
Rechtliche Lücke bei Suizidassistenz Freiverantwortlichkeit als Voraussetzung für Suizidassistenz

Der ärztlich assistierte Suizid ist seit über fünf Jahren wieder straffrei: Im Februar 2020 hat das Bundesverfassungsgericht das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung aufgehoben. Einzige Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit ist die Freiverantwortlichkeit. Besonders bei Anfragen von psychisch kranken Menschen beginnt hier der kritische Bereich, da dieses Kriterium bei ihnen schwerer festzustellen ist als bei schwer körperlich Erkrankten.
Als Reaktion auf das Urteil beschloss der Deutsche Ärztetag 2021, das Verbot aus der (Muster-)Berufsordnung zu streichen. Damit ist Ärztinnen und Ärzten die Mitwirkung an einer Selbsttötung berufsrechtlich zwar nicht mehr untersagt – jedoch fehlen klare gesetzliche Vorgaben bis heute.
Ende 2024 lag der Entwurf für ein Suizidpräventionsgesetz vor, das vom Bundeskabinett beschlossen, aber nicht verabschiedet wurde. Kritik kam u. a. vom Bundesrat wegen unklarer Finanzierung und Doppelstrukturen.
Der 129. Deutsche Ärztetag in Leipzig forderte dieses Jahr eine rasche gesetzliche Regelung zur Suizidprävention mit flächendeckenden, niedrigschwelligen Angeboten und klaren Schutzkonzepten. Die Mitwirkung an Suizidassistenz müsse freiwillig bleiben und dürfe nicht zur ärztlichen Regelleistung werden.
Schema hilft beim Patientengespräch
Die Bedeutung einer strukturierten Einschätzung der Suizidalität betont auch die S1-Leitlinie „Umgang mit dem Wunsch nach Suizidassistenz in der hausärztlichen Praxis“ der DEGAM von 2023*. Zentral dabei ist eine abgestufte Bewertung – einschließlich der Erfassung individueller Risikofaktoren und protektiver Faktoren. Zur Unterstützung der Gesprächsführung empfiehlt die Leitlinie das BELLA-Konzept:
B = Beziehungen aufbauen, E = Erfassen der Situation, L = Linderung der Symptome, L = Leute mit einbeziehen, A = Ansatz zur Problembewältigung. Mit diesem Schema könnten Ärztinnen und Ärzten in belastenden Situationen empathischer und strukturierter mit Betroffenen kommunizieren.
* Diese für den hausärztlichen Bereich erstellte S1-Leitlinie wird derzeit durch eine interdisziplinäre S2k-Leitlinie ergänzt. AWMF-Register-Nr. 096-001; awmf.org