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Praxiskolumne Von Homöopathie und echten Scharlatanen

Autor: Sebastian Alsleben

Die Wirksamkeit der Homöopathie ist über den Placeboeffekt hinaus in Studien nicht belegbar. Die Wirksamkeit der Homöopathie ist über den Placeboeffekt hinaus in Studien nicht belegbar. © urika – stock.adobe.com; MT
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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will die Homöo­pathie als Kassenleistung streichen. Gut so!

Jetzt könnte man meinen: Wieder einer dieser jungen Ärzte, die außer evidenzbasierter Medizin nichts gelten lassen wollen. Doch darauf möchte ich gar nicht hinaus. Es geht mir um Verhältnismäßigkeit, Transparenz – und Gefahren, die ganz woanders lauern. 

Aber der Reihe nach. Die Entscheidung von Lauterbach, die Homöopathie als Satzungsleistung zu streichen, ist eine vernünftige und begrüßenswerte Maßnahme. Die Homöopathie basiert auf Prinzipien, die mit dem Stand der Wissenschaft nicht vereinbar sind. Ihre Wirksamkeit über den Placeboeffekt hinaus konnte in zahlreichen Studien nicht nachgewiesen werden. Von der Allgemeinheit finanzierte Gesundheitsressourcen sollten aber auf Verfahren konzentriert werden, die nachweislich effektiv sind. Und da gibt es so einige Sachen, deren Übernahmen deutlich wichtiger wären. Etwa im gynäkologischen Bereich, wo sinnvolle Leistungen ab einem gewissen Alter oder in der Schwangerschaft bislang nicht von den Kassen bezahlt werden. Wer heilt, hat recht? Fair ­enough. Aber wer mehr heilt, hat mehr Rechte, oder nicht?

Dennoch halte ich die Homöopathie nicht für Scharlatanerie. Mittlerweile sollte eigentlich jeder wissen, dass es keinen Wirknachweis gibt. Die Hersteller ebenso wie die Kunden. Falsche Heilsversprechen gibt es daher selten. Ich denke: Wenn es Menschen in gewissen Lebenslagen hilft, sollen sie ruhig darauf zurückgreifen. Sofern dadurch keine eigentlich indizierte Behandlung unterbleibt. Und eben auf eigene Kosten.

Unsere Energie sollten wir vielmehr auf Fälle richten, in denen Menschen tatsächlich hinters Licht geführt werden, um mit haltlosen medizinischen Behauptungen Geld zu machen. Einen großen Raum dafür bieten leider die sozialen Medien. Hier kann jeder selbsternannte Experte Empfehlungen für Therapien und präventive Maßnahmen aussprechen und so die Angst der Menschen vor Erkrankungen instrumentalisieren.

Das Schockierende daran: Teilweise folgen hunderttausende Leute Accounts, die Dinge posten wie: „Kaufe mit diesem Rabattcode das weltbeste Vitamin D von der Marke XY“. Manche gehen noch einen Schritt weiter und verbreiten unter dem Deckmantel medizinischer Aufklärung Verschwörungstheorien. Das beginnt dann mit: „Was dir kein Arzt sagt: …“ – Bestell-Link für ein Nahrungsergänzungsmittel inklusive.

Wir Ärztinnen und Ärzte in den sozialen Medien versuchen, dagegen anzukämpfen, indem wir auf diese Beiträge etwa per Video-Antwort reagieren. Ob das ausreicht, einer ganzen Community mit tausenden von fehlinformierten Menschen entgegenzutreten? Fraglich. Zumal wir uns – im Gegensatz zu den schwarzen Schafen im Netz – an strenge Regeln halten müssen. Als Arzt lehnt man sich ja schon zu weit aus dem Fenster, wenn man im Patientengespräch eine bestimmte Creme empfiehlt. Die Gründe für diese Regeln sind nachvollziehbar. Dennoch darf es meiner Meinung nach nicht passieren, dass wir gegen eine Flut an falschen medizinischen Behauptungen ankämpfen und dabei auch noch Gefahr laufen, selbst an den Pranger gestellt zu werden.

Helfen Sie mit, weiter aufzuklären und der medizinischen Scharlatanerie entgegenzutreten. Wie so oft sollten wir dabei geschlossen auftreten und uns nicht wegen Nichtigkeiten voneinander entfernen. Ob Sie an die Homöopathie glauben oder nicht, ist dabei doch erst einmal zweitrangig.

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