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Praxiskolumne Wir brauchen hochqualifizierte Hausarztpraxisteams

Autor: Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth

Die Delegation von Aufgaben an akademisierte VERAHs und Physician Assistants entlastet die Ärzt:innen. (Agenturfoto) Die Delegation von Aufgaben an akademisierte VERAHs und Physician Assistants entlastet die Ärzt:innen. (Agenturfoto) © MT; iStock/LuckyBusiness
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Unsere Kolumnistin kommt aus einer Generation, die mit Tante-Emma-Läden in jedem Dorf groß geworden ist. Doch diese Zeiten sind auch für Hausarztpraxen vorbei.

Heute hat man im ländlichen Bereich die großen zen­tralen Einkaufszentren auf der grünen Wiese. Im Einzelhandel hat bereits eine Entwicklung stattgefunden, wie sie uns heute in der ambulanten medizinischen Versorgung droht.

Wir spüren alle, dass in der medizinischen Versorgungslandschaft ein struktureller Wandel stattfindet. Die Zahl der Gemeinschaftspraxen, der Medizinischen Versorgungszentren und der angestellten Ärztinnen und Ärzte nimmt sprunghaft zu. Individuelle Konzepte haben es immer schwerer, sich gegenüber den kommerzialisierten Geschäftsmodellen zu behaupten.

Fest steht, der Anspruch an die medizinische Versorgung wächst: Die Menschen werden im Durchschnitt immer älter, ihre Morbidität nimmt zu. Die für die Versorgung zur Verfügung stehende Arztzeit nimmt dagegen aufgrund verschiedener Faktoren ab, z.B. weil sich die heutige Ärztegeneration nicht mehr, wie die Generationen vor ihr, 80 Stunden in der Woche in den Dienst der Praxis stellen will. Sie möchte auch noch so etwas wie ein Privatleben haben.

Im Koalitionsvertrag stehen regionale Gesundheitszentren als Heilsbringer, fremdkapitalgesteuerte Medizinische Versorgungszentren drohen den Markt zu übernehmen. Für uns, die wir in eigener Praxis tätig sind, wird ein reiner Abwehrkampf vermutlich nicht ausreichen. Wir müssen schleunigst anfangen, neue Versorgungskonzepte zu entwickeln, die geeignet sind, unsere Praxen – auch die „Tante-Emma-Dorfpraxen“ –  zu erhalten. Und wir müssen der Politik und den Kassen Antworten geben, wie die Versorgung mit immer weniger Arztzeit für immer mehr ältere Menschen künftig funktionieren soll, ohne dass sich der Staat oder die Privatwirtschaft einmischt.

Die Väter der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) waren weise. Schon jetzt haben wir in unserer HZV mit besonders weitergebildeten Medizinischen Fachangestellten, den Versorgungsassistent:innen in der Hausarztpraxis (VERAHs), Delegationskonzepte, die uns Ärztinnen und Ärzte entlasten. So übernehmen unsere VERAHs inzwischen etliche vormals ärztliche Tätigkeiten, wie Routinehausbesuche, Case-Management und vieles mehr.

Wir sollten nun die HZV konsequent weiterentwickeln zu einer echten „Hausarztpraxiszentrierten Versorgung“. Dafür braucht es zunächst einmal gut ausgebildetes Personal, das vermehrt Aufgaben übernimmt, die der Arzt oder die Ärztin delegieren kann und möchte. Mit dem Konzept der akademisierten VERAH und den Physician Assistants bieten sich zukünftig weitere hervorragende Delegationsmöglichkeiten zur Arzt­entlastung. Diese werden bei wachsendem Versorgungsdruck auch dringend gebraucht.

Gut ausgebildetes, akademisches Personal kostet Geld, und Praxis­inhaber:innen brauchen klare Anreize in teures Personal zu investieren. Sie könnten sich auch zurücklehnen und sagen, wir fahren die Versorgung, wenn wir sie nicht mehr schaffen können, eben zurück. Gerade während der Coronapandemie hat sich aber gezeigt, wer der Garant für eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung war: Es waren die Hausarztpraxen mit ihren Teams.

Es wird daher unsere Aufgabe sein, Teampraxenzuschläge zu verhandeln, obwohl die Kostenträger uns nach Corona das hohe Lied der leeren Kassen singen werden. Eine innovative und qualitativ weiterhin hochwertige ambulante Versorgung in Betreuungs- zw. Teampraxen wird es aber nicht zum Nulltarif geben. Ein hochqualifiziertes Team muss adäquat bezahlt werden.

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