Anzeige

Hilferuf aus der Arztpraxis: Coronavirus bringt neben gesundheitlichen auch finanzielle Gefahren

Gesundheitspolitik Autor: Anouschka Wasner

Finanzkrise durch Coronavirus: Wie lassen sich Arztpraxen nun unterstützen? Finanzkrise durch Coronavirus: Wie lassen sich Arztpraxen nun unterstützen? © bluedesign – stock.adobe.com
Anzeige

Gestiegene Ausgaben für Personal und Schutzkleidung und weder Zeit noch Raum für Leistungen, die finanziell ausgleichend wirken. Bedarf es eines Schutzschirms für Arztpraxen? Oder besser: Wie schnell braucht es ihn?

Die aktuelle Situation führe die Praxen an die Grenze ihrer Belastbarkeit, meldete die KV Nordrhein am 17. März. Sie spricht für eine Region, die in besonderem Maße von der steigenden Zahl von SARS-CoV-2-Infektionsfällen betroffen ist. An diesem Tag gab es NRW-weit rund 3060 bestätigte Infizierte, während gleichzeitig immer mehr Praxen durch behördlich angeordnete Quarantäne-Maßnahmen finanzielle Einbußen erleben. Die Situation in den anderen KV-Bezirken dürfte sich hiervon nicht wesentlich unterscheiden.

Die KV Nordrhein ruft deswegen nach einem finanziellen Schutzschirm für Arztpraxen, ähnlich der flankierenden Maßnahmen für Krankenhäuser, um deren wirtschaftliches Überleben zu sichern. Denn von den Krankenhäusern wird erwartet, dass sie ihre Regelversorgung einschränken und z.B. elektive Eingriffe aufschieben zugunsten der Versorgung von Corona-Patienten.

Aber auch für Niedergelassene bergen die aktuellen Anforderungen – neben den gesundheitlichen – relevante finanzielle Risiken. Sie ergeben sich aus einem Zusammenspiel mehrerer Faktoren. So halten viele Praxen die Zahl der nicht dringend erforderlichen Arztbesuche so gering wie möglich, um das Infektionsrisiko für Patienten und Praxispersonal so klein wie möglich zu halten. Facharztverbände raten älteren und Risikopatienten von einem nicht dringend notwendigen Besuch der Praxen bis zur Entspannung der Lage ab. Der Bayerische Facharztverband empfiehlt seinen Mitgliedern sogar, Risikopatienten telefonisch zur Terminverschiebung aufzufordern.

Dabei geht es nicht nur um die Coronafälle, sondern insbesondere auch darum, die Versorgung schwer und chronisch kranker Patienten aufrechtzuerhalten. Aus dem gleichen Grund müssten Corona-Verdachtsfälle weiterhin in Test- bzw. Diagnosezentren konzentriert werden. Ansonsten würden sich diese, wie die KV Nordrhein unterstreicht, wieder direkt an die Praxen wenden und dort das Risiko erhöhen.

Das Problem ist, dass dieses Vorgehen zwangsläufig mit einer teils stark sinkenden Zahl von Patienten einhergeht. Veränderte Versorgungsstrukturen und sinkende durchschnittliche Fallzahlen führten jedoch im System der vertragsärztlichen Vergütung zwangsläufig zu erheblichen Einbußen, betont die KV Nordrhein. Das werden die Praxen hart zu spüren bekommen.

Zumal darüber hinaus in den meisten Praxen aus Schutzgründen aktuell auch keine Patienten mehr für sonst übliche, nicht dringliche IGeL-Dienste einbestellt werden. Auch hier wird es also zu teils relevanten Verdienstausfällen kommen.

Es sind erst wenige Maßnahmen zur finanziellen Stützung der ambulanten Versorgung in die Wege geleitet oder umgesetzt worden. Dazu gehört, dass alle ärztlichen Leistungen, die aufgrund des klinischen Verdachts auf eine Infektion oder des Infektionsnachweises erforderlich sind, seit Februar in voller Höhe extrabudgetär bezahlt werden. Dass die Ärzte ihre zusätzlichen Leistungen zeitnah in voller Höhe bezahlt bekommen, sei gewährleistet, bestätigt ein Sprecher der KV Niedersachsen. Auch die KBV hat mitgeteilt, dass von den Krankenkassen zu diesem Zweck zusätzliches Geld bereitgestellt wird.

Der Labornachweis des Virus, den Fachärzte für Laboratoriumsmedizin oder für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie mit entsprechender Genehmigung abrechnen können, geht zulasten der Krankenkassen. Das Laborbudget der anfordernden Ärzte wird dabei nicht belastet, wenn der Arzt die Laborausnahme-Kennnummer 32006 für meldepflichtige Erkrankungen angibt.

Die KV Niedersachsen empfiehlt außerdem, die Rechnungen für zusätzliche Schutzkleidung aufzubewahren. Eine gesonderte Vergütung könne zwar nicht garantiert werden, die KV schließt aber entsprechende Verhandlungen nicht aus.

Wenig befriedigend ist die Auskunft, dass die Niedergelassenen einen weiteren Teil der Ausgaben stemmen müssen: nämlich die Honorare für Ärzte und Praxispersonal, die in den zentralen Testzentren Abstriche durchführen. Diese werden nämlich über den Sicherstellungsfonds der KVen bezahlt, genauso wie die Schutzkleidung dieser Helfer. Man strebe allerdings an, sich diese Ausgaben über die Krankenkassen zu refinanzieren. Der Sicherstellungsfonds speist sich für alle Mitglieder aus dem Praxisumsatz und ist Teil der Verwaltungskostenumlage (0,4 %).

Für den Fall einer durch das Gesundheitsamt angeordneten Praxisschließung greift übrigens § 56 Infektionsschutzgesetz. Demnach wird der Verdienstausfall vom Land erstattet, die Höhe richtet sich bei Selbstständigen nach dem Steuerbescheid. Bleibt offen, wie lange die Behörden brauchen, um einen Fall zu bearbeiten. Hoffentlich gibt es die betroffene Praxis dann noch.

Medical-Tribune-Recherche

Anzeige