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Senioren – ein Kostenproblem für die Onkologie?

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Das Lebensalter der Menschen steigt und viele Senioren genießen das – auch dank guter Medizin. 
Das Lebensalter der Menschen steigt und viele Senioren genießen das – auch dank guter Medizin. © Fotolia/Ljupco Smokovski
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Immer älter, immer kränker, immer teurer – werden Senioren zum Problem in der Onkologie? Darüber diskutierten die Teilnehmer der diesjährigen DGHO-Frühjahrstagung.

Alexander Gebauer, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentralen Klinischen Krebsregister Mecklenburg-Vorpommern, zugehörig zur Universität Greifswald, berichtete bei der Frühjahrstagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) über eine Hochrechnung zu Krebserkrankungen im Jahr 2025. Demnach wird die Bevölkerung um 224.500 Personen gegenüber 2014 zunehmen, Frauen sind dabei leicht in der Überzahl. In der Altersgruppe 80+ ist der hinzukommende Frauenanteil allerdings fast 50 % höher als der der Männer.

Es wird mit 63.400 zusätzlichen Krebsneuerkrankungen im Vergleich zu 2014 gerechnet. Allein bei Pro­statakrebs wird von einer Zunahme von fast 10.000 Neuerkrankungen ausgegangen. (Zur Einordnung: Nach Angaben des Krebsinformationsdienstes erkrankten 2014 in Deutschland 476.120 Menschen neu an Krebs.)

Hohe Kosten vor allem durch Multimorbidität

„Bei der Entwicklung der Gesundheitsausgaben spielt die Alterung nur eine verhältnismäßig kleine Rolle.“ Darauf wies Professor Dr. Reinhard Busse vom Fachgebiet Management im Gesundheitswesen der TU Berlin hin. Im Schnitt sind ältere Krebspatienten zwar teurer, weil sie häufiger krank sind, ihre Behandlung ist aber nicht kostenintensiver als bei Jüngeren.

Beim Pro-Kopf-Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt zeigt sich für das Alter 52 bis 87 Jahre ein steter Anstieg, erst danach sinkt er wieder leicht. Verursacht werden die hohen Kosten vor allem durch die Multimorbidität. Häufig müssen Depression, Herzerkrankungen, COPD oder Krebs gleichzeitig behandelt werden.

Vor der Therapie geriatrisches Assessment einsetzen

Bedeutet das, wenn künftig mehr Menschen 90 oder 100 Jahre alt werden, dass auch die Gesundheitsausgaben entsprechend steigen? Nein, sagt Prof. Busse, denn die Menschen leben zugleich gesünder, was sich in „disability-adjusted life years“ (behinderungsbereinigte Lebensjahre) ausdrücke. Dass auch die Ausgaben für Menschen hoch sind, die – nach schwerer Krankheit – in jungen Jahren versterben, relativiert zudem die Ausgaben für ältere Patienten.

Professor Dr. Carsten Bokemeyer vom Universitären Cancer Center am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf sieht die ger­iatrische Onkologie als wachsendes Aufgabenfeld. Der Grund: Die Hälfte aller Krebsfälle wird bei Personen über 65 Jahre diagnostiziert. Mehr als 50 % der Tumoren bei Patienten über 65 Jahre liegen im fortgeschrittenen Stadium vor und mehr als 60 % der tumorbedingten Todesfälle treten in dieser Altersgruppe auf.

Der Vorstandsvorsitzende der DGHO machte deutlich, dass selbst innerhalb gleicher Jahrgänge eine große Heterogenität hinsichtlich des biologischen Alters und Gesundheitszustandes der Patienten besteht.

Vor einer Krebstherapie sollten deshalb drei Fragen geklärt werden:

  • Wer behandelt? (Welche Klinik und Praxis ist für den Patienten gut erreichbar?)
  • Wie wird behandelt? (Welche Therapie kommt als am wenigsten toxisch infrage?)
  • Welches Ziel wird (unter Beachtung der Wahrscheinlichkeit des krebsspezifischen Überlebens gegenüber dem Gesamtüberleben) verfolgt?

Zur Beantwortung der Wer-Frage rät Prof. Bokemeyer zum geriatrischen Assessment, denn beispielsweise hätten Männer mit fortgeschrittener Tumorerkrankung und schlechtem Ernährungszustand ein 2,7-fach höheres Risiko unter der Therapie zu versterben. Bei eingeschränkter Mobilität sei das Risiko 2,5-fach höher.

Bezüglich der Toxizität hält es der Spezialist u.a. für notwendig, auf negative Einflüsse durch einen reduzierten Allgemeinzustand, Komorbiditäten und nachlassende Nierenfunktion zu achten. Zeichen der Gebrechlichkeit (ADL-Einschränkung), eine Selbsteinschätzung des Patienten als „wenig belastbar“ sowie bestimmte Laborparameter (CPR steigend, Albumin sinkend) sieht er mit schlechtem krebsspezifischem Überleben assoziiert.

Krebs als chronische Erkrankung wird die Sicht auf die Kosten ändern

Wer kümmert sich künftig um die Krebspatienten? Ein Drittel mehr Patienten 2025 in der Onkologie sei im jetzigen Fachärzteniveau nicht abgebildet, sagte Prof. Bokemeyer. Er hofft auf mehr Telemedizin und digitale Lösungen zur Unterstützung.

Von den jährlich 360 Mrd. Euro Gesundheitsausgaben in Deutschland fließen 23 Mrd. in die Onkologie. Von den 36 Mrd. Euro Arzneimittelausgaben werden 5 Mrd. Euro für die Krebsbehandlung eingesetzt. „Krebs betrifft 45 % aller Menschen und 20 % sterben an Krebs“, sagte Prof. Bokemeyer. Sei da die Krebsmedizin wirklich überbilanziert?

Prof. Busse ist überzeugt, dass sich die Sicht auf die Onkologiekosten ändern wird, da Krebs immer mehr zu einer chronischen Erkrankung wird. Allerdings werde man wegen der enorm steigenden Arzneimittelkosten vielleicht doch prüfen müssen, ob nicht eine Kosten-Nutzen-Bewertung notwendig ist.

Zumindest könne man erst einmal einen Wert ermitteln, sagte Prof. Busse mit Verweis auf Finanzierungsobergrenzen wie die „Qalys“ in Großbritannien. Ob aus den Ergebnissen denn Konsequenzen folgen sollten, müsse die Gesellschaft diskutieren.

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