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Kommunaler Medizinbetrieb: Kleinstadt richtet sich ihr eigenes MVZ ein

Niederlassung und Kooperation Autor: Michael Reischmann

Neu gebaut: das Haus fürs MVZ Schwarzenborn. (Rechts: Jürgen Liebermann, Bürgermeister von Schwarzenborn) Neu gebaut: das Haus fürs MVZ Schwarzenborn. (Rechts: Jürgen Liebermann, Bürgermeister von Schwarzenborn) © privat
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Kommunale MVZ führen noch ein Nischendasein. Bürgermeister Jürgen Liebermann ist allerdings überzeugt davon, dass die „kleinste Stadt Hessens“ mit ihrem Medizinischen Versorgungszentrum die passende Lösung gefunden hat. Es stößt auf breites Interesse.

Die beurkundeten Stadtrechte Schwarzenborns stammen aus dem Jahr 1329. Die meis­ten Einwohner hatte das Städtchen im Schwalm-Eder-Kreis nach 1945, als Flüchtlinge und Vertriebene aus den früheren deutschen Ostgebieten dort einquartiert wurden. Heute leben rund 1500 Menschen hier; zusammen mit benachbarten Gemeinden sind es etwa 4000 bis 5000 Menschen, die das nagelneue MVZ der Stadt nutzen können, sagt Bürgermeister Jürgen Liebermann. Mittelzentren mit medizinischer Versorgung – Bad Hersfeld, Homberg/Efze oder Schwalmstadt – sind 20 bis 25 km entfernt.

2015 zeichnete sich in Schwarzenborn ab, was jetzt auch in den Nachbargemeinden auftritt, berichtet Liebermann: Die ansässige Hausarztpraxis blieb ohne Nachfolger. Da ein Arzt am Ort aber eine ebenso wichtige Infrastrukturmaßnahme ist wie ein Supermarkt, entschlossen sich die Schwarzenborner zu einem ähnlichen Schritt wie bei ihrem Nahkauf-Markt, den sie als genossenschaftliche Bürgerkooperation betreiben: Sie wurden selbst aktiv und zogen (gegenüber vom Markt) bis Mai 2017 einen Neubau hoch, in dem jetzt neben dem MVZ ein ambulanter Pflegedienst, eine Physiotherapeutin und zwei Online-Bankfilialen residieren.

Am 1. Oktober 2018 nahm das MVZ als „Anstalt öffentlichen Rechts“ (AöR) seinen Betrieb auf. Der Allgemeinarzt und die Frauen­ärztin (halbe Stelle), die vorübergehend selbstständig arbeiteten, sind nun Angestellte – ebenso wie vier medizinische Fachkräfte. Ziel ist es, noch eine(n) dritte(n) Mediziner(in) zu beschäftigen, um auch Vertretungen organisieren zu können und das Angebot auszuweiten.

Ums Betriebswirtschaftliche kümmert sich ein Vorstand

Die Ärzte können sich ganz auf die Medizin konzentrieren. Denn um die betriebswirtschaftlichen Belange kümmert sich ein dreiköpfiger Vorstand, den der Kämmerer der Stadt, der Betreiber eines Pflegeheims und die Gesundheitsmanagerin Christina Eisenhut bilden. Deren erste Sorge galt beispielsweise der finanziellen Überbrückung der Startphase.

Der Aufwand für die Kommune, die sich auch in Katzenelnbogen beim ersten kommunalen MVZ in Rheinland-Pfalz informierte, war nicht unerheblich. Denn rechtlich wie organisatorisch betrat man Neuland, berichtet Bürgermeister Liebermann, der das Projekt 2017 von seinem Amtsvorgänger übernahm. Er stellt zusammen mit dem ersten Stadtrat und drei weiteren Vertretern der Stadt den Verwaltungsrat fürs MVZ.

In drei bis fünf Jahren will die Kommune mit ihrem Medizinbetrieb eine „schwarze Null“ erwirtschaften. Der Start sei gut gewesen, sagt Liebermann, die Menschen würden das Angebot annehmen. Die Fallzahlen könnten noch zulegen, „da müssen alle mithelfen, auch die angestellten Ärzte“.

Schnuppertage für potenzielle Patienten und künftige Ärzte

Für Zulauf potenzieller Patienten sorgen z.B. „Gesundheitstage“, an denen u.a. Zahnärzte und Apotheker der Region Vorträge halten. Aber auch Medizinstudierende, insbesondere aus Marburg, will man mit „Landtagen“ anlocken. Viele Projekt­interessierte lobten bei ihren Besuchen die neue Ausstattung und die „Wohlfühlatmosphäre“ des MVZ, sagt der Bürgermeister. Im hessischen Landtagswahlkampf erwärmten sich politische Vertreter aller Couleur sowie die KV-Führung für das Vorhaben – und gaben sich anlässlich der Eröffnung ein Stelldichein. Heute, so berichtet der Bürgermeister, sei das Verhältnis zur KV, dessen Spitze anfänglich skeptisch war, bestens. Fördermittel gab es allerdings weder vom Ministerium noch von der KV.

Nachahmer sind willkommen und werden gerne informiert

MVZ, Kindergarten, Grundschule, Einkaufsladen, Glasfaserkabel, Wohnen im „Rotkäppchenland“ – mit solchen Argumenten schafft es das Städtchen am Knüll, dass Bürger dort neue Häuser errichten. Liebermann und Eisenhut wünschen sich, dass das erste kommunal geführte MVZ in Hessen als Vorzeigeprojekt weitere Nachahmer findet, damit die ärztliche Versorgung auf dem Land sichergestellt werden kann. Interessierte sollen sich bitte melden (E-Mail: eisenhut-mvz-schwarzenborn@t-online.de).

Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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