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„Heel-Hook“ Gefährliche Hüft- und Kniebeugung

Autor: Dr. Melanie Söchtig

Bei der ersten Patientin zeigte die Magnetresonanztomographie (MRT) eine proximale
Zerrung des Biceps femoris, Semimembranosus, Quadratus femoris und Adductor magnus. Bei der ersten Patientin zeigte die Magnetresonanztomographie (MRT) eine proximale Zerrung des Biceps femoris, Semimembranosus, Quadratus femoris und Adductor magnus. © SolStock/gettyimages
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Beim Sportklettern steht die ischiocrurale Muskulatur unter besonderer Beanspruchung. Eine neue Verletzungsvariante tritt als Folge des „Heel-Hooks“ auf, bei dem der Fuß als Anker fungiert.

Verletzungen der ischiocruralen Muskulatur werden in zwei Kategorien unterteilt. Diejenigen vom „running-type“ betreffen meist den langen Kopf des Biceps femoris, oft mit Beteiligung des Muskelsehnenübergangs. Sie sind auf eine übermäßige Muskelbelastung zurückzuführen, die durch eine exzentrische Kontraktion in der Spätphase des Laufzyklus verursacht wird, erklären Dr. Andreas Vantorre vom klettersportmedizinischen Netzwerk in Frankfurt und Dr. Frank Schellhammer vom Krankenhaus der Augustinerinnen in Köln. Verletzungen vom „stretching-type“ sind meist im Semimembranosus nahe der knöchernen Verankerung am Sitzbein lokalisiert. Sie werden i.d.R durch eine starke Hüftbeugung bei gestrecktem Knie verursacht.

Beide Verletzungstypen sprechen meist innerhalb von vier bis sechs Wochen auf eine konservative Therapie an. Sie können jedoch auch zu dauerhafter Schwäche, Schmerzen und Ischiasneuralgie führen. Bei einem vollständigen Abriss oder einer Retraktion, die mehr als zwei Zentimeter erreicht, sollte ein chirurgischer Eingriff erwogen werden.

Sportmediziner haben jetzt bei zwei Hochleistungskletterinnen einen weiteren Verletzungstyp beschrieben, der eine Variante des Streckungstyps zu sein scheint. Er tritt als Folge einer Klettertechnik, dem sog. „Heel-Hook“ auf. Diese ist gekennzeichnet durch isometrische Muskelanspannung bei starker Hüftbeugung und gebeugtem Knie. In beiden Fällen klagten die Betroffenen über eine plötzlich eintretende schmerzbedingte Bewegungseinschränkung. Die Palpation des Sitzbeinhöckers ergab zudem eine starke Schmerzempfindlichkeit.

Bei der ersten Patientin zeigte die Magnetresonanztomographie (MRT) eine proximale Zerrung des Biceps femoris, Semimembranosus, Quadratus femoris und Adductor magnus. Da keine signifikante Retraktion erkennbar war, wurde auf eine Operation verzichtet. Nach zwölf Wochen konservativer Behandlung litt die Patientin weiterhin unter Schwäche und Sitzproblemen. Nach sechs Monaten hatte sie zwar keine Einschränkungen im Alltag mehr, doch an sportliche Aktivitäten auf hohem Niveau war nicht zu denken, weshalb sie den Leistungssport aufgab.

Die MRT-Untersuchung der zweiten Patientin offenbarte eine proximale Abtrennung des Biceps femoris und des Semimembranosus. Nach 16 Tagen wurde eine chirurgische Refixation mit drei Nahtankern durchgeführt, der eine sechsmonatige Reha folgte. Obwohl die Patientin nach neun Monaten wieder an Wettkämpfen teilnehmen konnte, erreichte sie nie wieder ihr ursprüngliches Leistungsniveau.

Quelle: Vantorre A, Schellhammer F. „Severe Injuries of Proximal Hamstrings in High-Performance Sport Climbers“,
Dtsch Z Sportmed 2022; 73: 77-80