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Nicht-tuberkulöse Mykobakterien mit Bakteriophagen angreifen

Autor: Manuela Arand

Phagen greifen nur ein begrenztes Spektrum von Bakterien an. Phagen greifen nur ein begrenztes Spektrum von Bakterien an. © peterschreiber.media – stock.adobe.com
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Wenn ein Mikroorganismus schwer zu bekämpfen ist, hetzt man einen anderen auf ihn, der ihn zerstört. Nach diesem Prinzip funktionieren Bakteriophagen, die jetzt auch gegen nicht-tuberkulöse Mykobakterien entwickelt werden.

NTM sind von Natur aus gegen diverse Antibiotika resistent. Das hat eine Reihe von Gründen: Die lipidreiche Außenmembran wirkt wie ein Schutzschild gegen eindringende Wirkstoffe und die Tatsache, dass die Organismen Bio­filme bilden, unterstützt das noch. Hinzu kommt, dass die Keime in phagozy­tierenden Zellen sitzen, sich nur langsam vermehren und zeitweise ganz in Winterschlaf fallen.

Ein Arzneimittel, das sich selbst vervielfältigt

Lytische Phagen sind ein attraktives Konzept, weil sie selektiv bestimmte Bakterien anfallen, den Rest der Flora aber in Ruhe lassen, erinnerte Professor Dr. Paul E. Turner von der Yale University in New Haven. Außerdem stellen sie ein sich selbst vervielfältigendes „Arzneimittel“ dar, das seine Produktion einstellt, sobald das Pathogen eliminiert ist. (Speziell bei NTM braucht es dafür einen langen Atem, weil sie sich so langsam vermehren.) Dafür muss man in Kauf nehmen, dass die Phagen nur ein begrenztes Spektrum von Bakterien angreifen, manchmal sogar nur einen Genotyp eines bestimmten Bakteriums. Dann braucht es möglicherweise einen ganzen Phagencocktail für eine erfolgreiche Therapie. Es gibt aber auch „Breitband-Phagen“ mit breiterem Angriffsspektrum. Der Transport zum Ort der Infektion kann schwierig sein und ein Angriff des Immunsystems auf die Phagen droht. Schließlich sind Pathogene in der Lage, auch gegen Phagen Resistenzen zu entwickeln.

Phagen können in großer Zahl aus einfachen Umweltmaterialien isoliert werden, anschließend lässt sich anhand ihres Genoms die Wirtsspezifität ermitteln. Das Howard Hughes Medical Institute und die Uni Pittsburgh haben auf diese Weise – und mithilfe von über 5000 Studierenden – innerhalb von mehr als zehn Jahren im Projekt SEA-PHAGES** eine riesige Phagen-Bibliothek zusammengetragen. Es ist nicht ganz einfach, daraus für jeden Patienten die geeigneten Phagen herauszufischen, und nicht selten stirbt ein Patient mit seiner NTM-Infektion, bevor ein oder mehrere Phagen identifiziert sind. Unter Umständen müssen die Phagen noch genetisch modifiziert werden, bevor man sie dem Patienten infundiert, um zu vermeiden, dass sie in den Bakterien replizieren, ohne diese abzutöten.

Wie bei Antibiotika können Bakterien auch gegen Phagen Strategien entwickeln, mit denen sie den Viruseintritt abblocken, das Viruserbgut zerstören oder den Zusammenbau der fertigen Viren verhindern. Um das zu verhindern, suchen Forscher jetzt nach lytischen Phagen, die natürlicherweise an Strukturen andocken, die als Virulenz- oder Antibiotikaresistenzfaktoren dienen. Ziel ist, die Pathogene zu zerstören und zugleich für Mechanismen zu selektieren, die Virulenz oder Resis­tenz bei den Keimen abschwächen, die dem Phagenangriff entgehen, erklärte Prof. Turner.

Attacke trifft mehrere Überlebensfunktionen

„Bei Effluxpumpen funktioniert das wunderbar, denn die haben ein Protein außerhalb der Zellmembran, das als Bindungsstelle für Phagen dienen kann“, so der Infektiologe. Effluxpumpen sind außerdem an Kolonisation, Immun-Escape und Biofilmbildung beteiligt, sodass eine Phagenattacke gleich mehrere wichtige Überlebensfunktionen trifft.

Bei multiresistenten Pseudomonas aeruginosa klappt das recht gut. Behandelt man die Keime mit den entsprechenden Phagen, erledigen Antibiotika die, die überlebt haben. Prof. Turners Arbeitsgruppe hat das unter Aufsicht der Arzneibehörde FDA als Notfalltherapie bei 13 Patienten – zehn mit zystischer Fibrose, zwei mit Bronchiektasen und einer nach Lungentransplantation – erprobt und bei allen einen Erfolg erzielt, ohne dass Sicherheitsprobleme aufgetreten wären. Dabei kamen sowohl einzelne Phagen als auch Sequenzen oder Cocktails zum Einsatz. Bei NTM gibt es bisher nur Einzelfallberichte, aber die lassen hoffen, dass die Phagenstrategie auch hier funktionieren wird.

Quelle: ATS* 2020 Virtual

* American Thoracic Society
** Science Education Alliance – Phage Hunters Advancing Genomics and Evolutionary Science