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Bodyguards für die Retter

Aus der Redaktion Autor: Birgit Maronde

© MT
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Es ist fast schon Normalität geworden: Sanitäter und andere Einsatzkräfte werden bedrängt, beschimpft, bespuckt und sogar geschlagen. Der banale Grund kürzlich in Arnsberg: der Rettungsdienst hatte im Einsatz ein Auto „zugeparkt“.

Was geht hier vor? Wie ist es zu erklären, dass verbale und körperliche Gewalt gegenüber Menschen, die helfen und Leben retten wollen, in Deutschland immer weiter zunimmt? Dass Rettungseinsätze behindert, Rettungswagen umgeparkt und im Zweifel seine Reifen aufgeschnitten werden? Sich auf die Blödheit einiger weniger zu berufen, erscheint angesichts des seit einigen Jahren zunehmenden Trends sicher nicht ausreichend.

Fakt ist, dass die (verbale) Aggressivität in weiten Teilen der Gesellschaft zunimmt. Der Respekt vor anderen Menschen – Grundvoraussetzung für ein funktionierendes Gemeinwesen – schwindet. Und das nicht nur im Netz und in der politischen Debatte, sondern eben auch im Alltag. Die Hemmschwelle, Gewalt anzuwenden und sie gutzuheißen, sinkt, erklärte schon 2017 der Bielefelder Sozialpsychologe Professor Dr. Andreas Zick. Die Menschen würden Aggression für legitim halten, weil in unserer Gesellschaft jeder dafür sorgen müsse, dass er weiterkomme. Die resultierenden Opfer würden nicht mehr gesehen.

Bei Übergriffen im Rettungsdienst sind die nicht gesehenen Opfer vor allem die Patienten. Ärzte und Sanitäter halten im wahrsten Sinne des Wortes als Punchingball für die gesellschaftliche Fehlentwicklung her. Den Tätern sind sie höchst willkommen, schließlich ist Widerstand von ihnen nicht zu erwarten.

Mit Widerstand, egal von welcher Seite, wäre aber womöglich dem Spuk rasch ein Ende gesetzt. Widerstand, jedes Ereignis dieser Art medial zu hypen und so potenzielle Nachahmertäter auf dumme Gedanken zu bringen. Widerstand durch Passanten, die statt zu gaffen für ungehinderten Zugang zum Verletzten bzw. Patienten sorgen. Widerstand durch die Strafverfolgungsbehören, die dafür sorgen, dass den Tätern rasch der Prozess gemacht wird. Und vielleicht auch Widerstand in Form eines respekteinflößenden Bodyguards, der im Rettungswagen mitfährt. Hoffen wir, dass Letzterer nicht irgendwann Wirklichkeit werden muss.

Birgit Maronde
Chefredakteurin Medical Tribune

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