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Rechtsherzinfarkt Die Therapie mit Nitroglycerin ist offenbar doch möglich

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Die Vorgabe, bei einem Rechtsherzinfarkt kein Nitroglycerin zu geben, scheint überholt. Die Vorgabe, bei einem Rechtsherzinfarkt kein Nitroglycerin zu geben, scheint überholt. © ArLawKa – stock.adobe.com
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Keine Nitrate beim Rechtsherzinfarkt! In dieser Sache sind die Leitlinienempfehlungen von AHA und ESC eindeutig. Schaut man sich die Datenlage aber genauer an, finden sich für diese strikte Vorgabe aber keine Belege.

Patienten mit einem rechtsventrikulären Infarkt sollen keine Nitrate erhalten. So wollen es die Leitlinien der ­American ­Heart ­Association und der ­European ­Society of ­Cardiology. Dahinter steht die Vorstellung, dass eine Senkung der Vorlast zur klinisch relevanten Hypotonie führen könnte. Ihre wissenschaftliche Begründung ziehen die Empfehlungen der beiden Fachgesellschaften im Wesentlichen aus Studiendaten, die Ende der 19­80er-Jahre anhand einer kleinen Gruppe von nur 40 Patienten gewonnen worden waren. Neuere Ergebnisse wecken Zweifel an der Berechtigung der Kontraindikation.

Pro 100 Patienten drei zusätzliche Zwischenfälle

Australische Wissenschaftler identifizierten fünf Studien, die sich mit der Sicherheit von Nitraten in der Therapie der ­Angina ­pectoris bei inferiorem und rechtsventrikulärem Myokardinfarkt befassen. Zwei Arbeiten mit zusammen 1.050 Patienten eigneten sich für eine gemeinsame Auswertung. In beiden Studien erfolgte die Therapie mit 400 µg sublingualem ­Nitroglycerin. 

Die Analyse der Daten ergab in Abhängigkeit von der Infarktregion einen numerischen, nicht aber statistisch signifikanten Anstieg des relativen Risikos für unerwünschte Vorfälle von 1,31. Dies entsprach drei zusätzlichen Zwischenfällen pro 100 behandelte Personen. Alle Ereignisse waren geringfügiger und vorübergehender Natur und ließen sich erfolgreich behandeln. Schwere Folgen wie Herzstillstand oder Tod traten nicht auf.

Nach Einschätzung der Autoren sprechen die Zahlen dafür, dass Patienten mit gleichzeitigem inferiorem und rechtsventrikulärem Infarkt sehr wohl mit Nitraten behandelt werden können. Die allgemein akzeptierte, strikte Kontraindikation werde nicht durch aktuelle Evidenz gestützt, schreiben ­Matt ­Wilkinson-­Stokes von der Universität ­Melbourne und Kollegen. Dennoch gelte es, den indirekt schmerzlindernden Effekt und die potenzielle Reduktion der sympathischen Aktivierung gegen das Hypotonie­risiko abzuwägen. Ein Hypotonus trete aber auch bei Infarkten an anderer Stelle auf. Beheben lassen sich die niedrigen Blutdruckwerte bekanntlich recht einfach mittels Trendelenburg-­Lagerung und Flüssigkeitszufuhr, schreiben die ­Autoren.


Quelle: Wilkinson-Stokes M et al. Emerg Med J 2022; DOI: 10.1136/emermed-2021-212294