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Klinische Effekte von Cannabis lassen sich lediglich bei Angst nachweisen

Autor: Dr. Barbara Kreutzkamp

Cannabis lindert nicht nur nicht die Symptome von Depressionen, Psychosen, ADHS oder Tourette-Syndrom, sondern kann sie sogar im Einzelfall verschlimmern. Cannabis lindert nicht nur nicht die Symptome von Depressionen, Psychosen, ADHS oder Tourette-Syndrom, sondern kann sie sogar im Einzelfall verschlimmern. © iStock/yavdat
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Medizinische Cannabisprodukte werden zunehmend auch bei psychischen Erkrankungen verordnet. Das scheint biologisch plausibel, überzeugt in der Praxis jedoch nicht.

Pflanzliche und synthetische Cannabinoide werden als zugelassene Arzneimittel vor allem gegen chronische, nicht-tumorbedingte Schmerzen verordnet. Immer häufiger finden sie aber auch Eingang in die Therapie psychischer Erkrankungen wie Depressionen, Angst oder ADHS. Da man dem Endocannabinoid-System zuschreibt, depressive und Stresssymptome zu reduzieren, scheint es folgerichtig, dies mit Cannabinoiden zu fördern.

Die Evidenz dazu steht allerdings auf wackeligen Beinen, schreibt das Team um Dr. Nicola Black vom National Drug and Alcohol Research Centre der University of New South­ Wales in Sydney. Die Kollegen führten ein systematisches Review mit Studien aus den verschiedenen Psycho-Einsatzgebieten durch. Sie identifizierten 83 Studien, 40 davon randomisiert und kontrolliert, in denen der Einfluss jeglichen medizinischen Cannabinoids auf primäre oder komorbide psychische Leiden untersucht worden war.

Potenzieller Auslöser von psychischen Erkrankungen

Pharmazeutisches Tetrahydrocannabinol (THC) mit oder ohne Cannabidiol (CBD) verbesserte sekundäre Angstsymptome bei Patienten mit z.B. chronischen Schmerzen oder multipler Sklerose – allerdings auf niedrigem Evidenzniveau. Für andere Erkrankungen wie Depression, Tourette, posttraumatische Belastungsstörung, ADHS oder Psychosen ließ sich insgesamt kein statistisch signifikanter Einfluss der Cannabis-Produkte auf die jeweiligen Symptome erkennen.

Lediglich einzelne Studien stellten eine Verbesserung der Gesamtfunktionsfähigkeit von Patienten mit posttraumatischer Belastungsstörung oder Psychosen fest. Allerdings verschlechterte sich in einer Studie auch die Negativsymptomatik einer Psychose unter der Therapie. Die Rate von Personen, die über Nebenwirkungen klagten oder die Studie abbrachen, stieg im Vergleich zu Placebo unter den Produkten an.

Insgesamt ist bei der Verordnung von Cannabis bei psychischen Erkrankungen Skepsis angebracht, konstatieren die Autoren. Bevor nicht gezielte randomisierte Studien mit eindeutigen Ergebnissen vorliegen, kann allenfalls eine angstmildernde Wirksamkeit beispielsweise im Rahmen von Schmerzerkrankungen oder bei MS erwartet werden. Auch die Zunahme von Nebenwirkungen im Vergleich zu Placebo sollte nicht ganz unbeachtet bleiben.

Darüber hinaus legen aktuelle Forschungsergebnisse die Vermutung nahe, dass regelmäßiger Cannabiskonsum das Auftreten von Depressionen, Angst und psychotischen Symptomen sogar begünstigen kann, warnen die Experten.

Quelle: Black N et al. Lancet Psychiatry 2019; online first; DOI: https://doi.org/10.1016/S2215-0366(19)30401-8