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Therapieinduzierte Probleme von Krebspatient:innen Neue Wege in der Supportivtherapie

Autor: Mascha Pömmerl

Beim AGSMO wurden Studien zur Behandlung und Linderung von zwei häufigen therapieinduzierten Problemen von Krebspatient:innen ausgezeichnet. Beim AGSMO wurden Studien zur Behandlung und Linderung von zwei häufigen therapieinduzierten Problemen von Krebspatient:innen ausgezeichnet. © Sunny_baby – stock.adobe.com
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Zwei der beim AGSMO-Jahreskongress als Best Abstracts ausgezeichneten Arbeiten befassen sich mit nicht-medikamentösen Behandlungen für zwei häufige Probleme von Krebspatient:innen: die therapieinduzierte Neuropathie sowie Angst und Depressionen.

Durch die Tumortherapie induzierte periphere Polyneuropathien (PNP) lassen sich medikamentös schwer behandeln. Im Falle einer manifesten chemotherapieinduzierten PNP empfiehlt die S3-Leitlinie eine Bewegungstherapie, die ein sensomotorisches und ein Vibrationstraining enthalten kann.1 Auch eine aktuelle systematische Metaanalyse kommt zu dem Schluss, dass sensomotorisches Training bei bestehender PNP essenziell ist.

Bewegungstherapie gegen Neuropathien 

Ob dies speziell auch für eine PNP an den oberen Extremitäten gilt, untersuchen Forschende seit Oktober 2020 in der zweiarmigen randomisiert-kontrollierten Pilot-Studie VISCIPH*. Derzeit sind 34 Patient:innen eingeschlossen, die eine Chemo- oder Immuntherapie erhalten und PNP-Symptome entwickelt haben. Je 17 absolvieren randomisiert entweder ein Vibrations- und sensomotorisches Training (Interventionsgruppe) oder ein Krafttraining (Kontrolle). In ersterer Gruppe erfolgt zweimal pro Woche ein angeleitetes 1:1-Training über 12 Wochen. In der Kontrollgruppe trainieren je drei Personen pro Betreuer:in (3:1). Nach je acht 60-minütigen Einheiten sowie final nach 24 Trainings werden die Symptome mittels Fragebögen bewertet. 

Die von ­Stefanie ­Siebert von der Uniklinik Köln vorgestellten ersten 34 vollständigen Datensätze ergaben einen signifikanten Rückgang von Taubheit, Missempfindungen und weiteren PNP-Symptomen in der Interventionsgruppe. Außerdem wurde in beiden Studienarmen ein Rückgang der Schmerzen beobachtet, der aber nicht signifikant ausfiel. „Wir sehen keine adverse events und wir haben eine hohe Rate an vollständig absolvierten Trainingsinterventionen. Das heißt, wir können davon ausgehen, dass Patient:innen unter akuter neurotoxischer Chemo- und Immuntherapie trainierbar sind“, erklärte ­Siebert. Außerdem bestätige sich der Vorteil durch Vibrations- und sensomotorisches Training im Vergleich zu reinem Krafttraining auch speziell für die obere Extremität.

Onlinekurs bei Angst und Depressionen

Ebenfalls als ein Best Abstract ausgezeichnet wurde die digitale, randomisierte klinische Studie mit dem psychoonkologischen Onlinekurs „PINK! Leben mit Brustkrebspatient:innen in Therapie, stationärer Rehabilitation und Nachsorge“. ­Josefine ­Wolff von der Ludwig-Maximilians-Universität München stellte das Design der Studie vor, die den medizinischen Nutzen des Onlinekurses evaluieren soll. 

PINK!-Studie

Die Studie läuft komplett digital, die Patient:innen können sich über eine Studienwebseite registrieren: https://pink-studie.de/pink-leben/ 

197 Erkrankte mit Mammakarzinom sollen den Kurs als Begleittherapie entweder während der Behandlung oder in der ambulanten Nachsorge bzw. stationären Rehabilitation nutzen. In beiden Stratifizierungsgruppen erfolgt eine 1:1-Randomisierung entweder in den Prüfarm mit Absolvierung des Kurses oder in die Kontrolle, die erst nach achtwöchiger Kursnutzung der Interventionsgruppe und Ermittlung des primären Endpunktes ebenfalls Zugang erhält. Fragestellung ist, ob die Betroffenen durch den Kurs einen signifikanten medizinischen Nutzen in Bezug auf die Reduktion von Angst und Depressionssymptomen haben. 

Primärer Endpunkt ist der HADS**, ein validierter Fragebogen zur Messung von Angst und Depressivität. Sekundäre Endpunkte umfassen Fatigue, Resilienz, Lebensqualität und Progredienzangst. „Wir messen aber auch ökonomische Endpunkte wie Arbeitsunfähigkeitstage, um am Ende ein Kosten-Nutzen-Modell aufzustellen“, ergänzte ­Wolff. 

Der Kurs bietet therapeutische Techniken und Übungen, die auf evidenzbasierten psychotherapeutischen Verfahren beruhen. Sie sollen die Betroffenen beim Management ihrer diagnosebedingten psychischen Belastung unterstützen. „Man lernt, die Krankheit besser zu bewältigen, ein neues Selbstbild herzustellen, bestimmte Werte neu zu erarbeiten sowie Entspannungstechniken“, konkretisierte ­Wolff. Nach Beginn der Intervention werden die Teilnehmenden alle zwei Wochen befragt. 

Die Studie läuft ab Mitte Juni und wird voraussichtlich bis Ende August rekrutieren. Daten zum primären Endpunkt werden im Herbst 2023 erwartet. Nach einer Publikation soll der Kurs in die klinische Versorgung integriert werden, um die Kostenerstattung durch Krankenkassen zu gewährleisten.

*    Einfluss von Vibrationstraining und sensomotorischem Training auf die medikamentös induzierte periphere Polyneuropathie der oberen Extremitäten (Hände)
**    Hospital Anxiety and Depression Scale

Quellen:
1.    S3-Leitlinie Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen, AWMF-Register-Nr. 032/054OL, www.awmf.org
2.    Siebert S. AGSMO Jahreskongress 2023; Vortrag: „Influence of vibration training and  sensorimotor training on medication-induced peripheral polyneuropathy of the upper extremity. VISCIPH B“
4.    Wolff J. AGSMO Jahreskongress 2023; Vortrag: „Studiendesign zur multizentrischen, digitalen, RCT mit dem psychoonkologischen Onlinekurs PINK! Leben mit Brustkrebspatient*innen in Therapie, stationärer Rehabilitation und Nachsorge“