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Praxiskolumne Einmal protestiert – das war's jetzt?

Autor: Dr. Günter Gerhardt

Der Protest muss nachhaltig fortgesetzt werden. Der Protest muss nachhaltig fortgesetzt werden. © Photographee.eu – stock.adobe.com
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Die KVen hatten gerufen – und die Ärzte und ihre MFA kamen in Scharen!

Das war auf jeden Fall bei uns in Rheinland-Pfalz so. Und auch in den anderen KV-Regionen fanden engagierte Protestmaßnahmen statt. Nach Jahrzehnten der Enthaltsamkeit wurde endlich mal wieder protestiert. Ein Streik war das natürlich nicht – streiken dürfen wir ja nicht, das war der Deal in den 1950ern: Sicherstellungsauftrag für Verzicht auf Streikrecht. 

Wie auch immer. Stein des Anstoßes der Proteste war die Ankündigung unseres Gesundheitsministers Prof. Dr. Karl Lauterbach, die Neupatientenregelung – der Einstieg in die Entbudgetierung – zu kippen. Eingeführt wurde die Neupatientenregelung 2019 auf Drängen der SPD als eine Art Ersatz für die Bürgerversicherung: Gesetzlich versicherte Patienten sollten genauso schnell einen Arzttermin bekommen wie Privatpatienten. Dafür hatte der Gesetzgeber die Budgetierung ausgesetzt und die vollständige Vergütung für Leistungen für Neupatienten zugesichert.

Mittlerweile gehört diese Regelung zur Geschichte. Doch man ist sich allenthalben einig: Der Protest muss nachhaltig fortgesetzt werden. Über das „Wie“ wird derzeit noch diskutiert. Die Fortsetzung des Protests ist notwendig: Erstens, um kurzfristig feste und angemessene Honorare zu bekommen und die Wirtschaftlichkeit unserer Praxen wiederherzustellen. Und zweitens, um eine Systemwende einzuleiten, also ein anderes System als das im SGB V geregelte zu erreichen. Im aktuellen Konstrukt sind wir, d.h. unsere Selbstverwaltung, ohnmächtig gefangen. Jede Forderung nach verlässlicher Bezahlung unserer Leistungen ohne Budgetierung bleibt letztlich doch wieder im Gestrüpp des SGB V hängen. 

Das immer wieder gleiche Spiel – die KBV verhandelt unter SGB-V-Bedingungen und erwirkt am Ende eine 2%ige Honorarsteigerung und die Länder-KVen hoffen, ebenfalls unter SGB-V-Bedingungen, auf ein besseres regionales Verhandlungsergebnis – das muss ein Ende haben. Dann verzichten wir eben auf den sowieso löchrig gewordenen Sicherstellungsauftrag, wandeln die KVen um in eine Gewerkschaft und können dann kämpfen wie beispielsweise die Lokführer! 

Eine schöne Vorstellung. Ein solcher Weg kann aber nur erfolgreich gegangen werden, wenn wir es schaffen, unsere Patienten einzubinden. Wenn wir es schaffen, unsere Patienten wirklich zu informieren, werden diese nämlich schnell eine große Interessensschnittmenge von Ärzten und Patienten bemerken. So hat sich die gut organisierte Landesseniorenvertretung in Rheinland-Pfalz öffentlich solidarisch mit dem Brief der KBV an Prof. Lauterbach zur damals noch geplanten Rückabwicklung des TSVG geäußert. 

Ohne Aufklärung darüber, was sich etwa hinter dem TSVG verbirgt, hätte das nicht funktioniert. Bei aufgeklärten Patienten muss man nicht um Solidarität buhlen – sie ist sofort da. Weil die Vor- bzw. Nachteile, die bestimmte Entscheidungen den Patienten bringen, für alle auf der Hand lagen. 

Eine solche Kooperation zwischen Ärzten und Patienten muss im ganzen Land installiert werden. So wäre es möglich, schnell eine breite Öffentlichkeit herzustellen, die gerade jetzt notwendig ist. Unser Land, unsere Bevölkerung wird derzeit von Krisen gebeutelt: Corona, Ukraine, Energie, Inflation. Deren Auswirkungen auf die medizinische Versorgung muss jetzt einer breiten Öffentlichkeit erklärt werden. So wird politischer Handlungszwang erzeugt. 

Mit dem geplanten Stufenmodell – extrabudgetäre Zuschläge, wenn Praxen neue Patienten annehmen, die durch die Terminservicestelle oder eine Hausarztvermittlung zum Facharzt gelangen, dafür bekommt der Hausarzt 15 Euro – versucht man gerade, uns zu beruhigen. Aber: Es ist wieder nur Flickschusterei. Die Politik argumentiert, das Gesetz diene als Brücke, bis größere Strukturreformen angegangen werden. Okay, liebe Kolleginnen und Kollegen: Lassen Sie uns diese Reform ohne SGB-V-Fesseln und zusammen mit unseren Patienten auf den Weg bringen.

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