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Praxiskolumne Die Zukunft liegt in Betreuteams

Autor: Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth

Die hausärztliche Versorgung wird in Zukunft  durch Betreuteams verschiedener Mitarbeiter*innen gestemmt werden. Die hausärztliche Versorgung wird in Zukunft durch Betreuteams verschiedener Mitarbeiter*innen gestemmt werden. © ink drop – stock.adobe.com
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Der Anteil der angestellten Ärztinnen und Ärzte in der vertragsärztlichen Versorgung steigt stetig an. Mittlerweile sind bereits 30 % der Ärzt*innen in der Versorgung in Anstellung tätig. Die Zahl der Niedergelassenen ist dagegen in den vergangenen zehn Jahren um ca. 13 % zurückgegangen.

Damit gehen dem System vor allem jene Ärztinnen und Ärzte verloren, die besonders viele Stunden tätig sind. 

Neben der demografischen Struktur wandelt sich auch die Arbeitswelt. Work-Life-Balance rückt mehr in den Fokus. Egal, ob angestellt oder selbstständig: Der Trend zur Teilzeit ist deutlich erkennbar. Medizinstudierende geben in Umfragen an, dass sie lieber angestellt als selbstständig arbeiten möchten. Angesichts dieser Trends steigt die benötigte Arztzeit, das heißt, es werden immer mehr Ärztinnen und Ärzte gebraucht, um das Versorgungsniveau aufrechtzuerhalten, so die Befürchtung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Ob die schleppend in Gang kommende Digitalisierung in der Lage sein wird, die drohenden Lücken zu schließen, ist fraglich. Meiner Meinung nach wird eine Lücke bleiben, eine Lücke, die es nur gelingt zu schließen, wenn wir Workflows völlig neu denken. 

Zunächst einmal sollten wir mit dem Jammern aufhören. Egal, ob angestellt oder selbstständig: Wer an der hausärztlichen Versorgung teilnimmt, ist Teil eines zukünftigen Betreuteams aus Künstlicher Intelligenz, Angestellten, Niedergelassenen, Physician Assistance, VERAH, MFA, Praxishilfen. Der künftige Workflow muss so organisiert sein, dass allem voran die Frage steht: Welches ist die richtige Versorgungsebene, kann das möglicherweise sogar digital abgearbeitet werden oder muss ein persönlicher Kontakt stattfinden? 

Sicher ist es schön, wenn sich auch künftig möglichst viele jungen Kolleginnen und Kollegen die Niederlassung zutrauen. Aber wir müssen aufhören, den Eindruck zu erwecken, nur niedergelassene Kolleg*innen seien vollwertige Mitglieder der haus­ärztlichen Versorgung. 

Die einzige Chance, künftig noch eine zukunftsfähige ambulante Versorgung für alle in der Fläche hinzubekommen, sind interprofessionelle Betreuteams. Und wenn wir zukünftig in Betreu- oder Versorgungsteams denken, muss klar sein, dass jemand diese organisieren muss. Denn eine Praxis mit angestellten Ärzt*innen Physician Assistance, VERAH, NäPA und medizinischen Fach­angestellten braucht Dienstpläne, die Terminplanung muss stimmen, Personalausfälle müssen kompensiert werden, Rücksprachefenster und Fallbesprechungen brauchen Raum und Zeit. Und wenn ich keine Praxispartnerin mehr bekomme, muss ich eine angestellte Ärztin bezahlen und eine Physician Assistance gleich dazu.

Die Diskussionen dürfen sich nicht mehr nur darum drehen, wer z.B. Sonografien durchführt. Politik und Kostenträger müssen sich vielmehr damit beschäftigen, wie Versorgung überhaupt noch organisiert stattfinden kann. Praxisinhaber*innen sind in der Haftung für die Qualität der Leistung des Betreuteams, sie müssen künftig mehr Schnittstellen bedienen, mehr Geld in Personal investieren. Dafür ist es eine unabdingbare Voraussetzung, dass Teamleistungen adäquat vergütet werden. Eine Abwertung von Leistungen, die nicht-ärztlich erbracht werden, wäre für die künftige Versorgung in interprofessionellen Teams ein Show­stopper. Die Kostenträger dürfen daher nicht mit verkrusteten Honorarstrukturen argumentieren – das hat auch etwas mit Wertschätzung gegenüber den Angestellten in den Betreuteams zu tun. Ein Teamzuschlag für eine zukunftsfähige Versorgung wäre das richtige Signal.

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