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Telematikinfrastruktur Statische Aufladung im Kartenterminal legt Praxen lahm

Praxismanagement , Praxis-IT Autor: Anouschka Wasner

Damit beim Einlesen der Karte nicht das System kollabiert, heißt es, würden manche MFA jetzt mit solchen kleidsamen Antistatik-Armbändern arbeiten. Damit beim Einlesen der Karte nicht das System kollabiert, heißt es, würden manche MFA jetzt mit solchen kleidsamen Antistatik-Armbändern arbeiten. © bilderstoeckchen – stock.adobe.com; StarTech.com
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Aufgrund von statischer Aufladung von Gesundheitskarten – so die Gematik – stürzen in manchen Praxen immer wieder die Systeme ab und müssen aufwendig neu gestartet werden. Wie kann das sein?

Zum ersten Mal darüber berichtet hatte die Gematik in ihrem Fachportal am 14. Januar 2022: Drei Fehlerbilder seien es, die im Zusammenspiel der neuen Gesundheitskarten eGK G2.1 mit dem Kartenterminal ORGA 6141 online der Firma Wordline Healthcare GmbH – vormals Ingenico Healthcare GmbH – auftreten können:

  1. Das Kartenterminal „hängt sich auf“ bzw. restartet automatisch.
  2. Der Fehler „C2C-Authentisierung“ wird angezeigt („Remote SMC-B“).
  3. Der Fehler „Keine freigeschaltete SMC-B“ wird angezeigt.

Die Gematik geht davon aus, dass die Probleme durch eine elektrostatische Aufladung der eGK G2.1 ausgelöst werden. Die Stärke des Entladeimpulses beim Einstecken einer eGK hänge nicht nur von der Karte, sondern auch „von der Umgebung, zum Beispiel der Art des Fußbodenbelags, und den Witterungsverhältnissen“ ab.

Träger der elektrostatischen Aufladung sei meist der Versicherte. Früher habe die Übergabe der Karte an die MFA an der Anmeldung die notwendige Entladung ausgelöst. Mit den Corona-Hygienemaßnahmen sei das weggefallen, denn seitdem steckt der Versicherte die eGK selbst ins Kartenterminal. Deswegen finde die Entladung jetzt im Gerät statt.

Wie kann das passieren? Von anderen Karten bzw. Lesegeräten ist das Problem bislang nicht bekannt. In Deutschland gibt es außerdem das Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln. Es regelt, dass Geräte nicht nur die von ihnen verursachten elektromagnetischen Störungen anderer Geräte nicht stören dürfen, sondern auch, dass sie gegen zu erwartende elektromagnetischen Störungen hinreichend unempfindlich sein müssen. Entsprechende Grenzwerte zur Störfestigkeit bzw. Störaussendung sind in einschlägigen Normen niedergelegt.

Teppich könnte schuld sein – raus damit!

Die Gematik rät jetzt: Man soll die eGK, bevor man sie in den Kartenleser steckt, z.B. über eine sogenannte ESD-Matte entladen – besonders, wenn der Versicherte sie zuvor in einer Plastikhülle aufbewahrt – sowie die „Umgebungsbedingungen“ anpassen, die eine elektrostatische Aufladung der Versicherten oder der Mitarbeiter begünstigen.

Im Internet überschlagen sich jetzt die guten Vorschläge von Ärztinnen und Ärzten, wie das Problem gelöst werden könnte: Manche stecken die Karten zum Entladen zuerst in ein altes Cherry-Kartenlesegerät, und dann erst ins neue Gerät. Mit bestimmten Praxisverwaltungssystemen könne man das auch „parallel“ nutzen, berichtet ein Arzt, der seinen Orga6000 dazu verwendet. Nur ab und zu müsse man dann noch ein Versichertenstammdatenmanagement mit dem neuen Lesegerät machen.

Möglich sei auch, so ein anderer Arzt, die eGK in den Slot 2 unter der Tastatur einzustecken und einzulesen. Der HBA käme dann eben in Slot 1. In anderen Praxen legt man sich eine Antistatikmatte neben das Lesegerät und lässt die Patienten die Karten vor dem Einlesen dort erstmal entladen. Die Matte müsse man dann aber erden, so der Tipp.

Überhaupt lasse sich mithilfe von Erdungssteckern ein Erdungskabel direkt an die Steckdose anschließen – eine „einfache und sichere Art, die Netzerdung zu nützen, zur direkten Erdung von Personen, Tisch- und Bodenbelägen“, verspricht der Hersteller eines solchen Steckers.

Hilft vielleicht ein antistatisches Haarspray?

Ärztinnen und Ärzte, die ihren Galgenhumor noch nicht verloren haben, verweisen auch auf „modische ESD-Kleidung für Damen und Herren“: antistatische Arbeitskleidung zum Schutz vor Ladungsabbau. Und auch antistatische Sprays und Antistatikputzmittel sowie das sehr vertrauenserweckende Umschlingen des Karteneingangs mit einem grün-gelben Erdungskabel werden fröhlich „empfohlen“.

Für Fälle, in denen der Fehler trotz aller Haus- und Notmittel auftritt, rät die Gematik, die folgenden Punkte zu beachten:

  • Für das ORGA 6141 Kartenterminal stehe mit der Version 3.8.1. eine neue Firmware zur Verfügung, die das ursächliche Problem zwar nicht behebt, aber im Fehlerfall einen automatischen Restart durchführt. Nach dem (automatischen) Neustart des Gerätes solle dann erneut versucht werden, die eGK einzulesen.
  • Sollte es dauerhaft nicht möglich sein, an betroffenen Kartenterminals eGKs einzulesen, soll das Primärsystem der Praxis neu gestartet werden.
  • Nach Möglichkeit soll die Institutionskarte SMC-B in einem separaten Kartenterminal verwendet werden, in dem keine eGK-Steckvorgänge stattfinden. Dadurch ist im Fehlerfall keine erneute Freischaltung der SMC-B notwendig.

Auf jeden Fall arbeite man jetzt mit Hochdruck und zusammen mit den Industriepartnern an einer Lösung, versichert die Gematik. Um postitiv zu bleiben: In den letzten sechs Monaten ist es der Gematik gelungen, zwischen 4 und 7 Störungen monatlich wieder in den Griff zu bekommen. Das lässt hoffen. Es heißt allerdings auch: Rein statistisch gesehen stehen im Januar noch mindestens zwei weitere TI-Störungen aus.

Medical-Tribune-Recherche

In den letzten sechs Monaten kam es dem Archiv des Gematik-Fachportals zufolge zu 
4 bis 7 Incidents und Störungen der Telematikinfrastruktur monatlich. In den letzten sechs Monaten kam es dem Archiv des Gematik-Fachportals zufolge zu 4 bis 7 Incidents und Störungen der Telematikinfrastruktur monatlich. © gematik
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