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Proteinurie: Stufendiagnostik nach auffälligem Urinstreifentest

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Der Urinstreifentest kann bislang unerkannte Krankheiten ans Licht bringen, ist aber auch fehleranfällig. Der Urinstreifentest kann bislang unerkannte Krankheiten ans Licht bringen, ist aber auch fehleranfällig. © writerfantast – stock.adobe.com
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Die Proteinurie ist ein typischer Zufallsbefund beim Urinstreifentest. Mit einer gezielten Stufendiagnostik lassen sich falsch positive Resultate ausschließen und behandlungsbedürftige Nierenerkrankungen aufspüren.

Zeigt die Streifentestuntersuchung ein Übermaß an Eiweiß im Harn an, ist zunächst zu klären, ob möglicherweise eine Kontamination oder eine extra­renale Störung das positive Test­ergebnis verursacht hat. Zu den häufigsten Auslösern zählen Zystitis und Menstruation. Auch Schleimhautläsionen – vom Konkrement bis hin zum Tumor – können aufgrund der gestörten Blut-Harn-Schranke eine Proteinurie verursachen. Eine vorübergehend erhöhte Eiweißausscheidung findet sich zum Beispiel im Rahmen fieberhafter Infekte oder nach intensiver körperlicher Anstrengung, schreiben Dr. ­Vera ­Freund und Privatdozent Dr. ­Michael ­Mayr von der medizinischen Poliklinik am Universitätsspital Basel.

Ergeben sich keine offensichtlichen Hinweise auf eine Kontamination oder eine transiente Proteinurie, ist möglicherweise das Ergebnis aus dem Streifentest schlicht und einfach falsch positiv. Die häufigste Ursache dafür ist die geringe Spezifität der Methode von etwa 70 %. Auch Medikamente wie Penicillin und Sulfonamide sowie ein stark konzentrierter oder alkalischer Urin können das Testresultat verfälschen. Bei allen bisher genannten Konstellationen – von der Zystitis bis zum fehlerhaften Streifentest – empfehlen die Schweizer Kollegen, zunächst die erneute Urinkontrolle nach zwei bis vier Wochen.

Weiterer Streifentest bei schwach positivem Befund

Bei einer schwach positiven Reaktion (+) ist die Wahrscheinlichkeit für ein falsch positives Resultat hoch. Deshalb reicht nach Meinung der Autoren zunächst ein weiterer Streifentest aus. Falls auch dieser positiv ausfällt, sollte die Eiweißausscheidung mit der Berechnung des Albumin-Kreatinin-Quotienten (ACR, Albumine Creatinine Ratio), quantifiziert werden.

Damit sollten Sie rechnen

Um anhand des Albumin-Kreatinin-Quotienten die Albuminurie abschätzen zu können, muss man die tägliche Kreatinin­ausscheidung kennen. Diese entspricht in etwa der endogenen Kreatininproduktion. Bei Frauen sind dies 110–150 µmol/kgKG, bei Männern 150–200 µmol/kgKG. Ein 70 Kilogramm schwerer Durchschnittsmensch scheidet etwa 10 mmol/d aus. Der Albumin-Kreatinin-Quotient wird in der Einheit mg Protein/mmol Kreatinin angegeben. Deshalb kann man die Protein­ausscheidung abschätzen, indem man den Albumin-Kreatinin-Quotienten mit dem Faktor 10 multipliziert. Beispiel: Bei einem Quotienten von 35 mg/mmol Kreatinin liegt die tägliche Proteinausscheidung bei etwa 350 mg/d.

Anders ist die Situation bei einem stark positiven semiquantitativen Test (+++). Dieses Ergebnis signalisiert mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Proteinurie. Deshalb raten die Autoren, den Patienten gleich mittels ACR nachzutesten. Auch bei einem mittelstark positiven Streifentest­resultat raten sie zum Albumin-­Kreatinin-Quotienten. Falls diese Überprüfung negativ ausfällt, hängt das weitere Vorgehen von der individuellen Gefährdung ab. Wenn der Patient weder Diabetes mellitus noch arteriellen Hochdruck aufweist oder andere Risikofaktoren wie etwa Nierenerkrankungen in der Familie, kann man auf weitere Diagnostik verzichten. Ansonsten empfehlen die Kollegen ein einmal jährliches Screening mittels ACR. Deutet die Nachtestung dagegen noch immer auf eine Proteinurie hin, richtet sich das weitere Vorgehen nach dem Alter des Patienten. Ist er 30 Jahre alt oder jünger und augenscheinlich gesund, sollte zunächst eine orthostatische Proteinurie ausgeschlossen werden (s. Kasten). Diese Erkrankung hat eine gute Prognose, führt auch nach jahrzehntelangem Verlauf nicht zur Verschlechterung der Nierenfunktion und bildet sich oft von selbst zurück.

Orthostatische Proteinurie

Zum Nachweis genügen zwei Urinproben. Der Patient soll sich vor der Schlafen eine bis zwei Stunden ausruhen und unmittelbar vor der Nachtruhe die Blase vollständig entleeren. Beim Aufstehen soll er eine Urinprobe (mindestens 10 Milliliter) in einen Becher abgeben (Nacht­urin) und anschließend seiner normalen Tagestätigkeit nachgehen. Nachmittags bringt er den Nacht­urin in die Praxis und gibt dort eine zweite Probe (Tages­urin) ab. Aus beiden Proben wird der Albumin-Kreatinin-Quotient bestimmt. Die orthostatische Genese ist erwiesen, wenn im Nachturin keine Albuminurie nachweisbar ist.

Bei Patienten jenseits des 30. Lebensjahres ist eine orthostatische Genese der Proteinurie eher unwahrscheinlich. In diesem Fall empfehlen die Autoren eine erneute Überprüfung des Albumin-Kreatinin-Quotienten. Fällt die ACR zweimal positiv aus, ist die persistierende Proteinurie gesichert und muss weiter abgeklärt werden. Zum Basisprogramm gehört dann die Untersuchung des Serumkreatinins und des Urinstatus, ggf. ist auch eine mikroskopische Analyse des Harnsediments indiziert. Ein unverzichtbarer Bestandteil ist die Sonographie der Harnwege, um einer Einzel- oder Schrumpfniere sowie einer möglichen Abflussstörung auf die Spur zu kommen.

Die Grenzwerte

  • physiologische Albuminurie:
    < 20–30 mg/d,
    physiologische Proteinurie:
    < 110 mg/d
  • Mikroalbuminurie:
    30–300 mg/d
  • Makroalbuminurie:
    300 mg/d bis 3 g/d
  • nephrotischer Bereich:
    > 3 g/d

Sind Glukosestoffwechsel und Blutdruck in Ordnung?

Wenn die Basisdiagnostik nichts Auffälliges ergibt und wenn der Patient an Hypertonie oder Diabetes leidet, ist in der Regel eine renoprotektive Therapie mit einem ACE-Hemmer oder einem AT1-Rezeptor­antagonisten angezeigt. Außerdem sollte dann der Albumin-Kreatinin-Quotient einmal im Jahr überprüft werden. Sind Blutdruck und Glukosestoffwechsel in Ordnung, muss die Ursache der persistierenden Proteinurie genauer eruiert werden. Dabei gilt es, potenziell gefährliche Auslöser wie Glomerulonephritis, Vaskulitis und multiples Myelom nicht zu übersehen. Falls sich anderweitig keine Ursache finden lässt, ist eine Nierenbiopsie angezeigt­.

Quelle: Freund V, Mayr M. Ther Umsch 2020; 77: 361-370; DOI: 10.1024/0040-5930/a001205