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Leistungsfähigkeit Chirurg rund um die Uhr

Autor: Dr. Anne Benckendorff

Chirurgen riskieren vor allem ihre eigene Gesundheit. Chirurgen riskieren vor allem ihre eigene Gesundheit. © nimon_t-stock.adobe.com
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Von Sportlern, Piloten und Kraftfahrern ist bekannt, dass Schlafentzug sie weniger leistungsfähig macht. Wie sieht es bei Chirurgen aus, die bereits die vorangegangene Nacht oder zumindest Teile davon im OP verbracht haben?

Bisherige kleinere Untersuchungen deuteten darauf hin, dass Chirurgen auch nach durchgearbeiteter Nacht ihre Patienten, die am Folgetag auf ihrem Tisch liegen, nicht in größere Gefahr bringen. Doch kann das wirklich sein? Um darüber mehr Klarheit zu gewinnen, hat das Team um Dr. Eric Sun von der Stanford University School of Medicine eine umfangreiche Untersuchung durchgeführt.

Es wertete die Daten von 498.234 Patienten aus, die zwischen 2010 und 2020 in 20 gro­ßen US-amerikanischen Krankenhäusern von insgesamt 1.131 Ärzten operiert worden waren – tagsüber. Wie die Wissenschaftler herausarbeiteten, hatte bei 13.098 (2,6 %) von ihnen der Operateur auch schon in der Nacht zuvor zwischen 23 Uhr und 7 Uhr morgens operiert.

Das Ergebnis: Auf die Inzidenz von Todesfällen im Krankenhaus oder schweren Komplikationen hatte das offenbar keinen Einfluss: Sie lag bei 5,89 %, wenn der Chirurg nächtens bereits operiert hatte und bei fast identischen 5,87 %, wenn dies nicht der Fall gewesen war.

Aus Sicht der Patienten scheint Sorge unbegründet

Bei dieser Berechnung haben die Autoren mögliche Einflussfaktoren wie Alter und Komorbiditäten der Patienten, Art der Operation etc. bereits berücksichtigt. Sie kommen daher zu dem Schluss, dass es keinen Anlass zur Sorge gibt, wenn Chirurgen nach nächtlichen Einsätzen am nächsten Tag weiteroperieren.

Die Autoren eines Editorials zu der Studie zeigen sich diesbezüglich skeptisch. Zwar haben sie methodisch nichts an der Arbeit ihrer Kollegen auszusetzen. Jedoch weisen sie auf einige Mängel hin, die dieses aus ihrer Sicht unwahrscheinliche Ergebnis erklären könnten: So werden häufige Komplikationen wie etwa ein Anastomoseleck in den ausgewerteten Registerdaten gar nicht erfasst. Oder übernächtigte Chirurgen wählen vielleicht am nächsten Tag von vorneherein lieber einfachere Eingriffe aus. Und selbst wenn Chirurgen in der Lage sein sollten, trotz Übernächtigung fehlerfrei zu operieren, riskieren sie damit auf lange Sicht vor allem auch ihre eigene Gesundheit.

Quelle: 1.    Sun EC et al. JAMA Intern Med 2022; DOI: 10.1001/jamainternmed.2022.1563 / 2.    Leya GA et al. JAMA Intern Med 2022; DOI: 10.1001/jamainternmed.2022.1557