Angststörung, generalisiert

Definition

Die generalisierte Angststörung ist durch andauernde (über 6-monatige) Anspannung, Besorgnis und Befürchtungen in Bezug auf alltägliche Ereignisse und Probleme charakterisiert. So werden Patienten z.B. durch die ständige Sorge gequält, ihnen oder nahen Angehörigen könnten Unfälle zustoßen oder sie könnten erkranken. Das Eintrittsrisiko wird dabei stark überschätzt und die möglichen negativen Folgen werden katastrophal ausgemalt. Diese Besorgnisse können sich rasch auf zahlreiche Bereiche generalisieren – z.B. auf die gesundheitliche, partnerschaftliche, berufliche oder finanzielle Situation des Betroffenen oder nahestehender Personen. Daraus entwickelt sich typischerweise ein Absicherungs- und Vermeidungsverhalten. Die Sorge über negative Auswirkungen der eigenen ständigen Besorgtheit, kann noch hinzukommen (sogenannte „Metasorgen“).

Die Befürchtungen führen zu den körperlichen Ausdrucksformen der Angst, was oft zu ausführlichen organmedizinischen Abklärungen Anlass gibt. Die meisten GAS-Patienten geben als primäres Symptom nicht Angst, sondern Schmerzen oder Einschlafstörungen an.

Die Lebenszeitprävalenz liegt bei etwa 4-6 %. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer und nur 2 von 5 Betroffenen begeben sich deswegen in Behandlung.

 

ICD10-Code: F40, F41

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Symptomatik

Anspannung, Besorgnis und Befürchtungen in Bezug auf alltägliche Ereignisse und Probleme über mindestens 6 Monate mit folgenden Symptomen:

Vegetative Symptome

  • Palpitationen, Herzklopfen, erhöhte Herzfrequenz
  • Schweißausbrüche
  • fein- oder grobschlägiger Tremor
  • Mundtrockenhaut

Symptome im Bereich von Thorax und Abdomen

  • Atembeschwerden -Beklemmungsgefühl
  • Thoraxschmerzen oder -missempfindungen
  • Nausea oder abdominelle Missempfindungen

Psychische Symptome:

  • Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit
  • Derealisation oder Depersonalisation
  • Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder „auszuflippen“
  • Angst zu sterben

Allgemeinsymptome

  • Hitzewallungen oder Kälteschauer
  • Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle

Anspannungssymptome:

  • Muskelverspannung
  • Ruhelosigkeit und Unfähigkeit zum Entspannen
  • Gefühl von „Aufgedrehtsein“, Nervosität und psychischer Anspannung
  • Kloßgefühl oder Schluckbeschwerden

Andere unspezifische Symptome

  • übertriebene Schreckreaktionen
  • Konzentrationsstörungen, Leeregefühl
  • anhaltende Reizbarkeit
  • Einschlafstörungen wegen der Besorgnisse

Für die Diagnose einer generalisierten Angststörung wird gefordert, dass mindestens vier der genannten Symptome (davon mindestens ein vegetatives Symptome) vorgelegen haben.

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Untersuchung

Die körperliche Untersuchung ist in der Regel unauffällig.

Labor

Die Diagnose beruht auf der Anamnese mit Abfragen der typischen Symptome. Als hilfreich haben sich folgende Fragen erwiesen:

  1. Fühlen Sie sich nervös oder angespannt?
  2. Machen Sie sich häufig über Dinge mehr Sorgen als andere Menschen?
  3. Haben Sie das Gefühl, ständig besorgt zu sein und dies nicht unter Kontrolle zu haben?
  4. Befürchten Sie oft, dass ein Unglück passieren könnte?

Zum Ausschluss einer organischen Ursache der Beschwerden sollten wenigstens folgende Untersuchungen durchgeführt werden:

  • Ausführliche Anamnese
  • Körperliche Untersuchung
  • Blutbild, Blutzucker, Elektrolyte (Ca++, K+), Schilddrüsenstatus (TSH)
  • EKG mit Rhythmusstreifen
  • Ggf. Lungenfunktion, kranielle Bildgebung (MRT, CT) oder EEG
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Differenzialdiagnostik

Ausgeschlossen werden müssen internistische und neurologische Erkrankungen, die ähnliche Symptome verursachen könnten. Dazu gehören:

  • Lungenerkrankungen (z.B. Asthma bronchiale, chronisch-obstruktive Lungenerkrankung)
  • Herz-Kreislauferkrankungen (Angina pectoris, Myokardinfarkt, Synkopen, Arrhythmien)
  • Neurologische Erkrankungen (komplex-partielle Anfälle, Migräne, Migraine accompagnée, Multiple Sklerose, Tumoren u.a.)
  • Endokrine Störungen (Hypoglykämie, Hyperthyreose, Hyperkaliämie, Hypokalziämie, akute intermittierende Porphyrie, Insulinom, Karzinoid, Phäochromozytom)
  • Weitere Krankheitsbilder (periphere Vestibularisstörung, benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel, u.a.)

Außerdem müssen andere psychische Erkrankungen ausgeschlossen werden, wie

  • andere Angststörungen (Panikattacken, Phobien)
  • Depressionen (hohe Komorbidität)
  • somatoforme Störungen
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Pharmakotherapie und nichtinvasive Therapie

Als Indikationen für eine Behandlung gelten ein mittlerer bis schwerer Leidensdruck, psychosoziale Einschränkungen und mögliche Komplikationen der Angsterkrankungen (z.B. Suchterkrankung).

Grundsätzlich kann Patienten mit generalisierter Angststörung eine Psycho- oder Pharmatherapie angeboten werden, wobei persönliche Präferenzen hier eine wesentliche Rolle spielen. Hat sich eine Therapieform als nicht ausreichend wirksam erwiesen, kann die jeweils andere (oder auch eine Kombination) angeboten werden.

Pharmakotherapie:

SSRI: Escitalopram (10 – 20 mg/d)  oder Paroxetin (20 – 50 mg/d)

SNRI: Duloxetin (60 – 120 mg/d) oder Venlafaxin (75 – 225 mg/d)

Kalziummodulator: Pregabalin (150 – 600 mg/d)

Alternativen, wenn diese Medikamente unwirksam waren oder nicht vertragen werden:

  • Trizyklisches Anxiolytikum (Opipramol 50 – 300 mg/d)
  • Azapiron (Buspiron 15 – 60 mg/d)

Benzodiazepine sollten nur in gut begründeten Einzelfällen (z.B. schwere kardiale Erkrankung, Kontraindikationen für Standardmedikamente, Suizidalität) für einen begrenzten Zeitraum eingesetzt werden. Bei erheblichen depressiven Symptomen, sollte ein Antidepressivum angewandt oder die Therapie durch ein Antidepressivum ergänzt werden.

Psychotherapie

  • Methode der ersten Wahl ist die kognitive Verhaltenstherapie (KVT), die sich an empirisch fundierten Behandlungsprotokollen (Manualen) orientiert
  • Hat sich diese Therapie als unwirksam erwiesen, steht nicht zur Verfügung (oder besteht diesbezüglich eine Präferenz eines informierten Patienten), kann auch eine psychodynamische Psychotherapie angeboten werden.
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