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Angeborene Herzkrankheit Fatale Herzenssache

Autor: Dr. Melanie Söchtig

Das mittlere Sterbealter liegt noch immer bei
unter 50 Jahren. Das mittlere Sterbealter liegt noch immer bei unter 50 Jahren. © nerthuz- stock.adobe.com
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Trotz medizinischer Fortschritte sterben noch immer viele Erwachsene mit angeborener Herzkrankheit vor der Zeit. Grund hierfür könnten nicht zuletzt Schwachstellen in der medizinischen Versorgung sein.

Heutzutage erreichen 97 % der Kinder, die mit einem Herzfehler auf die Welt kommen, das Erwachsenen­alter, während es vor zwei Jahrzehnten lediglich 85 % waren. Trotz dieser erfreulichen Entwicklung bleibt ein großer Teil der Erwachsenen mit angeborener Herzkrankheit (EMAH) symptomatisch und hat ein hohes Risiko, vorzeitig zu sterben. So liegt das mittlere Sterbealter noch immer bei unter 50 Jahren. Je älter die Patienten werden, desto häufiger treten zudem Langzeitfolgen wie Herzinsuffizienz und Herzrhythmusstörungen auf, was sich wiederum negativ auf die Lebensqualität und das Gesamtüberleben der Betroffenen auswirkt.

Der genaue Bedarf ist bislang nicht definiert

Angesichts der hohen Krankheitslast und des Sterberisikos benötigen EMAH eine bedarfsgerechte medizinische Betreuung inklusive spezialisierter Palliativversorgung, fordern ­Liesbet van Bulck vom Department of Public Health and Primary Care der Universität Löwen und Kollegen. Wie diese konkret gestaltet werden sollte, ist jedoch bislang unklar.

Neue Erkenntnisse erhofften sich die Forscher aus der Auswertung von in Anspruch genommenen Gesundheitsleistungen und Todesursachen belgischer EMAH-Patienten in ihrer letzten Lebensphase. In Rahmen einer retrospektiven Studie werteten sie post mortem die Daten von 390 Erwachsenen mit angeborener Herzerkrankung aus. Demnach starben weniger als die Hälfte (45 %) der Studienteilnehmer tatsächlich aufgrund eines kardiovaskulären Ereignisses.

Lungen- und Brustkrebs auf Platz 2 der Todesursachen

Unter den kardiovaskulären Todesursachen wiederum betrug der Anteil derer, die auf den angeborenen Herzfehler zurückgeführt werden konnten, lediglich 30 %, gefolgt von Schlaganfall mit 14 %. Darüber hinaus starben 16 % an Krebs – allen voran Lungen- und Brustkrebs. Weitere Todesursachen waren unter anderem Atemwegserkrankungen (6 %), nicht-kardiovaskuläre angeborene Fehlbildungen (5 %), Erkrankungen des Verdauungssystems (3 %), endokrine sowie Ernährungs- und Stoffwechselstörungen (3 %), infektiöse und parasitäre Erkrankungen (2 %) und Erkrankungen des Nervensystems (2 %).

In ihrem letzten Lebensjahr wurden 87 % der Patienten mindestens einmal in ein Krankenhaus eingewiesen, 78 % suchten eine Notaufnahme auf und 19 % landeten auf der Intensivstation. Demgegenüber hatten nur 28 % einen Termin bei einem auf EMAH spezialisierten Facharzt, im letzten Lebensmonat waren es gerade einmal 11 %.

Insgesamt 17 % bzw. 13 % der Studienteilnehmer erhielten im letzten Lebensjahr bzw. -monat eine spezia­lisierte Palliativversorgung. Dabei wurde diese insbesondere in den letzten vier Wochen signifikant mehr Patienten mit krebsbedingter als mit kardiovaskulärer Todesursache zuteil (41 % vs. 4 %).

Den Autoren zufolge zeigt die starke Inanspruchnahme intensiver und potenziell vermeidbarer medizinischer Leistungen gegen Ende des Lebens, dass bei Versorgung und Pflege von Erwachsenen mit angeborener Herzkrankheit Verbesserungsbedarf besteht. Im Rahmen weiterer Studien müsse es um die Bedürfnisse und Wünsche von EMAH-Patienten und entsprechende Anpassungen des Gesundheitswesens gehen.

Quelle: van Bulck L et al. Eur Heart J 2022; DOI: 10.1093/eurheartj/ehac484