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Praxiskolumne Weg mit dem frauenfeindlichen §219a!

Autor: Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth

Frauenkörper werden einer Kontrolle unterzogen, die für Männerkörper inakzeptabel wäre. Frauenkörper werden einer Kontrolle unterzogen, die für Männerkörper inakzeptabel wäre. © Robert Leßmann – stock.adobe.com
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Die Aufhebung des Werbeverbots ist ein Schritt in die richtige Richtung. Beim Schwangerschaftsabbruch selbst ist vielerorts allerdings ein Rückschritt zu sehen, wie unsere Kolumnistin berichtet.

Der 126. Deutsche Ärztetag hat sich für die Streichung des §219a StGB ausgesprochen und damit für die Aufhebung des Werbeverbots für den Schwangerschaftsabbruch. Es ist gut, dass dieser frauenfeindliche Paragraf, der 1933 ins Reichsstrafgesetzbuch aufgenommen wurde, endlich verschwinden soll. Wie zu allen anderen medizinischen Eingriffen auch können Patientinnen dann sachlich informiert werden und eine informierte Entscheidung treffen. Dies u.a. dank des Kampfes der Allgemeinmedizinerin Kristina Hänel, die sich Todesdrohungen von Abtreibungsgegner:innen ausgesetzt sah, weil sie auf ihrer Website über Schwangerschaftsabbrüche informierte. Ihre Tätigkeit wurde gar mit dem Holocaust verglichen. Praxen und Kliniken, die Abbrüche durchführen, können immer schwerer gefunden werden. Offenbar halten sich viele Ärztinnen und Ärzte von dem Thema, das strafrechtliche Konsequenzen haben könnte, lieber fern – auch weil sie sich vor persönlichen Bedrohungen fürchten.

In Deutschland ist ein Schwangerschaftsabbruch nach §218 StGB immer noch grundsätzlich rechtswidrig, anders als z.B. in Irland, wo nach einem Referendum im Jahre 2018 Frauen legal bis zur 12. Schwangerschaftswoche abtreiben dürfen. Doch trotz liberaler Ampelkoalition scheint sich im Gegensatz zum §219a bei der Abschaffung von §218 weiter nichts zu tun. Dabei führen res­triktive Gesetzte nirgendwo auf der Welt dazu, dass es keine Schwangerschaftsabbrüche gibt. So reisen z.B. viele polnische Frauen nach einer drastischen Verschärfung der Gesetzeslage ins benachbarte Ausland, um eine ungewollte Schwangerschaft zu beenden. Jährlich sterben etwa 47.000 Frauen, weil sie unter unsicheren Bedingungen abtreiben.

Weltweit scheint sich die politische Situation für die Frauen in den letzten Jahren wieder zu verschärfen. In den USA erwartet man mit Spannung die Entscheidung des Supreme Court, ob das Grundsatzurteil von 1973 (Roe v. Wade) einkassiert wird und damit Frauenrechte auf den Stand der 1950er-Jahre zurückfallen. Die Entscheidung hatte Frauen das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche uneingeschränkt und bis zur 24. Woche mit Einschränkungen eingeräumt. Dieses Recht ist ein „fundamentales“ Recht. Und deshalb formieren sich in den USA unter der Regie der demokratischen Senatorin Elisabeth Warren nun landesweite Proteste unter dem hashtag #weAreNotGoingBack. 69 % der amerikanischen Bevölkerung wollen laut Umfragen nicht, dass die geltende Gesetzeslage geändert wird. Senatorin Elizabeth Warren twitterte, „ein extremistisches oberstes Gericht“ wolle seine rechte Meinung dem Land überstülpen.

Dies hätte womöglich eine Signalwirkung über die USA hinaus. So wie die USA damals Vorbild für demokratische liberale Regierungen war, wäre das Urteil nun möglicherweise Vorbild für fundamentalistische, rechte Regierungen. Reproduktionsfragen sind eine Frage der Macht. Frauenkörper werden nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland nach wie vor durch Gesellschaft, Staat und Medizin einer Kontrolle unterzogen, die für Männerkörper inakzeptabel wäre. 

Interessant ein Statement des stellvertretenden bayrischen Minis­terpräsidenten Aiwanger: Für ihn gelte: „Die rote Linie, mein Köper, darüber entscheide ich selbst. Das letzte Wort liegt bei mir, das darf der Staat nicht überschreiten.“ Wer ihn jetzt im Lager der §218-Geger:innen begrüßen möchte und sich über Unterstützung aus Bayern freut, dass Frauen das Recht haben, über ihre Körper frei zu entscheiden, wird enttäuscht: Er wollte sich bloß nicht impfen lassen.

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