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Haut und Psyche Im wahrsten Sinne Spiegel der Seele

Autor: Dr. Susanne Gallus

Hauterkrankungen und psychische Störungen sind wechselseitig miteinander verwoben. Hauterkrankungen und psychische Störungen sind wechselseitig miteinander verwoben. © iStock/Oatfeelgood, Ilia Anatolev, tylim
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Hautkrankheiten, die sich auf die Psyche der Patienten auswirken, gibt es einige, aber es gibt auch jene, die primär psychisch bedingt sind. In welchen Kategorien sollte man denken und warum ist es so wichtig, als Hautarzt auch einen Blick in die Seele der Patienten zu werfen?

Zwischen Haut und Psyche gibt es eine wechselseitige Beziehung. Die Häufigkeit psychischer Erkrankungen bei Hautpatienten schätzt man auf etwa 25–30 %. Psychosomatisch versorgt werden allerdings nur 0,1–0,6 % aller dermatologischen Patienten berichtete Professor Dr. Christiane Bayerl von der Klinik für Dermatologie und Allergologie der Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden. Man unterscheidet hinsichtlich der Interaktion drei Variationen.

Von der Psyche auf die Haut

Es gibt verschiedene Hautmanifestationen, die, durch Stress ausgelöst, von der Psyche gesteuert werden. Dazu gehören Artefakte: Um Aufmerksamkeit zu erreichen, sprühen Patienten z.B. so lange Deo auf die Haut bis sich Kälteblasen bilden. Ähnlich wie das Ritzen, sind solche Verhaltensweisen klassisch für eine Borderline-Persönlichkeit oder auch eine Suchtproblematik. Von den Artefakten im eigentlichen Sinne grenzt man Artefakte durch Simulationen ab, z.B. ein Handekzem durch vermehrtes Händewaschen oder in der Maximalausprägung das Münchhausen-Syndrom mit Selbstverletzungen etc. Paraartefakte fallen zwar auch in diese Kategorie, entstehen aber z.B. bei Acne excoriée, Lippenleckekzem (Cheilitis simplex), Onychophagie oder Trichotillomanie durch einen Verlust der Impulskontrolle bzw. eine halbbewusste Manipulation. Daher lassen sie sich oft rein verhaltenstherapeutisch behandeln – manchmal kann es bereits helfen, einen Stressball zu drücken.

Stress und die Haut

  • Akuter Stress äußert sich über eine Hochregulierung von Adrenalin und Noradrenalin, etwas verzögert folgen Cortisol und Substanz P. Als Reaktion darauf steigen die Spiegel an IL-1, IFNγ, TNFα, CD8+-Zellen sowie NK-Zellen und es kommt zu einer Mastzellaktivierung. Da diese Substanzen eine Rolle bei der Immunantwort spielen, wird die Abwehr von Viren, Bakterien, Pilzen und Tumoren negativ beeinflusst und durch die dominierenden TH1-Immunzellen besteht die Neigung zu Kontaktallergien und Juckreiz.
  • Beim chronischen Stress dagegen dominieren Cortisol und die neurohormonalen Botenstoffe. Entsprechend werden andere­ Chemokine hochreguliert, darunter IL-4, IL-5, IL-10 TGF-β. Die Mastzellaktivierung fällt stärker aus, im Rahmen der angeborenen Immunantwort kommt es zu einer neurogenen Entzündung. Es folgt ebenfalls eine systemische Unterdrückung akuter entzündlicher Reaktionen, das Immunsystem ist gegenüber neuen Viren, Bakterien, Pilzen und Tumoren blind. Gleichzeitig verschiebt sich das adaptive Immunsystem aber in Richtung der TH2-Immun­antwort, wodurch es lokal zu einer Steigerung von Autoimmunerkrankungen und Allergien kommt.

Ebenfalls zu dieser Gruppe gehört der Dermatozoenwahn. „Streichholzschachteln hatte ich schon lange nicht mehr, in letzter Zeit sehe ich tatsächlich eher Tücher oder Gläschen, in denen die Substanzen mitgebracht werden“, so Prof. Bayerl. Nicht vergessen: Bei den Patienten herrscht ein extrem hoher Leidensdruck. Man kann ihnen helfen, wenn man es schafft, Vertrauen herzustellen und sie an die Psychosomatik oder Psychiatrie zu überweisen. Die größte Schwierigkeit bestehe darin, sie davon zu überzeugen, die therapeutischen Angebote, insbesondere in medikamentöser Form, anzunehmen. Rund jeder fünfte Patient in einer dermatologischen Praxis hat eine körperdysmorphe Störung. Bei 70 % steckt eine Depression oder eine soziale Phobie dahinter. Äußern kann sie sich in einer übersteigerte Selbstzuwendung, Isolation (sozial oder beruflich), Dysästhesie, Vulvo- und Phallodynie oder der Überzeugung, dass der eigene Körper unproportional ist. Eine Sonderform davon stellt das Dorian-Gray-Syndrom dar. Dermatosen können zudem im Zuge von Zwangsstörungen auftreten, beispielsweise durch zwanghaftes Händewaschen (bis zu 200-mal/d). Für dieses Krankheitsbild war die Corona-Pandemie nicht unbedingt vorteilhaft. Vorbestehende Depressionen spielen auch dabei häufig eine Rolle (bei 40 %). Hinzu kommen Ekel oder Infektionsangst. „Die Zwänge werden als sinnlos wahrgenommen, aber der Betroffene kommt nicht raus aus diesem Teufelskreis“, erklärte Prof. Bayerl.

Von der Haut auf die Psyche

Sekundäre psychische Erkrankungen treten infolge einer schweren Dermatose auf bzw. als Komorbidität. Das typische Beispiel sind Psoriasispatienten mit Depression. Pathophysiologische Zusammenhänge kennt man für diese beiden Erkrankungen u.a. über TNF-α und IL-6. Generell hat jeder vierte Psoriasispatient eine psychische Störung, eine manifeste Depression tritt etwa bei jedem Zehnten auf. Depressive Patienten weisen typische Symptome wie eine gedrückte Stimmung (kann bis zur Suizidalität reichen), Schlafstörungen und Appetitverlust auf. Eine Rolle spielt aber auch der Juckreiz, der anders als früher angenommen viel häufiger besteht und zu neurotischen Exkoriationen führen kann. Deshalb ist es wichtig, die psychische Komorbidität dieser Patienten über die entsprechende ICD-10-Codierung zu erfassen, betonte die Referentin.

Im Wechselspiel von Haut und Psyche

Im Falle von multifaktoriellen Dermatosen unterliegt der Krankheitsverlauf psychischen Einflüssen. Bei der Akne vulgaris kommen zum typischen Hautbild beispielsweise depressive und sozialphobische Tendenzen hinzu. Neuroimmunendokrinologisch hat hier die Mastzell­aktivierung eine Bedeutung. Neurodermitiker kämpfen nicht nur mit Depressivität, sondern zudem mit Angst und Juckreiz, neuroimmunendokrinologisch erwähnt werden sollten TH2-Dominanz und Mastzelldegranulation. Die Psoriasis kann man ebenso zu dieser Gruppe zählen, da sie wie bereits erwähnt mit verringerter Lebensqualität, Depression und sozialem Rückzug einhergeht, neuroimmunoendokrinologisch spielt die TH1-Dominanz eine Rolle. „Letztlich sind wir als Dermatologen ein Dreh- und Stellglied. Wir vermitteln zu unseren rheumatologischen, kardiologischen, endokrinologischen Kollegen, zu den Infektiologen und müssen daran denken, die Psychologie und Psychiatrie mit ins Boot zu holen“, lautete das Fazit von Prof Bayerl. Wie allerdings die geringen Zahlen der Derma-Patienten in psychosomatischer Behandlung andeuten, „müssen wir das frequenter machen, als wir es bisher getan haben­“.

Quelle: DERM Frankenthal 2021