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Praxiskolumne Es geht uns nicht nur ums Geld

Autor: Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth

Die Investitionen in die haus­ärztliche Versorgung halten mit der immer weiter steigenden Nachfrage nicht Schritt. Die Investitionen in die haus­ärztliche Versorgung halten mit der immer weiter steigenden Nachfrage nicht Schritt. © Nuthawut – stock.adobe.com
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Die Investitionen in die hausärztliche Versorgung halten mit der steigenden Nachfrage nicht Schritt.

„Die Komplexität des EBM zwingt uns in die Knie ...“, „Immer mehr Hausarztpraxen in meiner Umgebung machen dicht, ich weiß nicht mehr, wie ich die Patientinnen und Patienten alle noch versorgen soll ...“, „Ich mache mir Sorgen, dass inves­torenfinanzierte MVZ zunehmend die Versorgung übernehmen ...“, „Der Bürokratiewahnsinn macht eine gute Versorgung immer schwieriger ...“ – das sind nur einige der Sorgen und Nöte, die meine hausärztlichen Kolleginnen und Kollegen in ihren Videos auf der Protestseite des Haus­ärztinnen- und Hausärzteverbandes diese-praxis-wuerde-fehlen.de thematisieren. 

Wer sich die Videos anschaut oder den Kolleginnen und Kollegen vor Ort zuhört, stellt sofort zwei Dinge fest: Zum einen ist die Stimmung in den Praxen so schlecht wie seit sehr langer Zeit nicht mehr. Zum anderen geht es eben nicht nur ums Geld, sondern darum, dass die hausärztliche Versorgung in einer finanziellen, aber eben auch in einer versorgungspolitischen Krise steckt. 

Stimmung so schlecht wie lange nicht mehr

Fangen wir mit dem lieben Geld an. Die Investitionen in die haus­ärztliche Versorgung halten mit der immer weiter steigenden Nachfrage nicht Schritt. Diese Entwicklung lässt sich bereits seit vielen Jahren beobachten. Was aktuell dazu kommt, sind die extremen Kostensteigerungen für Miete, Personal, Energie usw., mit denen die Praxen, anders als die Krankenhäuser, allein fertig werden müssen. 

Damit haben alle Praxen zu kämpfen, in einigen Regionen ist die Lage jedoch so zugespitzt, dass es wirklich ans Eingemachte geht. Beispiel Hamburg: Dort sind Fallwerte von unter 45 Euro keine Seltenheit – vor allem wegen der massiven Budgetierung! So lässt sich heutzutage keine Praxis mehr betreiben. Darum braucht es jetzt endlich die zigmal versprochene Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen. Ansons­ten geht das Praxissterben ungebremst weiter. Übrigens: Ohne die HZV wäre die Lage vielerorts noch viel angespannter als ohnehin schon. Sie ist unser Rettungsanker.

Die Versorgungskrise ist nicht weniger dramatisch. Immer weniger Hausärztinnen und Hausärzte müssen immer mehr Patientinnen und Patienten versorgen. Die Folgen kann ich jeden Montagmorgen vor meiner Praxistür beobachten. Dort wird die Schlange kontinuierlich länger. Für den einzelnen Patienten bleiben bei dem Pensum dann nur noch wenige Minuten. 

Aber ist das in Zeiten des demografischen Wandels überhaupt lösbar? Ja, definitiv – auch wenn dicke Bretter gebohrt werden müssen! Unser Gesundheitssystem ist geradezu überfrachtet mit sinnlosen Strukturen und Aufgaben, die uns die Zeit rauben und die Versorgung so mühsam machen. Ein einfaches Beispiel: Jedes Quartal sind die Praxen gezwungen, unzählige Chroniker zweimal einzubestellen – nicht aus medizinischen, sondern aus formalen Gründen. In Zeiten, in denen Ressourcenschonung eigentlich das Leitmotiv sein sollte, eine vollkommen absurde Regelung. Nicht nur in diesem Punkt muss der versorgungsfeindliche EBM endlich durchgespült werden. Die vielleicht wichtigste Maßnahme aber ist und bleibt: Ohne eine massive Stärkung eines Primärarztsystems, wie wir es mit der HZV schon haben, wird es nicht mehr lange gut gehen. 

Wer die Krise der hausärztlichen Versorgung immer noch nicht ernst nimmt, dem empfehle ich mal eine Hospitation an einem Montagmorgen in einer hausärztlichen Versorgerpraxis. Oder zumindest ein Ohr für die Stimmen aus den Praxen auf der Protestseite des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes.

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