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Gewinner und Verlierer nach EBM-Reform: KBV reicht Honorardiskussion an KVen weiter

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Kassenabrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Das Honorar der Hausärzte steigt gerade mal um 1 %. Das Honorar der Hausärzte steigt gerade mal um 1 %. © iStock/MicroStockHub
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Die Empörung über die EBM-Reform hält bei vielen Ärzten an. Um die Gemüter zu besänftigen, veröffentlicht die KBV nun Berechnungen, die veranschaulichen, wo sich die Neuerungen auf das Honorargefüge auswirken. Gleichzeitig gibt sie den KVen einen Wink, wie sie die Reform juristisch korrekt torpedieren.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat reagiert. Nach der harschen Kritik, die sie sich von einigen Berufsverbänden wegen der Honorarverschiebungen im Rahmen der EBM-Reform anhören musste, veröffentlicht sie­ – zunächst intern – Simulationsergebnisse, die die Wirkung auf das Honorargefüge belegen sollen.

Zuvor erinnert die KBV nochmals daran, dass die Weiterentwicklung des EBM insgesamt punktsummenneutral erfolgen musste, der Gesetzgeber im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) aber zusätzlich die Förderung der sprechenden Medizin gefordert habe – und damit eine Absenkung der eher technisch geprägten Fächer. Dadurch sei es nicht zu vermeiden gewesen, dass einige Fachgruppen Honorarzuwächse verzeichnen, andere eine Absenkung hinnehmen müssen.

Nach den Simulationsberechnungen verzeichnen Allgemeinmediziner und hausärztliche Internisten Honorarzuwächse von 1 %, Kinder- und Jugendmediziner von 0,6 %. Deutlich anders sieht es bei einigen fachärztlichen Gruppen aus: Anästhesisten legen um 6,8 % zu, Kinder- und Jugendlichenpsychiater und -psychotherapeuten sowie Nervenärzte um 6,2 %, Neurologen und Psychiater um 4,1 bzw. 6,4 %. Bei den meisten übrigen Facharztgruppen sind die Steigerungsraten ähnlich mager wie in der Hausarztmedizin, so etwa in der Chirurgie, der Dermatologie, der Gynäkologie, der Orthopädie oder der Rheumatologie. Selbst die ärztliche und psychologische Psychotherapie ist betroffen. Der Psychosomatik ergeht es etwas besser (siehe Tabelle).

So verteilen sich Gewinne und Verluste der EBM-Reform
Fachgruppe
Gewinn in%
Fachgruppe
Verlust in %
Anästhesisten6,8Radiologie8,8
Psychiatrie6,4Strahlentherapie8,6
Kinder-/Jugendpsychiatrie
Kinder-/Jugendpsychotherapie
6,2Nuklearmedizin7,6
Angiologie6,4
NervenheilkundeGastroenterologie5,3
Neurologie4,1Pneumologie5,2
Psychosomatik4,0Kardiologie3,8
Psychotherapie2,5Allgemein-Internisten3,7
DermatologieEndokrinologen3,1
Urologie2,3Augenärzte (operativ)2,2
Neurochirurgie2,2Hämato-Onkologie1,7
Augenärzte (konservativ)2,0Nephrologie0,3
Rheumatologie1,3Mund-/Kiefer-/Gesichtschirurgie0,0
HNOPhysikalische/rehabilitative Medizin
Hausärzte1,0Mit der EBM-Reform sollten KBV und Krankenkassen die „sprechende Medizin“ aufwerten. Da alle Änderungen punktsummenneutral erfolgten, blieb es bei einer Umverteilung zwischen den Arztgruppen.

Quelle: KBV
Gynäkologen0,8
Orthopäden0,7
Pädiater0,6
Phoniatrie/Pädaudiologie0,3
Chirurgie0,1

Es ist ungewiss, ob die Zahlen repräsentativ sind

Der größte Verlierer der Reform sind Radiologen (-8,8 %), Strahlentherapeuten (-8,6 %) und Nuklearmediziner (-7,6 %). Deutliche Verluste erleiden auch die übrigen Bereiche der Inneren Medizin, angeführt von der Angiologie (-6,4 %), der Gastroenterologie (-5,3 %) und der Pneumologie (-5,2 %). Inwieweit diese Zahlen tatsächlich repräsentativ sind, lässt sich nur vermuten, da sich die Simulationsberechnungen auf die Auswirkungen auf den abgerechneten Leistungsbedarf gemäß regionaler Euro-Gebührenordnung beziehen. Sie können durch künftige Änderungen in der Mengenentwicklung beeinflusst werden. Die Berechnungen berücksichtigen laut KBV aber bereits die zusätzlichen Finanzmittel, die der Erweiterte Bewertungsausschuss für die Aufnahme der Dermatoskopie in die Leistung des Hautkrebsscreenings, die Förderung der Veranlassung des Chlamydienscreenings und die Höherbewertung der Urethrozystoskopie des Mannes aufgrund der Berücksichtigung des flexiblen Zystoskops festgelegt hat. Auch die strukturellen Änderungen durch die Neuaufnahme von Leistungen wurden in die Simulation aufgenommen.

KVen haben in der Umsetzung gestalterische Freiheiten

Denkwürdig sind die Ausführungen zu rechtlichen Konsequenzen, die regionalen KVen drohen, die die Bewertungsänderungen zum 1. April 2020 nicht adäquat in ihrem Honorarverteilungsmaßstab (HVM) berücksichtigen. Demnach habe sich die Rechtsprechung in der Vergangenheit häufiger mit der Frage beschäftigt, inwiefern Änderungen im EBM in der Honorarverteilung abzubilden sind. Ausgangspunkt der Rechtsprechung sei dabei stets gewesen, dass den KVen ein weiter Gestaltungsspielraum bei der Honorarverteilung zukomme. Zur Frage der Höherbewertung im EBM habe das Bundessozialgericht ausgeführt, dass der EBM nicht der Ausgestaltung des HVM in der Weise vorgelagert sei, dass Letzterer sich an den Vorgaben des EBM orientieren müsse. Das Bundessozialgericht habe sogar erklärt, dass Höherbewertungen im EBM nicht dazu verpflichten, im HVM Korrekturen bei den Honorarkontingenten vorzunehmen. Die KBV folgert aus diesen Rechtsquellen, dass eine regionale KV a priori nicht verpflichtet sei, Bewertungskorrekturen bei einzelnen Leistungen zum Anlass für Korrekturen hinsichtlich der Honorarkontingente der einzelnen Arztgruppen zu nehmen. Sie verweist hier konkret auf ein Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2000*. Aufgabe der Honorarverteilung sei es demnach, das Notwendige und Mögliche zur Gewährleistung einer angemessenen Vergütung zu tun und auf regionaler Ebene eintretende unerwünschte Verwerfungen zwischen einzelnen Arztgruppen und auch innerhalb einer Arztgruppe zu verhindern.

Reformansätze dürfen nicht völlig konterkariert werden

Höherbewertungen bestimmter ärztlicher Leistungen im EBM könnten auf Verteilungsaspekte innerhalb einer Arztgruppe beschränkt werden, wobei Reformansätze im EBM – wie vorliegend die Förderung der sprechenden Medizin – allerdings nicht vollständig konterkariert werden dürften. Umverteilungsaspekte, insbesondere zwischen den Arztgruppen, würden so gesehen dem Gestaltungswillen der KV obliegen. Die KBV erinnert zudem daran, dass EBM-Änderungen auch einer Beobachtungs- und Reaktionspflicht der KVen als Normgeber unterworfen sind, wobei nach geltender Rechtsprechung eine Reaktionspflicht bei der Honorarverteilung insbesondere dann greifen könne, wenn sich bei einer Arztgruppe eine honorarmindernd wirkende Quotierung von mehr als 15 % unter das sonstige Durchschnittsniveau ergibt und hiervon ein wesentlicher Leistungsbereich der Fachgruppe betroffen ist. Fazit: Die KBV gibt nach den heftigen Kritiken aus dem Bereich der regionalen KVen den „Schwarzen Peter“ jetzt dorthin weiter. Man wird dort – wie auch in der Vergangenheit z.B. bei der Einführung der Regelleistungsvolumina (RLV) – individuelle Verluste einzelner Praxen oder sogar einer ganzen Gruppe unter ein Niveau von höchstens 15 % ausgleichen müssen, will man den Zorn der Berufsverbände nicht auf sich lenken. Je nach Zusammensetzung der Vertreterversammlungen der zuständigen KVen könnte es dabei sogar zu HVM-Maßnahmen kommen, die diese EBM-Reform völlig neutralisieren oder ins Gegenteil verkehren. 

* BSG-Urteil vom 8.3.2000, Az.: B 6 KA 7/99 R

Medical-Tribune-Bericht

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