Digitale Transformation der Prävention Welche Steine noch aus dem Weg geräumt werden müssen

Autor: Yvonne Emard

Derartigen Darmkrebsfällen kann man nur durch die Kombination verschiedener Puzzleteile adäquat vorbeugen. Derartigen Darmkrebsfällen kann man nur durch die Kombination verschiedener Puzzleteile adäquat vorbeugen. © Science Photo Library / Zephyr, M+Isolation+Photo – stock.adobe.com

Um das enorme Potenzial digitaler Präventionstools voll ausschöpfen zu können, muss der Gesetzgeber die Weichen stellen. Das Bayerische Gesundheitsministerium hat sich das Thema Prävention zumindest schon mal auf die Fahne geschrieben.

Wearables, Künstliche Intelligenz (KI) und digitale Heimtests verändern die Früherkennung – besonders in der Onkologie. Dr. Berndt Birkner, Präsident des Netzwerks gegen Darmkrebs e. V., betonte: „Die Digitalisierung in der Früherkennung ist möglich und sie wird kommen, davon bin ich überzeugt.“ Der Wandel sei unausweichlich und der Gesetzgeber habe mit dem „Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens“ bereits reagiert. Doch die schon vor langer Zeit von der Gematik geforderten Bedingungen wurden im Rahmen der Telematikinfrastruktur noch immer nicht ausreichend umgesetzt.

In der Darmkrebsprävention zeigt sich besonders deutlich, wohin die Reise geht. Neben bewährten Methoden wie Endoskopie und Stuhltests rücken metabolische Marker, Mikrobiomanalysen und genetische Tests in den Fokus. Diese Technologien ermöglichen eine frühzeitigere, individuellere Diagnostik – unterstützt durch digitale Anwendungen. Ein praktisches Beispiel: Ein in Deutschland entwickelter appbasierter immunologischer Schnelltest zum Nachweis von okkultem Blut im Stuhl liefert per Smartphone innerhalb von 15 Minuten ein Ergebnis darüber, ob die Probe positiv ist – ohne Praxisbesuch, Wartezeit oder Laborumweg.

Es braucht Standards für die Verknüpfung von Daten

Parallel gewinnen Wearables an Bedeutung. Sie erfassen kontinuierlich Gesundheitsdaten und liefern Hinweise auf chronische Erkrankungen wie Diabetes oder Herzinsuffizienz. Um diese wertvollen Daten sinnvoll zu nutzen, sind laut Dr. Birkner aber noch einige Herausforderungen zu meistern. So müssen u. a. Standards für die Interoperabilität, also für die Verknüpfung von Datenquellen, geschaffen werden.

Auch Künstliche Intelligenz sieht der Gastroenterologe als Schlüsselfigur: „Die KI wird zu einem Teammaker.“ Sie vernetze alle, die in die Diagnostik und Behandlung einer Patientin bzw. eines Patienten involviert sind und Entscheidungen treffen müssen. In der Endoskopie ist sie bereits angekommen. Aus Bilddaten generieren Algorithmen Diagnosen und unterstützen so die Ärztinnen und Ärzte bei komplexen Entscheidungen. „Wir Ärzte müssen lernen, damit umzugehen“, appellierte Dr. Birkner.

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Die Möglichkeiten digitaler Medizin lassen sich aber nicht ohne politischen Rückhalt und strukturelle Anpassungen nutzen. Dr. Birkner machte deutlich: „Technologieentwicklung muss mit Datensicherheit verknüpft sein. Aber bürokratische und regulatorische Hindernisse müssen unbedingt abgebaut werden.“ Nur wenn Gesetzgebung, Versorgungspraxis und digitale Innovation zusammenspielen, könne der Schritt in eine zukunftsfähige Präventionsmedizin gelingen.

„Masterplan Prävention“ mit partizipativem Ansatz

Welchen Beitrag die Politik bei der Primärprävention leisten kann, verdeutlichte Dr. Martina Enke vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention. Mit dem „Masterplan Prävention“, wie er im Koalitionsvertrag der Bayerischen Regierung verankert ist, verfolgt das Ministerium eine umfassende Strategie. Bei der Arbeit am Masterplan setzt man auf einen partizipativen Prozess. Über 150 Partnerinstitutionen – darunter u. a. Ärzteverbände, das Netzwerk gegen Darmkrebs, Gesundheitsämter und nicht zuletzt auch die Bürgerinnen und Bürger – sind in ein Bündnis für Prävention eingebunden. Gemeinsam wurden Themenfelder definiert, die sich in zehn strukturelle und zehn inhaltliche Ziele gliedern. Unter den strukturellen Maßnahmen finden sich unter anderem:

  • die Einrichtung eines Präventionsfonds
  • ein landesweiter Präventionstag, der das Thema im öffentlichen Bewusstsein verankern soll
  • die Stärkung der Fachkräfte im Gesundheitsbereich durch Fortbildung und Vernetzung
  • die Förderung digitaler Anwendungen für die Vorsorge

In einem digitalen „Präventionspool“ sollen alle Maßnahmen gebündelt und zugänglich gemacht werden. Ein systematisches Monitoring soll zudem die Wirksamkeit politischer Maßnahmen sichtbar machen und Verbesserungspotenziale aufzeigen.

Die gesundheitlichen Ziele umfassen in erster Linie die Stärkung der individuellen Gesundheitskompetenzen. Man will für „eine gute persönliche Basis“ sorgen, was z. B. körperliche Aktivität, Stressreduktion und Schlaf betrifft. Sensibilisiert werden soll zudem für die Themen Mundhygiene und Impfungen, die Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen soll steigen. 

Mit dem Masterplan will das Bundesland ein Zeichen für eine gesundheitsfördernde Infrastruktur setzen. Doch das allein wird nicht reichen. „Primärprävention ist ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag, der wirklich nur gemeinsam gelingen kann, wenn jeder in seinem Bereich etwas beiträgt“, ist Dr. Enke überzeugt.

Quelle: „Primärprävention des kolorektalen Karzinoms“, 26.02.2025, streamed-up.com