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Erholung im Funkloch – Macht das Mobiltelefon krank?

Gesundheitspolitik Autor: Maya Hüss

Dr. Norbert Fischer, Hausarzt und Vorstandsmitglied der Landesärztekammer Baden-Württemberg, appelliert an den klaren Menschenverstand im Umgang mit dem Smartphone. Dr. Norbert Fischer, Hausarzt und Vorstandsmitglied der Landesärztekammer Baden-Württemberg, appelliert an den klaren Menschenverstand im Umgang mit dem Smartphone. © iStock.com/Sollar22; privat
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Das Smartphone gehört für die meisten Menschen zum Alltag. Doch was, wenn die Handystrahlung die Gesundheit gefährden könnte? Dieser Frage geht Journalist Klaus Scheidsteger in seinem neuen Buch „Thank you for calling“ nach. Auch die Landesärztekammer Baden-Württemberg äußert sich kritisch zum Thema.

Noch fehlt der endgültige Beweis dafür, dass die Strahlung, die von Mobilfunkgeräten ausgeht, auch krebserregend ist“, sagt Dr. Norbert Fischer, Vorstandsmitglied der Landesärztekammer Baden-Württemberg (LÄK BW). Der Hausarzt mit Fachkunde Suchtmedizin weiß, dass in der Forschung durchaus Genveränderungen in Bezug auf Handystrahlen festgestellt worden sind. Auch die männliche Fruchtbarkeit könne unter der elektromagnetischen Strahlung geschädigt werden. Trage man(n) das Handy zu nah am Körper und an den Hoden, könne sich die Spermienanzahl auffallend reduzieren. Dass Handystrahlung aber zwangsläufig zu Krebs führen würde, das wäre laut Dr. Fischer zu pauschal geurteilt. Vielmehr appelliert der Allgemeinmediziner an den klaren Menschenverstand jedes Handynutzers, den eigenen Konsum stets zu hinterfragen.

Eine Textnachricht kann ein Telefonat ersetzen

Wie sich die Strahlenbelastung im Alltag reduzieren lässt, erklärt zum einen die LÄK BW in einer Stellungnahme und zum anderen der Buchautor Klaus Scheidsteger: 

  • Telefonieren Sie so kurz wie möglich mit dem Handy und verwenden Sie entweder das Headset oder die Freisprecheinrichtung. 
  • Bei schlechtem Empfang oder in engen Räumen, wie im Auto oder in Aufzügen, sollte auf das Telefonieren verzichtet werden. (Um auf Empfang zu bleiben, müssen die Geräte mit voller Energieleistung arbeiten.)
  • Benutzen Sie lieber das Festnetz- anstelle des Mobiltelefons.
  • Textnachrichten können oft Telefonate ersparen. 
  • Bevorzugen Sie Handymodelle mit niedrigem SAR-Wert. (Die „Spezifische Absorptionsrate“ gibt die Strahlenbelastung, die vom Körper absorbiert wird, in Watt pro Kilo an.)
  • In der nahen Umgebung von Kinderzimmern sollte ein Schnurtelefon dem schnurlosen Telefon vorgezogen werden. 
  • Bei Kindern sollte auf eine zurückhaltende Nutzung von Mobiltelefonen geachtet werden.

In vielen Haushalten gibt es mehr als ein Handy

Laut Statistischem Bundesamt besitzt so gut wie jeder deutsche Haushalt 2017 (96 %) ein Mobilfunkgerät. Mehrere Haushalte besitzen sogar mehr als eins. Dass die Zahl der Handynutzer in den letzten Jahren gestiegen ist, obwohl auch die Kritikerstimmen lauter geworden sind, wundert Dr. Fischer nicht: „Sowohl in der Medizin, als auch in der Gesellschaft ist die Elektrohypersensibilität noch nicht relevant.“ So weiß der Mediziner aus seinem Praxisalltag und auch von Kollegen, dass manche Menschen empfindlich auf die Strahlen reagieren können. Er erinnert sich an eine Patientin, die über starke Kopfschmerzen klagte. Als sie seiner Empfehlung folgte und ihr neu erworbenes schnurloses Telefon gegen das alte Telefon mit Schnur eintauschte, verschwanden auch die Kopfschmerzen. Von anderen Patienten weiß der Hausarzt, dass eine Erholung in einem funkfreien Gebiet, beispielsweise jenes in der Nähe von Ulm, zur Reduzierung von Kopfschmerzen beitragen kann.

Zudem berichtet Dr. Fischer von einer ganz anderen Art der Abhängigkeit: „Viele beschäftigen sich in der Dauerschleife mit ihrem Smartphone. Sie verlernen persönlich zu kommunizieren und vernachlässigen ihr soziales Umfeld.“

„SAR-Werte schon beim Kauf beachten“

Dass hierfür nicht genug Aufklärung vonseiten der Industrie und Forschung betrieben würde, das ist für den Hausarzt sicher. Auch Scheidsteger kritisiert in seinem Buch die Industrie, die seiner Ansicht nach Forschungsergebnisse verhüllt, entsprechen sie nicht ihren Vorstellungen.

Zum Schutz der Gesundheit vor möglicher Strahlenbelas­tung sieht sowohl Dr. Fischer, als auch Scheidsteger den Grundgedanken „weniger ist mehr“ als Lösungsansatz. So sollte an Schulen und Kindergärten das WLAN-Signal abgeschaltet und die Handynutzung verboten oder zumindest eingeschränkt werden. Auch sollten Smartphones Kennzahlen, wie den SAR-Wert, schon beim Kauf aufweisen. Pro gekauftem Mobilfunkgerät schlägt Schiedsteger zudem vor, einen gewissen Betrag der Handy­strahlenforschung zukommen zu lassen. Die LÄK BW fordert hingegen eine „Benennung einer Koordinationsstelle, bei der Meldungen über ‚Mobilfunknebenwirkungen‘ gesammelt und bewertet werden“ können.

Bundesamtes für Strahlenschutz: Handyverbot nicht gerechtfertigt

Jan Lauer, Pressesprecher des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), hält ein Verbot von Handys und WLAN-Signalen an Schulen und Kindergärten für „nicht gerechtfertigt“. Die derzeitige wissenschaftliche Datenlage zu elektromagnetischer Strahlung würde „keinen Anlass geben, die Schutzwirkung der bestehenden Grenzwerte und Regelungen in Zweifel zu ziehen“. Auch erwarte das BfS keinen Einfluss auf Hoden und Samenzellen. Die in manchen Studien beobachtete verminderte Fruchtbarkeit ließe sich auf andere Faktoren wie z.B. Stress zurückführen. Bei Untersuchungen zur Elektrohypersensibilität wurde laut Lauer „kein ursächlicher Zusammenhang“ zwischen der Strahlung und Symptomen wie Schlafstörungen oder Kopfschmerzen festgestellt. „Es konnten aber Effekte allein durch das Wissen über die Existenz einer Sendeanlage verbunden mit der Besorgnis über mögliche gesundheitliche Risiken nachgewiesen werden“, sagt Lauer. Dass Kinder stärker auf Strahlung reagieren und sich für Handyvielnutzer ein erhöhtes Risiko ergeben könnte, schließt das BfS nicht aus. Die nebenstehend genannten Vorsichtsmaßnahmen entsprächen deshalb zum Großteil denen des Bundesamtes.

„Wenn die Mobilfunkstrahlung keine Gefahr für den Menschen birgt, so wie manche Forscher behaupten, warum sehen wir dann keine Sendemasten in der Nähe von Kindergärten?“, fragt Dr. Fischer rhetorisch.

Klaus Scheidsteger, „Thank you for calling“, Mobiltelefonie kann Ihre Gesundheit gefährden, ISBN 978-3-89189-222-0, emu-Verlags GmbH, 19,80 Euro.

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