Kinderwunsch)

Metformin:

  • in Kombination mit Lebensstilveränderungen vor allem bei übergewichtigen Frauen und bei hohem metabolischem Risiko
  • off-label (trotz ausreichender Evidenz), daher entsprechende Aufklärung

Antiandrogene

  • bei Kontraindikation oder Unverträglichkeit oraler Kontrazeptiva zur Behandlung von Hirsutismus und androgeninduzierter Alopezie

Inositol

  • zur Zeit noch experimentelle Therapie (aber zunehmende Hinweise auf Wirksamkeit)

Behandlung der Infertilität:

Häufig wird ein PCOS erst bei unerfülltem Kinderwunsch diagnostiziert und erfordert dann häufig eine spezifische Behandlung zur Förderung des Eisprungs. Grundsätzlich sollten betroffene Frauen alles vermeiden, was einer Schwangerschaft zusätzlich im Wege stehen könnte. Das bedeutet Rauchverzicht, Gewichtskontrolle, ausreichender Schlaf und Vermeidung von Stress.

Induktion des Eisprungs (bei anovulatorischem Zyklus)

  • Letrozol als Mittel der ersten Wahl bei anovulatorischer Infertilität
  • Clomiphen als Mittel der zweiten Wahl (von Vorteil evtl. bei BMI ≥ 30 kg/m2, aber erhöhtes Risiko von Mehrlingsschwangerschaften)
  • Metformin in Kombination mit Clomiphen
  • bei Therapieversagen evtl. auch Gonadotropine (plus Metformin)
  • In-Vitro-Fertilisation als mögliche Alternative bei weiter bestehender Infertilität
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Invasive und Interventionelle Therapie

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Prävention

Ein spezifische Prävention des PCOS ist nicht bekannt. Vermeidung von Übergewicht und Adipositas kann aber unter Umständen zur Prävention beitragen.

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Leitlinien

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