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Corona-Pandemie: Ärzte und Apotheker kämpfen mit Lieferengpässen

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Die Corona-Krise sorgt nicht nur in Supermärkten für leere Regale: Auch Arzneimittel und Medizinprodukte sind betroffen. Die Corona-Krise sorgt nicht nur in Supermärkten für leere Regale: Auch Arzneimittel und Medizinprodukte sind betroffen. © iStock/SolStock
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Je länger die Corona-Pandemie dauert, umso mehr verschärft sie einige Lieferengpässe. Das betrifft Arzneimittel ebenso wie Medizinprodukte. Ärzte sind aufgefordert, dies bei ihren Verordnungen zu berücksichtigen.

Schon mehrfach waren Liefer­engpässe Thema bei einem Jour fixe beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), zuletzt wegen Auswirkungen der Corona-Infektionen in China auf die Produktion der Grundstoffe für die Medikamentenproduktion.

Ärzte sind aufgefordert, Arzneimittel nur bedarfsgerecht und nicht länger als üblich zu verordnen. In der aktuellen Lage müsse die Solidarität das oberste Prinzip sein. Fertigarzneimittel, deren Vernichtung anstand, da sie wegen einer fehlenden oder nicht ausreichenden Umsetzung regulatorischer Anforderungen nicht freigegeben werden konnten, die aber grundsätzlich keine Qualitätsmängel aufweisen, sollen vorerst nicht vernichtet werden.

Berichte zu Wirkstoffen heizen Nachfrage noch weiter an

Von Versorgungsengpässen betroffen ist u.a. Paracetamol. Ärzten wurde auferlegt, verschreibungspflichtige Paracetamol-haltige Arzneimittel nur nach Prüfung therapeutischer Alternativen und nur in medizinisch notwendigen Packungsgrößen zu verordnen. Bezüglich der inzwischen seltenen Pneumokokken-Impfstoffe Pneumovax® 23 und Prevenar® 13, auch durch die gestiegene Nachfrage aufgrund der Lungenkrankheit COVID-19, sollen Ärzte nur noch Risikogruppen impfen.

Eine weitere Vorgabe betrifft Hydroxychloroquin-haltige Arzneimittel. Deren Anwendung darf jetzt außerhalb der zugelassenen Indikationen (Off-Label-Use) und außerhalb klinischer Prüfungen nur noch im Rahmen eines individuellen Heilversuchs bei stationär überwachten COVID-19-Patienten erfolgen. Damit soll die Versorgung von chronisch kranken Patienten, die von den zugelassenen Indikationen betroffen sind, sichergestellt werden.

Weitere Vorgaben plant Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung. Es geht dabei auch um Erleichterungen für Verordner und Pharmazeuten.

Apotheker fordern vereinfachte Abgabe von Arzneien

Der Apothekerverband und die KV Nordrhein haben sich mit konkreten Vorschlägen und der dringenden Bitte an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gewandt, die Verordnung und Abgabe von Arzneimitteln während der Corona-Pandemie zu vereinfachen. Tatsächlich sind durch die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung, die gerade vom Bundesgesundheitsministerium vorbereitet wird, weitere Regelungen zu erwarten. Vorgesehen ist z.B. die erweiterte Austauschbarkeit von Medikamenten (auch Packungsgrößen und Wirksamkeit betreffend) – ohne Arztrücksprache, wenn das verordnete Arzneimittel nicht verfügbar ist. Auch die erst seit März mit dem Masernschutzgesetz vorgesehene Erlaubnis zum Ausstellen von Wiederholungsrezepten, die bis zu einem Jahr lang gültig sind, soll wegen der Corona-Pandemie ausgesetzt werden.

Ähnliche Vorschläge hatten Dr. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KV Nordrhein, und Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein, dem Minister unterbreitet. „Wenn aktuell besonders unnötige bürokratische Vorschriften soweit wie möglich abgebaut würden, könnten nicht unbedingt notwendige Mehrfachkontakte in Arztpraxen und Apotheken vermieden werden“, heißt es in einem Schreiben an Jens Spahn. Schließlich sollten sich Patienten weder lange in Arztpraxen und Apotheken aufhalten noch mehrfach eine Apotheke aufsuchen müssen, um das „vorgeschriebene“ Medikament zu bekommen. Auch die Beschaffung von Medizinprodukten ist z.T. schwierig geworden. Hersteller aus dem Medizinbereich berichten wie auch Autohersteller über unterbrochene Lieferketten, weil Zulieferer in Kurzarbeit sind oder wegen Erkrankungen bzw. Quarantäne der Mitarbeiter geschlossen wurden. Außerdem ist auf dem Weltmarkt ein harter Konkurrenzkampf um überlebenswichtige, aber auch gewinnbringende Produkte entstanden. Und nicht zuletzt hat sich die Bevölkerung durch nicht selten übertriebene Eigenbevorratung eingedeckt, mit Masken und Latexhandschuhen, aber auch mit Desinfektionsmitteln. „Wir müssen Maßnahmen entwickeln, um Deutschland als Produktions- und Forschungsstandort im Bereich der Medizinprodukte zu sichern und zu stärken“, mahnt der Geschäftsführer des Bundesverbandes Medizintechnologie, Dr. Marc-Pierre Möll. Die im März vom Bundesgesundheitsministerium herausgegebene Auflistung benötigter Produkte beinhaltet u.a. 1,2 Mio. Schutzbrillen, 60.000 Vollgesichtsmasken, 150 Mio. OP-Masken, 350 Mio. Einmalhandschuhe sowie 1,5 Mio. Liter Handdesinfektionsmittel und 5 Mio. Liter für die Flächendesinfektion. Der Krisenstab beim Bundesgesundheitsministerium, Bundeswehr, KBV und KVen bemühen sich redlich, die Lücken aufzufüllen. Doch einerseits bevorzugen Verkäufer die Meistbietenden, Regierungen konfiszieren Lieferungen und wichtige Waren werden zu Diebesgut. KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister berichtet, dass bei Lieferungen inzwischen die Begleitung durch Polizei oder Sicherheitsdienste notwendig ist. Die KV Brandenburg z.B. kaufte für 500.000 Euro Vorkasse Schutzausrüstung. Und die kam auch an, wie Vorstandsmitglied Holger Rostek im ARD-Morgenmagazin berichtete. Jede Praxis erhält zehn FFP2-Masken sowie 50 OP-Masken.

Limits bei Reagenzien, aber noch reicht Testkapazität

Der für die Logistik zuständige Vorstand berichtete allerdings auch darüber, dass die Qualität der Masken sehr verschieden ist. Qualitätsprobleme meldeten auch andere KVen an die KBV. Laut Dr. Gassen gibt es Lieferungen ohne Zertifizierung nach deutschem Standard oder mit überschrittenem Verfallsdatum. Eine andere Baustelle sind Corona-Tests. KBV-Chef Dr. Andreas Gassen lobte kürzlich Deutschland für mögliche 100.000 Tests pro Tag. Rund 400 Testzentren gebe es. Grenzen setzten allerdings die verfügbaren Reagenzien. Dies bestätigt der Duisburger Testhersteller Genekam Biotechnology AG. „Wir haben das Problem, dass die Kurierdienste unsere Rohstoffe und Komponenten, die zur Herstellung der Kits notwendig sind, nicht pünktlich liefern.“ Vertreter der Akkreditierten Labore in der Medizin, ALM e.V, berichten allerdings darüber, dass längst noch nicht alle Testkapazitäten ausgeschöpft seien. Zurzeit würden wöchentlich nur etwas mehr als 300.000 Corona-Tests angefordert.

Medical-Tribune-Bericht

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