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Wie Sie chronischen Ängsten von Patienten begegnen können

Autor: Dr. Susanne Gallus

Ein wichtiger Faktor in der Arzt-Patienten-Beziehung ist Empathie. Ein wichtiger Faktor in der Arzt-Patienten-Beziehung ist Empathie. © iStock/FatCamera
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Etwa 17 % der Patienten in der Dermatologie ­leiden an einer Angststörung. Damit ist sie ein häufigerer Begleiter als die Depression, die jeder Zehnte mitbringt. Wie lässt sich die Angst erkennen? Und wie kann man den Betroffenen am besten helfen?

Bei der neurotischen Angst handelt es sich im Gegensatz zur Realangst um eine innerlich erlebte Bedrohung. Das bedeutet aber nicht, dass Herzrasen, Schwitzen oder Übelkeit nicht real wären. „Die körperlichen Symptome sind ja nicht eingebildet, sondern somatische Korrelate des Gefühls“, betonte Dr. Gabriele Rapp von der Hautklinik Bad Cannstatt am Klinikum Stuttgart. Allerdings bringen viele Patienten diese Signale gar nicht mit der Angst in Verbindung.

Akne, Rosazea und Psoriasis – sie alle verursachen Angst

In der Dermatologie spielt insbesondere die soziale Phobie eine wichtige Rolle, bei der Betroffene Angst haben, unangenehm aufzufallen, und fürchten, beobachtet oder bewertet zu werden. Außerdem stehen die häufigsten Erkrankungen, die ein Hautarzt behandelt, oft mit Angststörungen in Verbindung, so Dr. Rapp. Spitzenreiter: die Akne vulgaris. „25 % bis sogar 44 % mit Akne haben komorbide Angststörungen.“ Bei der atopischen Dermatitis ist das Vorhandensein der Krankheit mit der späteren Entwicklung von Depression und Angststörung assoziiert. Letztere hat bei diesen Patienten eine Häufigkeit von 12–15 %. Für die Rosazea ließ sich sogar eine Korrelation zwischen der Erkrankungsschwere und der Häufigkeit der Angst nachweisen. Und obwohl Depressionen bei Psoriasispatienten viel öfter Gesprächsthema sind, kommen sie doch mit 10 % deutlich seltener vor als die Angststörung (20 %).

Suchtproblem

Ängste können den Patienten in die Sucht führen, wenn er versucht, z.B. mit Alkohol die Symptome zu mildern. „Die Sucht kann aber auch iatrogen sein, weil durch Ärzte oft dann ein Benzodiazepin verschrieben wird, was gerne – weil es ja so gut wirkt – länger genommen wird“, warnte Dr. Rapp.

Woran merkt man als Dermatologe, dass eine Angststörung vorliegt? Meist lässt sich eine Anspannung der Patienten erkennen, z.B. weil sie fürchten, sie könnten erröten, im Sprechzimmer eine Panikattacke bekommen oder vom Arzt negativ bewertet werden. Manche haben auch Angst vor einer negativen Diagnose. Gleichzeitig erschwert es die ständige Anspannung dem Betroffenen, sich zu konzentrieren. „Das kann dazu führen, dass er uns gar nicht so zuhören kann“, gab die Referentin zu bedenken. Zudem bestehe meist enormer Redebedarf. „Patienten mit Angst sprechen viel. Die sprechen ohne Punkt und Komma und wollen ständig eine Rückversicherung haben.“ Diese wird aber mitunter gar nicht registriert, erklärte Dr. Rapp. Das „Gell, es ist nix Schlimmes?“ komme kurz darauf einfach wieder. Wird von einer Depression oder psychovegetativen Beschwerden wie Schlafstörungen, Herzrasen oder Schwitzen berichtet, könne dies ebenfalls auf eine Angst hindeuten.

Liegt ein Nicht-Ansprechen am Nicht-Antreten der Therapie?

Ein wichtiger Punkt, bei dem man aufhorchen sollte, ist, wenn die Behandlung nicht anspricht. Beispiel: Ein Patient traut sich aufgrund einer Panikstörung nicht, mit der S-Bahn zur Lichttherapie zu fahren. Oder er war im Gespräch so angespannt und unaufmerksam, dass er die besprochene Anwendung gar nicht durchführen kann. Was tun in diesen Fällen? Zunächst immer ansprechen. „Wir alle kennen die Whooley-Fragen bei der Depression. Solche Fragen gibt es auch für die Angststörung“, so Dr. Rapp. Damit lässt sich zudem herausfinden, ob der Patient vielleicht sogar selbst die Zusammenhänge erkennt:
  • Hatten Sie schon mal einen Angstanfall, bei dem Sie ganz plötzlich von starker Angst, Beklommenheit oder Unruhe überfallen wurden? (Panikstörung)
  • Haben Sie sich schon einmal über mindestens einen Monat oder länger ängstlich, angespannt und voll ängstlicher Besorgnis gefühlt? (Generalisierte Angst, soziale Phobie)
Ein wichtiger Faktor in der Arzt-Patienten-Beziehung ist Empathie. „Das bedeutet nicht Mitleid, sondern Mitgefühl“, erinnerte die Expertin. Man sollte unbedingt Verständnis dafür zeigen, dass der Kranke die Angst als real empfindet. „Es gibt doch gar keinen Grund, Angst zu haben“ sei in diesen Fällen die falsche Formulierung. Die Patienten, die sich ihrer Angstproblematik bewusst sind, wissen in der Regel, dass es sich um keine reale Bedrohung handelt. Für sie kann dieser eigentlich gut gemeinte Satz beschämend sein, warnte die Dermatologin. 

Was der Patient selbst dagegen tun kann

Als Achtsamkeitsübung und um etwas Abstand zu gewinnen, kann der Patient z.B. ein Tagebuch oder Protokoll über die Symptome führen. Wann und wie oft treten sie auf? Gibt es einen Zusammenhang mit bestimmten Gefühlen oder dem Verlauf der Hauterkrankung? Selbsthilfegruppen haben dagegen den Vorteil, dass die Kranken dort ihre Symptome mit anderen Betroffenen teilen können und ein Austausch untereinander möglich ist.

Therapeutisch wären beispielsweise Psychotherapie oder Entspannungsverfahren denkbar. Letztere helfen laut Dr. Rapp außerordentlich gut – zwar nicht in der akuten Phase, aber zur Vorbeugung von Attacken. Ob man sich eine psychopharmakologische Unterstützung z.B. mit SSRI oder niederpotenten Neuroleptika zutraue, bleibe jedem Hautarzt selbst überlassen.

Quelle: 51. Jahrestagung der DDG*

* Deutsche Dermatologische Gesellschaft; Online-Veranstaltung