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Abgesagt, geschlossen, verschoben – Coronavirus macht Veranstaltungen zu riskant

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Anreise überflüssig: Im März begann wegen SARS-CoV-2 das Annullieren von Ärztetreffen. Anreise überflüssig: Im März begann wegen SARS-CoV-2 das Annullieren von Ärztetreffen. © iStock/pikepicture; MT
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Rasant steigende Fallzahlen von Corona-Infektionen und COVID-19-Erkrankungen haben das Leben in Deutschland verändert. Die Auswirkungen für Wirtschaft und Beschäftigte sind gravierend. Die Regierung versucht, die Schäden zu mindern.

Abgesagt wegen der Infektionsgefahr mit SARS-CoV-2: die regionalen Hausärztetage in Münster, Frankfurt und Stuttgart, die Frühjahrstagung der Onkologen, das Frühlingsfest des Verbandes der Ersatzkassen, der Politische Abend des PKV-Verbandes. Verschoben: der Deutsche Pflegetag, der 31. Deutsche Schmerz- und Palliativtag, der 61. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. Das sind nur Beispiele.

Weitere Kongresse, Tagungen und Fortbildungen werden folgen. Die Frage lautet nun: Wie lange wird das so weitergehen? Den ganzen April oder gar noch länger? Das K.-o.-Kriterium von mehr als 1000 Veranstaltungsteilnehmern, wie es zunächst vom Krisenstab des Bundesinnen- und des Bundesgesundheitsminis­teriums empfohlen und von den Landessozialminis­tern angeordnet wurde, schrumpfte jedenfalls schnell. Berlin hat alle öffentlichen und nicht öffentlichen Veranstaltungen ab 50 Teilnehmern untersagt, Kitas und Schulen bis erst einmal Mitte April geschlossen. Andere Bundesländer reagierten ähnlich.

Zum Schutz der Hausärzte und des Praxispersonals

Der Haus­ärzteverband Hessen schrieb zur Absage seines Hausärztetages noch etwas trotzig: „Dies geschieht nicht aufgrund der derzeitigen Massenhysterie um eine vermeintlich hochgefährliche Erkrankung, sondern dient dem Schutz der Haus­ärzte und deren Praxispersonal sowie der hausärztlichen Versorgung.“ Mittlerweile wird die Lage so ernst gesehen, dass sogar die Bundeswehr, Ärzte im Ruhestand und Medizinstudierende als Unterstützung für die Beschäftigten in den Krankenhäusern in Betracht gezogen werden. Diese klagten schon vor der Coronakrise, sie seien am Limit.

Um welche Kos­ten es bei den Veranstaltungsabsagen geht, deutet das Beispiel des gestrichenen Haus­ärztetages in Stuttgart an. Der Haus­ärzteverband Baden-Würt­temberg schätzt die Kosten auf 40 000 bis 50 000 Euro. Wie viel davon er tragen muss, werde sich erst nach der endgültigen Zusammenstellung aller Posten zeigen.

Auch die Kammern stoppen Treffen. So hat z.B. die Sächsische Landes­ärztekammer alle eigenen Veranstaltungen für Ärzte und medizinisches Personal abgesagt. Externen Anbietern empfiehlt sie die Stornierung medizinischer Veranstaltungen.

Alternativ Onlinekurse und Videokonferenzen

Die Landesärztekammer Rheinland-Pfalz streicht ihre Vertreterversammlung im April. Nun will man mit Telefonkonferenzen und E-Mail-Umlaufverfahren „wichtige innerärztliche und berufspolitische Entscheidungen kurzfristig ermöglichen“.

Wohl dem Veranstalter, der schnell eine digitale Alternative anbieten kann, wie der health innovation hub des Bundesgesundheitsministeriums. „Up­date: Der DiGA Summit findet statt, aufgrund von COVID-19 jedoch als vollständig virtuelles Event“ steht auf der Webseite.

Allerdings bietet sich eine Online-Alternative nicht immer an. So hat z.B. der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft seine Internationale Regulierungskonferenz abgesagt. Wie in dessen Magazin zu lesen ist, sind Unternehmen nur selten gegen Seuchen abgesichert, weil sich die Folgen einer Pandemie schwer kalkulieren lassen.

Zwar gebe es Policen, die Ertragsausfälle aufgrund von Betriebsunterbrechungen abdecken, und auch welche, mit denen sich Veranstalter gegen den Ausfall von Konzerten oder Messen wappnen könnten, erklärt Fabian Konopka, Experte von Funk Versicherungsmakler in Hamburg. Die Produkte deckten jedoch standardmäßig nur Schäden durch Brand, Diebstahl, Sturm oder sons­tige Naturgefahren ab.

Wie entscheidet das Gesundheitsamt?

Viele Veranstalter sorgen sich, dass sie auf Kosten sitzen bleiben und in Existenz­nöte geraten. Das kann durchaus passieren. Wie Dr. Jörg Wernery und
Katharina Müller von der Aachener Kanzlei D H&K mitteilen, kommt es bei Schadenersatzansprüchen darauf an, wer die Veranstaltung absagt. Veranlasst dies der Veranstalter aus Sorge um die Gesundheit der Besucher, haben alle Ticketkäufer Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises. Aussteller können dann auch verlangen, ihre Standgebühren ersetzt zu bekommen.

Das Bundeswirtschaftsministerium informiert

Das Kurzarbeitergeld wird flexibler. Unternehmen können es künftig unter erleichterten Voraussetzungen erhalten. So kann Kurzarbeitergeld u.a. bereits dann beantragt werden, wenn 10 % der Beschäftigten vom Ausfall aufgrund der Pandemie betroffen sind. Die Liquidität von Unternehmen wird durch steuerliche Maßnahmen verbessert. Zu diesem Zweck wird die Stundung von Steuerzahlungen erleichtert, Vorauszahlungen können leichter abgesenkt werden. Auf Vollstreckungen und Säumniszuschläge wird im Zusammenhang mit den Corona-Auswirkungen verzichtet. Die Liquidität von Unternehmen wird durch neue, im Volumen unbegrenzte Maßnahmen geschützt. Dazu werden die bestehenden Programme für Liquiditätshilfen ausgeweitet und für mehr Unternehmen verfügbar gemacht, etwa die KfW- und ERP-Kredite. Je länger die Epidemie anhält, desto stärker werden sich Auswirkungen zeigen. Das Bundeswirtschaftsministerium wagt dazu gegenwärtig noch keine Abschätzung. Coronavirus: Arbeitsrechtliche Auswirkungen » (Bundesministerium für Arbeit und Soziales)

Anders ist es, wenn das Gesundheitsamt wegen „höherer Gewalt“ – wie aktuell wegen der Infektionsgefahr durch SARS-CoV-2 – eine Veranstaltung absagt. Dann sind Schadenersatzansprüche gegen den Veranstalter ausgeschlossen. Dann kann z.B. ein Referent einer Fortbildungsveranstaltung die (Stornierungs-)Kosten für ein selbstgebuchtes Hotelzimmer nicht mehr beim Veranstalter geltend machen. Wird eine Veranstaltung nicht abgesagt, sondern verschoben, bleibt dem Veranstalter ein Recht auf Anpassung des Vertrags gegenüber den Kunden, erklären die Juristen. „Der Vertrag bleibt bestehen, sodass sich an den grundsätzlichen Vergütungspflichten nichts ändert, sprich: Eine Erstattung der Kosten für die Tickets erfolgt nicht. Die Anpassung geschieht in Bezug auf das Datum.“ Sei eine Verschiebung aufgrund der Art der Veranstaltung, insbesondere bei dichter Terminlage, nicht möglich, könne sich der Veranstalter durch Rücktritts- oder Kündigungserklärung vom Vertrag lösen. Drohenden Firmenpleiten wegen COVID-19-Einbußen will der Staat entgegenwirken. Bei kurzfristigen Liquiditätsproblemen können z.B. Bürgschaften und Betriebsmittelkredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau helfen. Beschäftigte können ggf. Kurzarbeitergeld beziehen. Auch die EU will kurzfristig für die Bekämpfung des Virus und dessen wirtschaftlichen Folgen 25 Mrd. Euro bereitstellen.

Medical-Tribune-Bericht

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