
Sinnvolle Diagnostik bei Stuhlinkontinenz Die digitale rektale Untersuchung reicht bei Stuhlinkontinenz längst nicht aus

Der diagnostische Prozess beginne natürlich mit der sorgfältigen Anamnese, stellte PD Dr. Joachim Reibetanz vom Uniklinikum Würzburg klar. Dazu gehören die Dauer der Beschwerden, genaue Symptomatologie, Stuhlfrequenz, Stuhlkonsistenz, Drangsymptomatik und der bewusste/unbewusste Verlust flüssigen, weichen oder festen Stuhls. Auch die Abfrage von Vorerkrankungen oder Eingriffen bzw. Verletzungen, die auf eine Schließmuskelschädigung hinweisen könnten, sowie die Medikamentenanamnese ist bedeutsam. Dr. Reibetanz empfahl, auch krankheitsspezifische Scores einzusetzen, um das subjektive Ausmaß des funktionellen Defizits zu objektivieren. Wichtig sei, dass die Häufigkeit und Beeinträchtigung der Inkontinenzsymptome mit abgefragt werden, so wie es z. B. beim Wexner-Score der Fall ist.
Die sorgfältige klinische Untersuchung umfasst die Inspektion der Perianalregion in Steinschnittlage, die Beurteilung von Perineum und Beckenboden, das Erkennen von Hautveränderungen, Narben, Deformität der Analöffnung u.Ä. Die digitale rektale Untersuchung (DRU) in Ruhe und beim Pressen, die digitale und endoskopische Exploration des Analkanals und die Rektoskopie gehören mit zur klinisch-proktologischen Basisuntersuchung. Die Sphinkterdiagnostik mittels anorektaler Endosonografie ist für Dr. Reibetanz ebenfalls Bestandteil der Abklärung einer Stuhlinkontinenz, weil die DRU nur massive Sphinkterschäden sicher aufdeckt. Schäden < 90° werden per DRU nur zu 36 % entdeckt, berichtete er. Auch in einer anderen Untersuchung wurden anhand von Ruhe/Kneifdruck in der DRU nur 30–50 % der Sphinkterdefekte entdeckt und selbst größere Rupturen gelegentlich übersehen.
Die Korrelation von anorektaler Endosonografie mit Symptomscores ist nicht immer gegeben. Das gilt auch für die Sphinktermanometrie. Letztere korreliert mit der anorektalen Endosonografie bei nachweisbarem Sphinkterdefekt dagegen recht gut, meinte Dr. Reibetanz. Er nutzt die Manometrie auch im Verlauf. Zudem kann das Spüren des Sphinkters bei der Untersuchung helfen, die Betroffenen zur Beckenbodengymnastik zu motivieren. Gut reproduzierbar ist die Methode aber nicht immer.
Die Bildgebung mittels Magnetresonanztomografie (MRT) kann zusätzlich erwogen werden. Es gibt Studiendaten, die darauf hinweisen, dass die MRT eher Internusdefekte aufzeigt, der EUS eher bei Externusdefekten vorteilhaft ist. Die Übereinstimmung dieser beiden Untersuchungstechniken bei Sphinkterdefekten wird als nur mäßig eingeschätzt.
Die Defäkografie kann Befunde aufdecken, die der klinisch-proktologischen Untersuchung entgehen. Es gibt mäßige Übereinstimmungen mit MRT-Befunden. Sinnvoll könnte die weiterführende Diagnostik mit MRT und Defäkografie sein, wenn über eine invasive Therapie nachgedacht wird. Bei erstmaliger Therapie mit Stuhlregulation, Beckenbodentraining und Medikation sind die Anamnese, ergänzt um einen spezifischen Fragebogen, und die protologische Untersuchung ausreichend, betonte Dr. Reibetanz.
Quelle: 51. Deutscher Koloproktologen-Kongress