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Arzneiverordnungs-Report: Ein Drittel der Ausgaben für 1 % der Tagesdosen

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

Überfordern hohe Preise die Krankenversicherung?
Überfordern hohe Preise die Krankenversicherung? © iStock.com/erierika
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Die Arzneiausgaben der GKV inklusive der Zuzahlungen der Versicherten lagen 2017 bei 39,9 Mrd. Euro – 1,4 Mrd. Euro bzw. 3,7 % höher als 2016. Kritiker sehen einen „Hochpreistrend“ bei neuen Präparaten.

Laut aktuellem Arzneiverordnungs-Report (AVR) summierten sich in den letzten fünf Jahren die Mehrausgaben der Kassen auf 8,6 Mrd. Euro – trotz der Einsparungen aufgrund von Festbeträgen (7,9 Mrd. Euro pro Jahr), Rabattverträgen (2017: 4 Mrd. Euro) und AMNOG-Maßnahmen bei neuen Patentarzneimitteln (2017: 1,8 Mrd. Euro).

„Hauptursache dieses Anstiegs sind die patentgeschützten Arzneimittel, auf die im vergangenen Jahr 18,5 Milliarden Euro des GKV-Arzneimittelmarktes entfielen. Damit hat sich ihr Umsatzanteil in den letzten 20 Jahren von 33 auf 45 % erhöht“, erklärt der AMR-Herausgeber Professor em. Dr. Ulrich Schwabe. Patentarzneimittel seien mit 6,98 Euro/Tag inzwischen fast 20 Mal teurer als Generika (0,36 Euro/Tag).

Durchschnittlicher Preis für patentgeschütztes Arzneimittel: 3225 Euro

Auch Jürgen Klauber, ebenfalls AVR-Herausgeber sowie Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK, beklagt die „immer höheren Einführungspreise“: Im Juli 2018 habe der durchschnittliche Preis für eine Packung eines patentgeschützten Arzneimittels in der Apotheke 3225 Euro betragen, bei den Markteinführungen der letzten 36 Monate liege der Preis pro Packung im Schnitt bei 6420 Euro.

Für die Behandlung von Krebs-, Virus- und schwerwiegenden Erkrankungen des körpereigenen Abwehrsystems würden 34 % aller Arzneimittelausgaben verwendet, „bei nur 1 % aller verordneten Tagesdosen“, so Klauber. Der Ausgabenanteil für diese Therapiegebiete habe sich von 2007 bis 2017 verdoppelt.

Gemäß AMNOG bewertete Wirkstoffe zeigten 18 Monate nach ihrer Markteinführung eine mittlere Preisreduktion von 20 %. Dass ein Viertel der Produkte ohne Zusatznutzen eine Preissenkung zwischen 40 und 70 % hinnehmen musste, zeige, dass viele neue Wirkstoffe „im ersten Jahr mit stark überhöhten Preisen in den Markt eintreten“.

Arzneiausgaben „kein Risikofaktor für die Finanzierung der GKV “

Martin Litsch, Vorstandschef des AOK-Bundesverbandes, denkt laut darüber nach, wie lange die GKV „in der Lage sein wird, derartige Preise zu tragen“. Die AOK fordert rückwirkende Erstattungspreise für alle neuen Arzneien zum ersten Tag des Markteintritts. Bisher hat die GKV im ersten Marktjahr den Preis zu bezahlen, den der Hersteller festlegt. Die AVR-Autoren sprechen sich auch für eine Nutzenbewertung des Bestandsmarkts patentgeschützter Arzneien sowie von Orphan Drugs aus.

Dr. Norbert Gerbsch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie betont, dass die Arzneiausgaben „kein Risikofaktor für die Finanzierung der GKV sind“. Sie lägen stabil bei rund 17 % der Gesamtausgaben, auf die Pharmaindustrie entfielen nur etwa 8 % für Arzneien in der ambulanten Versorgung. „Gemessen an deren enormem therapeutischem Stellenwert, ist das kein hoher Anteil.“

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