Rückenprobleme in der Umlaufbahn Wie Schwerelosigkeit der Wirbelsäule schadet

DGRh 2025 Autor: Dr. Sonja Kempinski

Die Schwerelosigkeit streckt die Wirbelsäule, schwächt die Rückenmuskulatur und die Bandscheiben. Die Schwerelosigkeit streckt die Wirbelsäule, schwächt die Rückenmuskulatur und die Bandscheiben. © Vadimsadovski - stock.adobe.com

Die Schwerelosigkeit streckt die Wirbelsäule, schwächt die Rückenmuskulatur und die Bandscheiben. Astronautinnen und Astronauten leiden unter Rückenschmerzen – und nach der Rückkehr auf der Erde häufiger unter Bandscheibenvorfällen.

Im Weltraum kann man eine Kiste Bier auf einem Finger balancieren, sagte der Physiker und ehemalige Astronaut Dr. Ulf Merbold. Kein Wunder, dass dort der Bewegungsapparat verkommt. Die Muskelmasse schrumpft um etwa 5 %, was zu einem Kraftverlust von 30 % führt. Weil sich die Wirbelsäule streckt, wird man 2 bis 3 cm größer, und die meisten Astronautinnen und Astronauten leiden insbesondere zu Beginn des Fluges unter Rückenschmerzen, erinnert sich Dr. Merbold. Als erster Deutscher war er 1983 Teil der amerikanischen Spacelab-Mission, insgesamt absolvierte er drei Raumflüge.

Die Rückenschmerzen kommen u. a. zustande, weil die Entlastung der Wirbelsäule durch das Sitzen fehlt, erklärte Prof. Dr. Bimba Hoyer, Rheumatologin am Deutschen Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln. Doch nicht nur das: Sind die Raumfahrenden zurück auf der Erde, leiden sie vermehrt an Bandscheibenvorfällen. Das liegt daran, dass die Bandscheiben bei der gedehnten Wirbelsäule vermehrt Wasser aufnehmen. Gleichzeitig wird ihre Struktur geschwächt. Zurück auf unserem Planeten steigen die Belastung und der Druck auf die Bandscheiben wieder. Durch die atrophierte Rückenmuskulatur fehlt allerdings die Stabilisierung, was Bandscheibenvorfälle begünstigt.

Dickschädel werden noch größere Dickschädel

Die atrophierte Rückenmuskulatur verfettet regelrecht, wie man besonders an der kleinen autochtonen Muskulatur untersucht hat, so die Referentin. Auch der Knorpel baut aufgrund mangelnder Belastung ab. Um dem vorzubeugen, machen die Astronauten auf der ISS regelmäßig Sprungübungen. Diese tun auch den Knochen gut, die in der Schwerelosigkeit kräftig an Dichte verlieren. Das betrifft jedoch aber nicht alle: Die Schädelkalotte nimmt aufgrund der Volumenverschiebung in Richtung Kopf an Dichte zu. Wer vor seinem Aufenthalt auf der ISS ein Dickschädel war, wird danach ein noch größerer Dickschädel sein, verdeutlichte die Expertin. 

Doch wie kann man dem unweigerlichen körperlichen Abbau der Astronautinnen und Astronauten entgegensteuern? Zunächst wird die Crew vor dem Abflug „so fit wie möglich gemacht“. „Denn je besser der Zustand vorher, desto irrelevanter wird das Delta, was wir in jedem Fall haben werden“, sagte Prof. Hoyer. Auf der Raumstation selbst stehen für alle zwei Stunden Sport am Tag an, insbesondere Kardiotraining auf dem Laufband oder Fahrrad sowie  Krafttraining gegen Widerstand. Nach der Rückkehr absolvieren die Raumfahrerinnen und Raumfahrer ein spezielles Reconditioning mit einem aufdosierten Physio- und Sportprogramm. Die vollständige Erholung der Systeme kann bis zu zwölf Monate dauern – was die Knochendichte betrifft, sogar noch länger.

Quelle: Deutscher Rheumatologie Kongress 2025